Sigung vom 24. März 1909. Dieſes Auflöſungsrecht iſt nicht einmal durch be⸗ ſtimmt umriſſene Kautelen eingeſchränkt, ſondern es heißt ganz allgemein, daß der Magiſtrat be⸗ rechtigt ſei, die Arbeiterausſchüſſe aufzulöſen, wenn ſie ſich für ihre Aufgaben ungeeignet zeigen ſollten. Was heißt und bedeutet „ungeeignet“? Der Magiſtrat wird darüber wieder ſelbſt befinden. Iſt der Ausſchuß ſchon „ungeeignet“, wenn ſich die Arbeiter mit Fragen beſchäftigen, die dem Magiſtrat nicht angenehm ſind? — Wie geſagt, irgendwelche Sicherheit vor willkürlicher Konſtruktion „un⸗ geeigneter“ Handlungen des Ausſchuſſes iſt den Arbeitern nicht gegeben. Der Magiſtrat hat dieſe Beſtimmung noch dahin erweitert, daß es heißt: wenn ein Ausſchuß mehrere Male aufgelöſt worden iſt, kann auf die Dauer eines Jahres die Tätigkeit des Ausſchuſſes für den betreffenden Betrieb inhibiert werden. Wozu man dann aber den Arbeiterausſchuß überhaupt geſchaffen hat, wenn man ihn bei der erſten beſten Gelegenheit, wo dem Betriebsleiter oder dem Magiſtrat ein Arbeiter⸗ ausſchuß unangenehm wird, beſeitigen kann, das iſt für uns einfach ein Rätſel. Aus dieſen allgemeinen Erwägungen heraus iſt auch der allgemeine Arbeiterausſchuß, der in der Vorlage vorgeſehen iſt, wenn er auf demſelben Boden der Unſelbſtändigkeit aufgebaut iſt, wie dieſe Beſtimmungen es ſind, uns nicht ſovieſ wert, wie er dem Magiſtrat wert zu ſein ſcheint. Wir kommen zu der Auffaſſung, daß dieſe Beſtimmungen, die nach der Auffaſſung des Magiſtrats ſehr gut ge⸗ meint, ſehr loyal und ſehr weitgehend ſein mögen — ich weiß ja nicht, wie beſcheidene Anſprüche der Magiſtrat an einen Arbeiterausſchuß ſtellt —, daß dieſe Beſtimmungen für die Arbeiter ein Meſſer ohne Heft bedeuten, dem auch noch die Klinge fehlt. Wenn dieſe Beſtimmungen unverändert hinausgehen werden, ſo geben ſie den Arbeitern nicht die Rechte, die die Arbeiter haben wollen, um ſich innerhalb des Betriebes betätigen und ihre Intereſſen ſo wahrnehmen zu können, wie es not⸗ wendig iſt. Die ganzen Beſtimmungen machen auf uns den Eindruck, als wenn ſie wieder ein Stück Dekorum für die Stadt Charlottenburg dar⸗ ſtellen ſollen, das nach außen hin ſehr ſchön aus⸗ ſieht, im Innern aber wenig wert iſt, für die Arbeiter nichts taugt und uns nicht befriedigt. (Stadtyv. Dr Crüger: Lehnen Sie doch ab!) — Wir haben hier nichts abzulehnen, ſondern wir können die Vorlage leider nur zur Kenntnis nehmen. Vorſteher Kaufmann: die Außerung „Lehnen Sie es ab“ veranlaßt mich doch, darauf hin⸗ zuweiſen, daß wir nichts anzunehmen oder abzu⸗ lehnen haben, ſondern daß uns nur eine Vorlage zur Kenntnisnahme zugegangen iſt. Bürgermeiſter Matting: Der Herr Stadt⸗ verordnetenvorſteher hat bereits vorweggenommen, was ich in erſter Linie betonen wollte. Selbſt⸗ verſtändlich iſt der Magiſtrat durchaus bereit, ſich in dem Ausſchuſſe über den Wert der Arbeiter⸗ ausſchüſſe, über den Inhalt der Beſtimmungen, die er der Tätigteit der Ausſchüſſe zu Grunde zu legen beabſichtigt, mit Ihnen auseinanderzuſetzen. Aber ich glaube nicht, daß der Magiſtrat ſich jemals dazu bereit erklären wird, ſich hier in ſein ur⸗ eigenſtes Recht eingreifen zu laſſen, d. h. ſich die Rechtsverhältniſſe zwiſchen dem Magiſtrat und einen Arbeitern, ſoweit es ſich um die innere Ver⸗ 127 waltung