Sitzung vom 24. März 1909. Wenn man hier in Betracht zieht, daß ſich der Magiſtrat das Recht vorbehält, den Arbeiterausſchuß gewiſſermaßen aufzulöſen, ihn beiſeite zu ſtellen, dann hat doch ſolch ein Arbeiterausſchuß für die Arbeiter abſolut keinen Wert. Ich will nur einmal annehmen, es werden in dieſen Arbeiterausſchuß organiſierte Arbeiter gewählt, und dieſe wären dem Magiſtrat nicht genehm. Dann hat es der Magiſtrat ſehr leicht in der Hand, dieſen Arbeiterausſchuß von der Bildfläche verſchwinden zu laſſen. Wir können uns alſo mit dieſen Beſtimmungen abſolut nicht einverſtanden erklären, und ich glaube wohl, daß es im Ausſchuſſe möglich ſein wird, Kautelen zu ſchaffen, um den Arbeiterausſchuß auf eine beſſere Baſis zu ſtellen. Stadtv. Zietſch: Aus den Ausführungen des Herrn Bürgermeiſters und des Herrn Kollegen Wöllmer ſchien mir hervorzugehen, daß die Herren glauben, nur ſie ſeien Freunde der Errichtung von Arbeiterausſchüſſen. Nein, auch wir ſtehen auf dem Standpunkt, daß in jedem Betriebe Arbeiter⸗ ausſchüſſe ſein müſſen. Wir wollen nur andere Arbeiterausſchüſſe haben, als die ſein werden, die nach den vorgeſchlagenen Beſtimmungen ge⸗ bildet werden ſollen. Wir werden, weil wir der Errichtung von Arbeiterausſchüſſen im Prinzip nicht entgegenſtehen, auch in dem Ausſchuſſe, den Herr Kollege Wöllmer vorgeſchlagen hat, mit⸗ arbeiten. Vielleicht gelingt es uns dort, in ver⸗ ſchiedenen Punkten den Magiſtrat zu einer beſſeren Einſicht zu bekehren. Stadtv. Dr. Crüger: Meine Herren, dann wird es aber, glaube ich, ſehr erwünſcht ſein, wenn die Herren einen andern modus procedendi ein⸗ ſchlagen; denn die Ausführungen, die wir ins⸗ beſondere von Herrn Kollegen Zietſch gehört haben, ſind ganz gewiß nicht geeignet, für den Arbeiterausſchuß weitere Rechte zu gewinnen, als ſie ihm jetzt gegeben worden ſind. Das iſt aber ganz der charakteriſtiſche Ton, auf den alle derartigen Kritiken geſtimmt ſind, (ſehr richtig!) der charakteriſtiſche Ton, der nicht von mir ſo ge⸗ tennzeichnet wird, ſondern von Ihren eigenen Ge⸗ noſſen, namentlich in den „Sozialiſtiſchen Monats⸗ heften“. — Sie brauchen nicht gleich abwehrend die Hände zu erheben und zu ſagen, mit denen hätten Sie keine Gemeinſchaft. Vorläufig gehören die noch zu Ihnen. In den „Sozialiſtiſchen Monats⸗ heften“ wird mit Recht darauf hingewieſen, wie Sie es ſich förmlich pflichtmäßig zu eigen machen, jede Reform, die geboten wird, nach Kräften herunter⸗ zureißen (ach, ach! bei den Sozialdemokraten.) — das haben wir ja heute wieder erlebt —, ſtatt auf dem gegebenen Boden fortzuarbeiten. (Stadtv. Hirſch: Das hat ja nur ein Einzelner geſagt!) Auch von unſerem SStandpuntte aus ſind die Arbeiterausſchüſſe noch verbeſſerungsbedürftig, wie das Herr Wöllmer bereits geſagt hat. Aber ſtatt das anzuerkennen und weiter zu arbeiten, reißen Sie die ganze Sache in den Schmutz und ſagen: das iſt überhaupt nichts, Sie würden für derartige Arbeiterausſchüſſe beſtens danken. Wir haben ja gehört, wie der Arbeiterausſchuß der Gasanſtalt von Ihnen charakteriſiert worden iſt. Da können 129 Sie es uns doch wirklich nicht verdenken, wenn