166 beiden Häuſern alle dieſe Vorlagen auf unüber⸗ ſehbare Zeit hinaus noch der Entſcheidung harren müſſen, dann wird unzweifelhaft unter den be⸗ teiligten Kreiſen in ganz Preußen eine derartige Unzufriedenheit und Mißſtimmung entſtehen, die die Staatsregierung im Staatsintereſſe unter allen Umſtänden nicht aufkommen laſſen darf. Wer die ganze Entwicklung der Angelegenheit verfolgt hat, der kann ſich nur über eins wundern: über die unendliche Geduld, die die beteiligten Beamten und Lehrer bisher mit dem Gange der Dinge gehabt haben. (Stadtv. Zietſch: Leider!) — „Leider!“ ruft Herr Kollege Zietſch. Das ſieht mir danach aus, als ob er das „Leider“ mehr aus Parteiintereſſe als aus dem Intereſſe der Beamten und Lehrer ruft. (Stadtv. Zietſch: Ich bitte ums Wort! — Heiterkeit.) Dieſe Geduld iſt aber nahezu zu Ende. Ich bekomme Briefe von meinen Kollegen in ländlichen Ver⸗ hältniſſen, die eine derartige Fülle von Elend auf⸗ rollen, daß man nur wünſchen könnte, derartige Briefe, die ja natürlich Privatangelegenheiten be⸗ rühren, würden einmal der weiteſten Offentlichkeit bekannt. Über dieſe Stimmung im ganzen Lande dürfte die Staatsregierung nicht unterrichtet ſein, iſt vor allen Dingen das Abgeordnetenhaus nicht unterrichtet, und darum liegt es im Intereſſe des Staates, die Beſoldungsvorlage, auch wenn ein Streitpunkt zwiſchen Herrenhaus und Abgeordneten⸗ haus beſteht, ſobald als möglich zu verabſchieden. Darum habe ich die Hoffnung, daß, auch wenn am 28. April keine glatte Einigung zwiſchen Ab⸗ geordnetenhaus und Herrenhaus erfolgt, doch dieſe Einigung in recht kurzer Zeit erfolgen wird. Nun iſt es mir außerordentlich wertvoll ge⸗ weſen, in den Ausführungen des Herrn Ober⸗ bürgermeiſters zu hören, daß die Vorſchläge des Magiſtrats fertig daliegen, und daß nur der Be⸗ ſchluß der Herrenhauskommiſſion (Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Der Verwaltung, der Dezernenten!) — es handelt ſich alſo noch um Vorſchläge der Dezernenten— der Herrenhauskommiſſion eine Störung hinein⸗ gebracht hat. Ich entnehme daraus für den vor⸗ liegenden Antrag folgendes: auch wenn die end⸗ gültige Verabſchiedung des Lehrerbeſoldungs⸗ geſetzes noch einige Wochen, vielleicht den Mai hindurch dauern ſollte, dürfte der Magiſtrat in der Lage ſein, alle Vorlagen einſchließlich der Lehrer⸗ beſoldung derartig vorzubereiten, daß uns ſofort nach der endgültigen Beſchlußfaſſung in den Parla⸗ menten die Magiſtratsvorlage zugehen kann. Wenn das noch im Laufe des Mai geſchieht, dann, meine Herren, dürfte auch die Stadtverordnetenver⸗ ſammlung in der Lage ſein — ſie wird natürlich tüchtig arbeiten müſſen —, im Monat Juni die Magiſtratsvorlage ihrerſeits durchzuberaten, und es werden die Gemeindebeſchlüſſe ſpäteſtens in der letzten Sitzung, die wir vor den Sommerferien haben, zuſtande kommen können. Für den Fall, daß das eintritt, wird im weſentlichen der Antrag, wie er uns hier vorliegt, befolgt werden können. Ich befinde mich im Einklang mit den Ausführungen meines Freundes Meyer, wenn ich für den äußerſten Notfall, den ich perſönlich aber nicht als gegeben an⸗ ſehe, wenn auch ſchweren Herzens darin willigen würde, daß man eine Trennung zwiſchen Beamten⸗ und Lehrerbeſoldung eintreten ließe. daß vorläufig nur der Beſchluß Sitzung vom 21. April 1909 ung Ich hoffe aber, daß es ſoweit nicht kommt. Sollte es ſoweit kommen, dann allerdings müßten die Schwierig⸗ keiten, die der Herr Oberbürgermeiſter durchaus zutreffend hervorgehoben hat, nach Möglichkeit vermieden werden, daß nämlich entweder die Be⸗ amten oder die Lehrer zu kurz fahren. Man wird dann von vornherein eine reinliche Scheidung vor⸗ nehmen müſſen, indem man unter Zugrundelegung eines beſtimmten Prozentſatzes für die Lehrerſchaft einen Teil der Million reſerviert. Ich denke, es wird möglich ſein, auch dann — dieſen äußerſten Notfall nur angenommen —, die berechtigten Inter⸗ eſſen aller Beteiligten zu wahren. (Bravo!) Stadtv. Zietſch: Es iſt das gute Recht des Herrn Kollegen Otto, meinen Zwiſchenruf in der von ihm hier ausgeſprochenen Weiſe zu deuten. Ich würde auch gar nicht gegen dieſe Auffaſſung ſprechen, wenn es ſich hier nur um einen Angriff des Herrn Kollegen Otto auf mich allein handelte. Aber es ſollte wohl durch die Bemerkung des Herrn Kollegen Otto meine Partei mit betroffen werden. Demgegenüber aber muß ich erklären, daß es uns vollkommen fern liegt, aus parteitaktiſchen Gründen die Intereſſen der Beamten zu wahren. (Zuruf: Na, na!) — Wenn wir das wollten, Herr Kollege Crüger, dann hätten wir es überhaupt ſchon aufgegeben, die Intereſſen der Beamten, namentlich der kleinen Beamten zu vertreten. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Denn die Beamten haben ja, wie namentlich die Verhandlungen auf der Beamtenverſammlung in Berlin am letzten Sonntag gezeigt haben, ausdrücklich erklärt: „Mit der Sozialdemokratie wollen wir nichts zu tun haben und werden wir nichts zu tun haben, wir deutſchen Beamten werden niemals wie die franzöſiſchen Poſtbeamten zu einem Streik oder einer derartigen Bewegung kommen, das iſt ganz ausgeſchloſſen; wir machen nur in von Allerhöchſter Stelle genehmigter Oppo⸗ ſition mit.“ Herr Kollege Dr Crüger weiß ja auch als Mitglied des Abgeordnetenhauſes, daß ſich die preußiſchen Forſtbeamten ſogar dagegen verwahrt haben, daß ihre Intereſſen bei der Ge⸗ haltserhöhungsvorlage von einem meiner Partei⸗ genoſſen im preußiſchen Avgeordnetenhauſe ver⸗ treten worden ſind. Dadurch werden wir uns ſelbſtverſtändlich niemals abſchrecken laſſen, da, wo wir es für nötig finden, unſer Prinzip zu ver⸗ teidigen. Und unſer Prinzip iſt, die Intereſſen der unteren und ſchlecht bezahlten Arbeiter und Beamten zu vertreten. Wenn die Beamten auf dem Standpunkte ſtehen, ſie haben mit einer fortſchreitenden Bewegung, wie es die Arbeiter⸗ bewegung iſt, nichts gemein und wollen damit nichts gemein haben, ſo iſt das ihre Sache, die ſie mit ſich abzumachen haben. Deswegen geben wir von unſeren Prinzipien noch nichts auf. Herr Kollege Otto darf mir glauben, daß mich bei dem Zwiſchenrufe „leider“ nicht parteitaktiſche Rück⸗ ſichten geleitet haben, ſondern daß ich aus dem Gefühl heraus das Wort dazwiſchengeworfen habe, weil ich es auf das lebhafteſte bedauere, daß ſich die preußiſchen Beamten, namentlich die preußiſche Lehrerſchaft, eine derart fortgeſetzt unwürdige Be⸗ handlung ſeitens der preußiſchen Staatsregierung