Sitzung vom 31. März 1909 149 Hennecke gemeldet, und den Leuten iſt da ein Lohn Arbeitern zu zahlen haben, in den Vertrag hinein⸗ angeboten worden, ſage und ſchreibe, von ℳʒ bei Tagestouren und von 3,50 ℳ bei Nachtarbeit! Nun frage ich Sie, ob das Löhne ſind, mit denen man heute auskommen kann? Das iſt ein Ding der Unmöglichkeit. Ich möchte beinahe ſagen: es wäre nicht mehr menſchlich, Leuten einen derartigen Lohn anzubieten. Das iſt nun einmal eine feſtſtehende Tatſache, darum kommen wir nicht herum. Ich habe Herrn Hennecke ſchon mehrfach gefragt: wie ſind denn die Löhne? Einen Aufſchluß habe ich über die Löhne der Kutſcher nicht bekommen. Und wollen wir denn, daß nachher in Charlottenburg wieder das Pferdewettrennen veranſtaltet wird wie früher, daß nachher auf dem Kutſcherbock ſich Perſonen befinden, die nicht in der Lage ſind, eine Leine zu halten? Das können wir nicht verant⸗ worten im Intereſſe des allgemeinen Verkehrs, nicht verantworten im Intereſſe des die Straßen be⸗ nutzenden Publikums. Aus dieſen Geſichtspunkten heraus möchte ich Sie dringend erſuchen: verweiſen Sie die ganze Angelegenheit noch einmal in den Ausſchuß! Mögen wir dann noch einmal gründlich nachprüfen und uns noch einmal gründlich beſinnen, ob wir nicht auch Charlottenburger Unternehmern den Zuſchlag erteilen können! Am beſten wäre es ja, das ganze Submiſſionsweſen über Bord zu werfen und die eigene Regie einzuführen. Stadtv. Bergmann: Herr Kollege Gebert äußerte ſich, daß, wenn Herr Hennecke auch heute gute Löhne bezahlt, er uns noch keine Gewähr bietet für ſpäter. Wenn wir damit rechnen wollen, können wir überhaupt mit niemandem abſchließen. Herr Kollege Gebert iſt vollkommen falſch unter⸗ richtet, wenn er ſagt: gerade die Kutſcher haben ſo ſchlechte Löhne. Ich beſitze ja gerade das Zeugni⸗ von drei Kutſchern, die einen Lohn von 30 bis 35 haben. Warum ſollen denn die Kutſcher, die in Charlottenburg angeſtellt werden, nur die Hälfte von dem Lohn erhalten, den die jetzigen Kutſcher erhalten? Ich weiß nicht, woher Herr Kollege Gebert ſeine Kenntnis ſchöpft; ich dagegen beſitze die ſchriftliche Beſtätigung der Kutſcher, und das müßte doch genügen. Im übrigen möchte ich noch auf eine Außerung des Herrn Kollegen Gebert zurückkommen. Er ſagt: weil der Mann Pferdehändler iſt, wird er ſchlechtes Material ſtellen. (Widerſpruch des Stadtv. Gebert.) — Im Gegenteil, ich nehme an: weil der Mann Pferdehändler iſt, wird er den Einkauf des Materials um ſo beſſer verſtehen. Im übrigen unterſteht er ja der Beaufſichtigung des Magiſtrats, und es wird ſomit nicht möglich ſein, daß wir minder⸗ wertiges Material erhalten. Außerdem beſitzt Herr Hennecke ein ſehr gutes Zeugnis der Stadt Berlin, er erhält ſogar in dieſem Jahre einen weit größeren Anteil der Fuhrleiſtungen von Berlin zu⸗ gewieſen als im vorigen Jahre. Aus allen dieſen Gründen bitte ich, den Antrag des Ausſchuſſes an⸗ zunehmen. 