wir zu der Meinung kommen: Ihnen liegt viel mehr an der Kritik als an den Arbeiterausſchüſſen. (Sehr richtig!) Stadtv. Zietſch: Meine Herren, es iſt allemal ſo: wenn wir unſere prinzipielle Stellung betonen, dann kommt Herr Kollege Dr Crüger und erzählt, daß wir nur kritiſieren und nichts beſſer machen können. Wenn Herr Kollege Crüger mit den pathetiſchen Worten geſchloſſen hat: wir wollen nur kritiſieren und nicht mitarbeiten, — ſo ſind ja eine ganze Reihe anderer Auslaſſungen da, wonach man uns etwas anders einzuſchätzen ſich beſtrebt hat, als Herr Dr Crüger zu tun gewöhnt iſt. Das liegt aber in ſeiner Gewohnheit: wir nehmen ihm das nicht übel. (Stadtv. Dr Crüger: Das iſt ſchade!) — Ach nein, Ihnen nehmen wir das nicht übel. Wenn Herr Kollege Dr Crüger noch darauf hin⸗ weiſt, in den „Sozialpolitiſchen Monatsheften“ ſei in abfälliger Weiſe über unſere Arbeit und das Betonen unſerer prinzipiellen Stellung geſprochen worden, ſo geniert uns das gar nicht. (Stadtv. Dr Crüger: Leider — Stadtv. Hirſch: Was iſt über Sie alles in der „Nation“ geſagt worden!) — Selbſt wenn von einem Parteigenoſſen in aus⸗ geſprochenen und in unſerer Partei allgemein an⸗ erkannten Parteiblättern, welche Stellung die „Sozialiſtiſchen Monatshefte“ nicht einnehmen, ſo geurteilt werden ſollte, ſo würde das nur der Beweis dafür ſein, daß in unſeren Reihen noch eine be⸗ deutend freiere Kritik möglich iſt, als ſie bei Ihnen zu Hauſe iſt. Es iſt ſelbſtverſtändlich, Herr Kollege Dr. Crüger: wenn Vorlagen an uns herantreten, die doch in letzter Linie auf unſere Initiative zurück⸗ zuführen ſind, dann werden wir zu dieſen Vorlagen die Stellung einnehmen, die uns geboten erſcheint auf Grund unſerer prinzipiellen Auffaſſung. Und wenn die Vorlagen unſeren prinzipiellen An⸗ ſchauungen nicht entſprechen, dann werden wir ſie demgemäß tritiſieren müſſen und beurteilen dürfen. Eben weil wir aber wiſſen, daß Sie gar nicht bereit ſind, uns auf unſerem Wege zu folgen, und weil wir wiſſen, daß wir das nicht von Ihnen erlangen können, was wir im Intereſſe der Arbeiter zu fordern haben, ſo erklären wir uns trotz unſerer prinzipiellen Bedenken bereit, an der Beſſerung ſolcher unſerer Auffaſſung nach unvollkommenen Ge⸗ bilde mitzuarbeiten, um wenigſtens noch einige Verbeſſerungen erreichen zu können. Der Unter⸗ ſchied zwiſchen Ihnen und uns iſt nur der: Sie haben teine Prinzipien mehr, und wir haben ſie noch. (Heiterkeit.) Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, nur noch ein paar Worte! Ich möchte doch zu erwägen bitten: worin liegt denn der Wert und die Bedeu⸗ tung der Arbeiterausſchüſſe überhaupt? — Darin, daß ſie ein anerkanntes Vermittlungsorgan zwiſchen der Arbeiterſchaft und der Verwaltung ſind. Dazu gehört aber doch notwendigerweiſe, daß auch die Verwaltung Vertrauen zur Tätigkeit der Arbeiter⸗ ausſchüſſe hat. (Stadtv. Hirſch: Umgekehrt!) — Gewiß, das Vertrauen ſollen auch die Arbeiter haben; das habe ich vorhin ausgeführt. Sie können aber unmöglich die Abſicht haben, dem Magiſtrat Arbeiterausſchüſſe, die er für ungeeignet hält, auf⸗ zuoktroyieren. Mit ſolchen Arbeiterausſchüſſen