handelt, vorſchreiben zu laſſen. Wenn Herr Stadtv. Zietſch die Anforderungen, die er eben ausgeſprochen hat, durchſetzen ſollte, ſo würde er, ſoweit ich die Angelegenheit beurteile, wahrſcheinlich im Magiſtrat eine Reaktion nach der andern Seite hervorrufen, d. h. dahin, daß der Magiſtrat ſich über⸗ haupt nicht damit einverſtanden erklären würde, der⸗ artige Arbeiterausſchüſſe einzuſetzen, und wenn die beſtehenden Ausſchüſſe tatſächlich ſo wertlos ſind, wie Herr Stadtv. Zietſch es behauptet, dann wird auch wahrſcheinlich die Stadtverord⸗ netenverſammlung kein großes Intereſſe daran haben, daß ſie fortbeſtehen. Meine Herren, daß Herr Stadtv. Zietſch kein gutes Haar an dieſer Vorlage laſſen würde, darauf war ich von vornherein vorbereitet, wahrſcheinlich auch der Magiſtrat; denn ſein Fraktionsgenoſſe, Herr Stadtv. Hirſch, hat ja die Beſtimmungen für den Arbeiterausſchuß der Gasanſtalt ſchon oft ſo ge⸗ ſchildert, als wenn ſie überhaupt wertlos ſeien. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Sind ſie auch!) Nun ſind allerdings dieſe Beſtimmungen für die Gasanſtalt nachgebildet, allerdings ſo, daß ſehr weitgehende neue Beſtimmungen in dieſen Entwurf aufgenommen worden ſind. Herr Stadtv. Zietſch hat — aus ſeinen Ausführungen habe ich das nicht entnommen — bisher unſere Akten nicht darauf hin eingeſehen, welches Material ſonſt noch unſerm Entwurf zugrunde liegt. Ich glaube, er wird kein Statut für Arbeiterausſchüſſe in irgend einer Ver⸗ waltung, ſei es einer kommunalen, ſei es einer ſtaatlichen, ſei es einer privaten, finden, wo derartige Konzeſſionen geradezu kumuliert ſind. (Stadtv. Zietſch: Sie wollen doch voranſchreiten!) — Wir wollen es auch; wir haben alles, was über⸗ haupt an liberalen Beſtimmungen bisher bei Ar⸗ beiterausſchüſſen vorhanden geweſen iſt, in dieſen Entwurf aufgenommen. Ich gebe mich der Er⸗ wartung hin, daß wir aus dem Hauſe heraus eine etwas wohlwollendere Kritit dieſes Entwurfs hören werden, als Herr Stadtv. Zietſch ſie eben aus⸗ geſprochen hat. Herr Stadtv. Zietſch hat die Frage geſtellt, ob dieſe Arbeiterausſchüſſe o ipso auch auf alle andern Verwaltungen ausgedehnt werden, in denen 50 Ar⸗ beiter und mehr beſchäftigt ſind. Das iſt allerdings grundſätzlich die Auffaſſung des Magiſtrats. Ob nun gerade im Kanaliſationsbetriebe dieſe Voraus⸗ ſetzungen unter allen Umſtänden vorliegen werden, wird davon abhängen, ob man in der Zahl der 50 Arbeiter einen geſchloſſenen Betrieb erkennen wird, oder ob man nicht zu der Meinung kommt, daß zwar 50 Arbeiter vorhanden, aber deren Intereſſen ſo heterogene ſeien, daß ſie ſich nicht zu⸗ ſammenſchließen laſſen — Erwägungen, die ja in mannigfacher Hinſicht ſchon in unſerer Vorlage angeſtellt worden ſind. Meine Herren, ich möchte Sie noch einmal bitten, ſich nicht durch die Ausführungen des Herrn Stadtv. Zietſch beeinfluſſen zu laſſen. Ich erkläre Ihnen, daß der Magiſtrat an dieſe Arbeit herangegangen iſt in vollſter Sympathie für die Ein⸗ richtung der Arbeiterausſchüſſe, allerdings, indem er die Arbeiterausſchüſſe nicht nur und aus⸗ ſchließlich vom Standpunkt der Arbeitnehmer, ſondern auch vom Standpunkt der Verwaltung aufgefaßt hat. (Sehr richtig!) Die Arbeiterausſchüſſe ſollen nicht nur ein Ver⸗ trauensorgan für die Arbeitnehmer, ſondern auch