111 Oberbürgermeiſter Schuſtehrns: Meine Her⸗ ren, bei Abſchluß von Verträgen mit Unterneh⸗ mern haben wir noch niemals Beſtimmungen über die Höhe der Lohnſätze, die die Unternehmer ihren geſetzt. (Rufe bei den Sozialdemokraten: Leider!) Das iſt ein Verlangen, das nicht durchzuführen iſt. Wir haben in den Vertrag Beſtimmungen einge⸗ ſtellt, wonach der Unternehmer verpflichtet iſt, uns tüchtige Kutſcher zu ſtellen — ich werde die Be⸗ ſtimmungen nachher verleſen — und ihnen orts⸗ übliche Löhne zu zahlen. Was für Löhne der Unternehmer eines ſolchen Betriebes zahlt, richtet ſich nach dem Arbeitsmarkt; er wird die Löhne zahlen, iſt durch die tatſächlichen Verhältniſſe ge⸗ zwungen, die Löhne zu zahlen, die ein anderer Unternehmer eines derartigen Betriebes am Orte ebenfalls zahlt. Wir können uns bei der Abfaſſung ſolcher Verträge nicht anders helfen, als daß wir Beſtimmungen hineinſetzen — und es genügt auch, daß wir das tun —, wie wir ſie ſchon im § 19 des Vertrages eingeſetzt haben. Da heißt es bezüglich der Kutſcher: Zur Bedienung der Wagen und Maſchinen ſind nur mindeſtens 18 Jahre alte ordent⸗ liche, nüchterne, rüſtige und zum Fahren ge⸗ wandte Kutſcher zu ſtellen, welche mit den Beſtimmungen der Straßenordnung bekannt ſein müſſen. Das Perſonal des Unternehmers hat den Anordnungen der Beamten und An⸗ geſtellten der Straßenreinigung Folge zu leiſten. Dem Publikum hat das Perſonal des Unternehmers ſtets in anſtändiger und beſcheidener Weiſe zu begegnen und jede Veranlaſſung zu Beſchwerden zu vermeiden. Das Rauchen im Dienſt iſt verboten. Wäh⸗ rend der Arbeitszeit dürfen die Kutſcher weder Bier⸗ noch Schnapslokale aufſuchen, auch dürfen ſie die Fahrzeuge nicht ohne Aufſicht ſtehen laſſen. Der Unternehmer iſt verpflichtet, dem für den ſtädtiſchen Betrieb beſtimmten Per⸗ ſonal keine geringeren als die ortsüblichen Löhne zu zahlen. Von dieſer Beſtimmung werden nur die Kutſcher der Sprengwagen ausgenommen, weil zur Bedienung der letzteren beſonders ältere Leute verwendet werden können, die nicht mehr als in vollem Umfange für erwerbsfähig gelten können. Es iſt dem Unternehmer unterſagt, im ſtädtiſchen Betriebe ausländiſche Arbeiter zu beſchäftigen. Und nun der letzte Abſatz trifft gerade etwas, was Herr Stadtv. Gebert vorhin berührte: Kutſcher, die zu Betriebsſtörungen oder ſonſt zu Klagen Veranlaſſung geben, ſind ſofort durch einwandfreie zu erſetzen und dürfen auf Verlangen des Straßenreinigungsdirektors oder deſſen Stellvertreters im Betriebe der Straßenreinigung nicht mehr beſchäftigt wer⸗ den. Sie ſehen alſo, meine Herren, daß die Bedingungen ſehr ſorgfältig aufgeſtellt ſind, um zu vermeiden, daß derartige Vorkommniſſe, wie Herr Stadtv. Gebert ſie vorhin anführte, eintreten. Wenn die Kutſcher derartige ungehörige Sachen machen ſollten, ſo ſind wir berechtigt, zu verlangen, daß Herr Hennecke ſie ſofort entläßt. Herr Hennecke wird auch die Löhne zahlen müſſen, die er nach Lage des Arbeitsmarktes für ſolche ordentlichen Leute zahlen muß, die den Bedingungen ent⸗ ſprechen, die wir feſtgeſetzt haben. Das iſt das,