Sitzung vom 31. März 1909 bringen, daß wir von unſerer ſonſtigen Überzeugung abweichen. 12 (Sehr richtig!) Wie neulich der Herr Oberbürgermeiſter ſo ſchön ausgeſprochen hat: unſer Gewiſſen iſt das, worauf wir zu ſehen haben, und nicht mündliche oder ſchriftliche Außerungen von Leuten, die nicht der Stadtverordnetenverſammlung angehören. Es iſt viel über die Leiſtungen der verſchiedenen Fuhrherren geſprochen worden; bei dem einen iſt dies, bei dem andern iſt das gut geweſen. Soviel ich weiß, iſt von Ringbildung hier offiziell nicht ge⸗ ſprochen worden, ſo daß ſich die Herren nicht be⸗ leidigt fühlen können, daß ſie einen Ring gebildet hätten, damit kein anderer herankomme. Ich habe wenigſtens von dieſer Ringbildung nicht geſprochen. Daß es in der Stadt geſchehen iſt, das geht uns doch nichts an. Ich kann nur nach beſtem Wiſſen und nach beſter Überzeugung Ihnen heute den Rat wieder⸗ holen, den Antrag des Magiſtrats ſo, wie er Ihnen vorliegt, anzunehmen. Stadtv. Gebert: Meine Herren, genau ſo, wie der Herr Referent gegen die Charlottenburger Fuhrherren Sturm zu laufen verſuchte, genau ſo, mit denſelben Argumenten, müßte man auch gegen Herrn Hennecke Sturm laufen. Denn Herr Hennecke hat nicht allein einzelne. ſondern ſehr viele Stadt⸗ verordnete aufgeſucht, alſo genau dasſelbe ver⸗ ſucht, was die Charlottenburger Fuhrherren ver⸗ ſuchen. Man kann es den Charlottenburger Fuhr⸗ herren gewiſſermaßen nicht verargen, da ſie Char⸗ lottenburger Bürger ſind, daß ſie darauf achten, die von der Stadt zu vergebenden Arbeiten zu er⸗ langen. Das iſt ihr gutes Recht, und dieſes Recht ſchätze ich denn doch höher als der Herr Referent. Nun aber noch eins. Meine Herren, wir auf unſerer Seite ſtehen prinzipiell auf dem Stand⸗ punkt, daß bei derartigen großen Unternehmungen wie dieſer in erſter Linie die Stadt ſelbſt Hand ans Werk legen und die eigene Regie einführen ſollte. Wir haben ſtets und ſtändig geſagt, daß, mögen wir den Fuhrherrn nennen, wie wir wollen, mag es Herr Fricke ſein, mag es Herr Hennecke ſein, kurz und gut, daß die Fuhrherren alle insgeſamt verſuchen werden, ſoviel wie möglich für ihre Sache aus den zu vergebenden Arbeiten herauszuſchlagen. Es iſt nicht an dem, wenn man behauptet, ſie hätten in erſter Linie und lediglich nur die Inter⸗ eſſen der Stadt im Auge. Das trifft nicht zu. Und, meine Herren, wenn wir uns das An⸗ gebot des Herrn Hennecke genau anſehen, ſo ſteht es für uns nun einmal feſt, daß dieſes Angebot nach unſerer Überzeugung dermaßen gering iſt, daß er damit nicht auskommen kann. Das End⸗ reſultat wird ſein, daß wir bei Herrn Hennecke genau ſo unglückliche Erfahrungen machen müſſen, wie wir ſie mit der Müllverwertungsgeſellſchaft gemacht haben. Herr Hennecke muß doch, wenn er ſeinen Betrieb aufrecht erhalten will, alles mögliche tun. Er muß in ſeinen Privatſäckel hineingreifen, und das Endreſultat iſt: er kommt mit Forderungen an uns, und dann heißt es wieder, ja wir müſſen ein beſtimmtes Solidaritätsgefühl Herrn Hennecke gegenüber bekunden, und dann greifen wir wieder in unſern Säckel und halten Herrn Hennecke über Waſſer. Das kann und darf nicht ſo weiter gehen; hier muß klipp und klar geſagt werden: wir ſehen, mit der Müllverwertungsgeſellſchaft