Sitzung vom 24. März 1909. Berichterſtatter Stadtv. Wöllmer: Meine Herren, wenn auch Herr Kollege Landsberger mit Recht bemerkte, daß ich einen Ausſchuß beantragen würde, ſo muß ich doch bei der Wichtigkeit der An⸗ gelegenheit etwas ausführlicher auf die Sache ein⸗ gehen. Wir haben bekanntlich im Februar vorigen Jahres von dem Magiſtrat eine Vorlage bekommen, in der die Bewilligung einer Zinsbürgſchaft in Höhe von 30 000 ℳ zugunſten der „Dreiteilung“, All⸗ gemeine Müllverwertungsgeſellſchaft, beantragt wurde. Der Zweck dieſes Antrags damals war, der Geſellſchaft die Möglichkeit zu geben, eine größere Kapitalanleihe zu machen. Die Geſell⸗ ſchaft hatte in der erſten Zeit Verluſte, die Schweine⸗ maſt hatte erhebliche Verluſte gebracht, die Geſell⸗ ſchaft war in gewiſſe Schwierigkeiten mangels Kapital geraten; ſie meinte aber, es wäcen nur die erſten Kinderkrankheiten in ihrem Betriebe, die die Verluſte herbeigeführt hätten. Wir haben damals, als dieſe Zinsbürgſchaft beſchloſſen wurde, im Aus⸗ ſchuß noch darüber nachgedacht, welche Sicher⸗ heiten wir ſchaffen können, daß die Bürgſchaft nicht in Anſpruch genommen wird, falls die Geſellſchaft einen höheren Reingewinn als 4% haben würde. Meine Herren, die Vorlage, die der Magiſtrat uns jetzt gibt, iſt von einer weit größeren und ſchwerer wiegenden Bedeutung. Sie ſtellt eine Sanierung der Müllverwertungsgeſellſchaft auf Koſten der Stadt dar und zerfällt in zwei Teile. Erſtens beantragt der Magiſtrat, daß die Stadt die vorhandenen Müllkäſten nach dem Buchwerte von etwa 69 000 ℳ erwerbe und ſich ferner auch an den Koſten für die weiter anzuſchaffenden Müllkäſten beteilige. Dieſer Teil der Magiſtratsvorlage ſtellt meines Erachtens weiter nichts dar als einen Kapitalzuſchuß der Stadt an die Müllverwertungs⸗ geſellſchaft. Die Stadt ſoll 69 000 ℳ der Geſell⸗ ſchaft in bar zahlen, welche ihr die Geſellſchaft mit 3 ½ % verzinſt, abgeſehen davon, daß von dem Werte der Müllkäſten 1000 ℳ abgeſchrieben werden ſollen. Als Sicherheit für die Kapitalleiſtung der Stadt werden die Müllkäſten der Stadt eigentümlich überwieſen. 2 Meine Herren, ich möchte über den Rahmen der objektiven Berichterſtattung nicht allzu weit hinaus⸗ gehen, aber ich muß doch ſagen, daß mir dieſer Vor⸗ ſchlag wenig akzeptabel erſcheint. An und für ſich iſt mir die Form nicht ſympathiſch, in der die Stadt einen Kapitalzuſchuß leiſten ſoll. Hat doch der Magiſtrat ſelbſt in ſeiner Vorlage vom Februar 1908 ausdrücklich hervorgehoben, als die Geſellſchaft mit Kapitalanſprüchen an uns herantrat, es wäre nicht Aufgabe der Stadt, einen Kapitalzuſchuß der Geſellſchaft zu leiſten, es ginge über den Rahmen der Aufgaben einer Stadtgemeinde hinaus, ſich kapitaliſtiſch an Unternehmungen zu beteiligen. Ich meine, dieſen Standpunkt, den der Magiſtrat damals eingenommen hat, billigen zu müſſen, und ich glaube, wir müſſen auch heute noch an dieſem Standpunkt feſthalten. Die Müllkäſten haben ferner im ſchlimmſten Falle, wenn die Geſellſchaft den Betrieb einſtellen und zur Auflöſung kommen ſollte, einen höchſt problematiſchen Wert; (ſehr richtig!) denn ſie ſind weſentlich kleiner als die anderen Käſten, die bei dem alten Syſtem zur Anwendung gelangen. Es iſt höchſt zweifelhaft, ob bei dem Miſchſyſtem dieſe ſehr kleinen Mülltäſten benutzt werden können. Wenn ich auch nicht gerade ſagen 137 will, daß ſie gar nicht zu benutzen ſind, ſo haben ſie doch meiner Anſicht nach nur einen geringen Wert. Ich muß alſo ſagen: für mich iſt der erſte Punkt der Vorlage des Magiſtrats nicht akzeptabel. Der zweite Punkt der Magiſtratsvorlage iſt von einer weit größeren Bedeutung. Der Magiſtrat beantragt, den Gebührenſatz von 1,30 auf den Kopf der Bevölkerung auf 1,60 ℳ zu erhöhen, alſo um 30 , Das würde, wenn der Etat von 1909 zugrunde gelegt wird, bei 275 000 Ein⸗ wohnern einen Zuſchuß der Stadt von jährlich 83 000 ℳ bedeuten — das ſind ungefähr 23 % mehr, als vertraglich vereinbart worden war —, und dieſe 83 000 ℳ ſoll die Stadtgemeinde bis zum Ablauf des Vertrages bezahlen, das heißt noch 13 Jahre, bis zum Jahre 1922. Die Deckung der Mittel iſt vorhanden; nach den Mitteilungen des Magiſtrats iſt, was ich beſtätigen kann, in der Tat im Etat 1909 mit Hilfe des vorhandenen Reſerve⸗ fonds die Deckung geſichert, ohne daß eine Erhöhung des Gebührenſatzes von 0,8% des Nutzungswertes für die Hausbeſitzer in Betracht käme. Meine Herren, die Gründe, welche den Magiſtrat veranlaßt haben, uns heute dieſe Vorlage zu machen, ſind weſentlich andere als die, welche dem Magiſtrat vor einem Jahre zur Einbringung der Vorlage bezüglich der Zinsgarantie Veranlaſſung gegeben haben. Es ſind nicht kapitaliſtiſche Gründe, es ſind auch keine Kinderkrankheiten, die die Geſell⸗ ſchaft bei der Schweinemaſt zu überwinden hatte und eine Verbeſſerung ihrer finanziellen Lage damals nötig machten, ſondern es iſt ein chroniſches Leiden, das ſich herausgeſtellt hat: die Geſellſchaft arbeitet nach ihren Mitteilungen fortgeſetzt mit einer Unterbilanz, d. h. ihre Ausgaben ſind weſent⸗ lich größer als die zur Verfügung ſtehenden Ein⸗ nahmen. Vor allen Dingen wird der Hauptgrund des Übels von der Geſellſchaft auf den Abfuhr⸗ betrieb zurückgeführt. Nach den Mitteilungen, die ſich in den Atten befinden, behauptet ſie, daß der Abfuhrbetrieb als ſolcher ihr weit höhere Koſten verurſacht habe, als ſie angenommen hatte, und daß die Einnahmen in keinem Verhältnis zu den Aus⸗ gaben ſtehen. Meine Herren, ich will auf dieſe Zahlen nicht eingehen; ich behalte mir vor, im Ausſchuß ausführlich auf die Ziffern einzugehen, welche die Koſten des Abfuhrbetriebes und die übrigen Geſchäfts⸗ und Handlungsunkoſten der Geſellſchaft betreffen. Die Zeitungen haben ſich ja der Sache bereits angenommen; aber ich halte es weder im Intereſſe der Geſellſchaft noch in dem der Stadt für richtig, wenn ich allzu ſehr in der öffentlichen Verſammlung in die Einzelheiten der finanziellen Verhältniſſe dieſer Geſellſchaft hinein⸗ ſteige. Ich will bei dieſer Gelegenheit als Bericht⸗ erſtatter nicht unterlaſſen, hervorzuheben, was der Magiſtrat in ſeiner Begründung bereits getan hat, daß die Geſellſchaft ihre Verpflichtungen der Stadt gegenüber in techniſcher Beziehung voll erfüllt hat. Das Dreiteilungsſyſtem hat ſich in techniſcher Be⸗ ziehung bewährt, und die Geſellſchaft hat ihre Ver⸗ pflichtungen erfüllt. Es ſind nennenswerte Klagen nicht eingelaufen. Dieſe Feſtſtellung iſt man der Geſellſchaft ſchuldig. Die Geſellſchaft hat ſich aber in einer großen Selbſttäuſchung befunden, als ſie ihren Voranſchlag machte und damals mit der Stadt den Vertrag einging. Meine Herren, wenn wir uns nun in den Aus⸗ ſchuß begeben, um dieſe Vorlage zu prüfen, ſo bin ich der Anſicht, daß wir zur Beurteilung der An⸗