geht's nicht 147 vorwärts, und kommt nun der zweite Betrieb hinzu, Herrn Henneckes, und geht's mit dem auch nicht vorwärts, dann ſitzen wir zum Schluß in einem Dilemma, das wir vor unſern Bürgern nicht verantworten können. Ich habe im Ausſchuß ſchon darauf hingewieſen, daß Herr Hennecke nicht in der Lage iſt, die in Char⸗ lottenburg ortsüblichen Löhne bei ſeinem Angebot zahlen zu können. Wenn wir vergleichen, was Herr Fricke bzw. die Charlottenburger Fuhrherren zahlen, und welches Angebot ſie uns gemacht haben, ſo müſſen wir anerkennen, daß beiſpiels⸗ weiſe das Angebot des Herrn Gehl, wenn es auch nicht allzu hoch gegriffen iſt, uns doch die Gewähr bietet, daß er ſeinen Angeſtellten wenigſtens den Lohn zahlt, der bis dato von ihm verlangt iſt. Wir haben alle Urſache, zu verlangen, daß nicht allein ein einzelner Mitbürger zu ſeinem Rechte kommt, ſondern auch darauf zu ſehen, daß die Arbeiter auch zu ihrem Rechte kommen. Wenn wir es erleben müſſen, daß Löhne gezahlt werden von 18 bis 21 ℳ, ja wenn es hoch kommt, 24 und 25 ℳ, dann werden Sie zugeben, daß wir es bei den heu⸗ tigen Verhältniſſen nicht verantworten können, einem Unternehmer, der derartige Löhne zahlt, den Zuſchlag zu erteilen. Ich möchte Sie alſo bitten: lehnen Sie den Magiſtratsvorſchlag rundweg ab! Erteilen wir einem Unternehmer den Zu⸗ ſchlag, der auch dafür ſorgt, das ſeine Arbeiter einen auskömmlichen Lohn erhalten! Nun will ich hier aber eins konſtatieren, nachdem ich Herrn Henneckes Betrieb geſehen habe: daß die Stallungen ſich in einem guten Zuſtande befunden haben, das iſt Tatſache. Aber hier kommt doch ein ſehr weſentlicher Punkt in Betracht: bis jetzt, bis zum 31. März, hat Herr Hennecke zirka 16 Wagen zu gehen; ab 1. April übernimmt er ja für Berlin größere Fuhrunternehmungen. Nun, meine Herren, dürfen Sie aber eins nicht vergeſſen: Herr Hennecke iſt Pferdehändler, und ein Pferde⸗ händler hat darauf Gewicht zu legen, daß ſeine Stallungen äußerſt glatt ausſehen — daran gibt's nichts zu wollen —; aber in dem Moment, wo der Pferdehändler Fuhrherr wird, ändert ſich das Bild — ich möchte Sie bitten, das ja zu beachten — ganz gewaltig, und da werden wir es nachher genau ſo erleben wie bei Herrn Fricke, daß wir feſtſtellen müſſen: junge Burſchen ſitzen auf den Wagen, geringer Lohn wird gezahlt, erfahrene Arbeiter und Kutſcher kann er nicht bekommen und wir müſſen dann genau dieſelben Verhältniſſe feſt⸗ ſtellen, wie ſie jetzt ſind. Ich möchte Ihnen alſo empfehlen: lehnen Sie die Vorlage des Magiſtrats ab! Das Stimmen⸗ verhältnis im Ausſchuß war ja auch gar nicht allzu glänzend: mit § gegen 7 Stimmen wurde die Magiſtratsvorlage angenommen. (Widerſpruch.) — Ja, das ſtimmt: mit § gegen 7 Stimmen; 8§ Perſonen waren für, Herr Kollege Stein gab ja ſelber den Ausſchlag als Vorſitzender, und dadurch iſt die Vorlage angenommen. (Erneuter Widerſpruch.) — Nun, meine Herren, ich bewundere nur, wie Herr Kollege Stein heute ſo warm für die Vorlage des Magiſtrats eintritt. Es iſt noch gar nicht allzu lange her, da ließ Herr Kollege Stein eine ganz gewaltige Rede gegen die ſchlechten Zuſtände bei dem Fuhrweſen hier vom Stapel, er führte alle die Verhältniſſe hier ſo recht draſtiſch vor, und,