Sitzung vom 5, 6 Mitglieder, in den Wahlausſchuß gehen. — Wir waren noch in einem Sonderausſchuß. — Das wiederholt ſich, die Herren vom Magiſtrat, die den Sitzungen beiwohnen, werden das ganz genau wiſſen. Ich ſehe alſo keinen Grund ein, daß wir jetzt ſchon dieſe Sache ſo beſchleunigen und ein Orts⸗ ſtatut machen. Mindeſtens müßten uns von ſeiten des Magiſtrats noch andere ſtichhaltigere Gründe vorgeführt werden, um zu dieſer Sache Stellung nehmen zu können. Stadtv. Dr. Flatan: Meine Herren, ich hätte auch gewünſcht, daß, entſprechend der außerordent⸗ lich weittragenden Bedeutung dieſer Vorlage, die Begründung etwas reichlicher ausgefallen wäre. Unternimmt doch dieſe Vorlage den Verſuch, die äußere Geſtalt der Bürgerſchaftsvertretung bis in eine ferne Zukunft, eigentlich für alle kommenden Zeiten der kommunalen Entwicklung Charlotten⸗ burgs feſtzulegen, nachdem zunächſt für die Über⸗ gangszeit, bis die Einwohnerzahl auf 400 000 ge⸗ ſtiegen iſt, in Abweichung von der geſetzlichen Grundregel das Prinzip der revidierten Städte⸗ ordnung beiſeite geſtellt wird, wonach entſprechend einer wachſenden Einwohnerſchaft auch die Zahl der Stadtverordneten ſukzeſſiv anwachſen ſoll. Es wird deshalb zunächſt die Frage zu prüfen ſein, die auch der Herr Vorredner berührt hat, ob man es grundſätzlich für angebracht hält, durch ein Orts⸗ ſtatut in Abweichung von der Regel der Städte⸗ ordnung eine grundſätzliche Feſtlegung der kommu⸗ nalen Rechte der Einwohnerſchaft für die Zukunft eintreten zu laſſen, und ob wir als die augenblick⸗ lichen Mandatsträger uns für berufen halten, in dieſer Weiſe die kommunale Zukunft bereits end⸗ gültig zu beſtimmen. Das iſt eine Frage, die ſowohl von theoretiſchen Geſichtspunkten aus, wie nach praktiſchen Erwägungen eingehend geprüft werden muß. Dabei möchte ich ein Moment vorweg berühren. Haben wir uns einmal durch Annahme der Magi⸗ ſtratsvorlage dahin entſchieden, daß eine orts⸗ ſtatutariſche Regelung ſtattfinden ſoll, ſo hängt jede Abänderung der Beſtimmungen nicht mehr allein von der Stadtverordnetenverſammlung ab, auch nicht allein vom Magiſtrat, ſondern auch von der verwaltungsbehördlichen Genehmigung. Wir ſind, wenn wir den Beſchluß gefaßt haben — heute oder nach vorheriger Prüfung durch einen Ausſchuß —, der Magiſtratsvorlage zuzuſtimmen, nicht mehr die Herren darüber, wie ſich in Zukunft der Umfang der kommunalpolitiſchen Rechte der Einwohnerſchaft geſtalten ſoll; wir haben dann eben aufgehört, die alleinigen Herren im Hauſe zu ſein. Das alles ſind ja nun Fragen, die glücklicherweiſe ohne Rückſicht auf den parteipolitiſchen Standpunkt ganz objektiv geprüft werden können. Denn ſoviel iſt klar: gleich⸗ viel, wie hoch ſich die Zahl der Mitglieder der Stadt⸗ verordnetenverſammlung ſtellt, die Verteilung der einzelnen Parteien innerhalb der Verſammlung wird davon im weſentlichen oder wohl überhaupt nicht berührt. Die ganze Prüfung wird, wie ich meine, dadurch weſentlich erleichtert werden. Ander⸗ ſeits möchte ich betonen, daß, ganz unabhängig von ſeinem Parteiſtandpunkt, je nachdem der eine mehr Neigung hat, theoretiſche Geſichtspunkte in den Vordergrund zu ſtellen oder mehr praktiſche Ge⸗ ſichtspunkte zu berückſichtigen, er zu entgegen⸗ geſetzten Ergebniſſen kommen kann. 21. April 1909 171 Meine eigene Meinung, die von verſchiedenen meiner Freunde geteilt wird, geht dahin, daß für abſehbare Zeiten, für die nächſten Jahre und viel⸗ leicht auch für die nächſten Jahrzehnte ſich ſchwerlich irgendwelche Übelſtände dadurch herausſtellen wer⸗ den, daß man die Regel, das Grundprinzip der revidierten Städteordnung beibehält. Für die Behandlung der Geſchäfte im Stadtverordneten⸗ kollegium wird es kaum einen Unterſchied machen, ob 6 oder 12 oder 18 Mitglieder mehr im Kolle⸗ gium ſitzen. Es würde alſo nach meiner Meinung ernſtlich zu prüfen ſein, ob eine Notwendigkeit beſteht, Sorgen, die augenblicklich nicht vorhanden ſind, die aber möglicherweiſe einmal auftreten können, den kommenden Generationen abzunehmen: ſozuſagen für dieſe politiſch vorzuarbeiten, wobei man vielleicht Gefahr läuft, der kommenden Gene⸗ ration unter Umſtänden einen ungeſchickten Bären⸗ dienſt zu leiſten. Wenn nun in der Begründung der Vorlage ge⸗ ſagt wird, es ſei unzweifelhaft, daß die Behandlung der Geſchäfte in einem größeren Kollegium weſent⸗ lich erſchwert werde, ſo kann ich, trotzdem das ſo als unzweifelhaft hingeſtellt wird, den Satz in dieſer Allgemeinheit nicht als richtig anertennen. Ich habe geſtern das Verzeichnis der Stadtverordneten von Berlin durchgeſehen und habe dabei gefunden, daß im Jahre 1853 bei Einführung der revidierten Städteordnung die Berliner Stadtverordneten⸗ verſammlung 102 Mitglieder zählte, alſo ſo viel wie heute Breslau. Im Jahre 1863 fand dann eine Vermehrung auf 108 Stadtverordnete ſtatt, im Jahre 1881 eine weitere Erhöhung um 18 Mit⸗ glieder, und ſchließlich — ich möchte einen kleinen Irrtum in der Begründung der Vorlage korri⸗ gieren: nicht ſchon ſeit 1897 — ſeit dem 1. Januar 1900 zählt die Berliner Stadtverordnetenver⸗ ſammlung 144 Mitglieder. Nun bitte ich Sie, meine Herren, zu erwägen, ob man ernſtlich be⸗ haupten kann: die Berliner Stadtverordneten⸗ verſammlung in den Jahren 1853 bis 1863, nament⸗ lich in der berühmten Zeit unter Hinckeldey, habe beſſer gearbeitet, als etwa dieſelbe Berliner Stadt⸗ verordnetenverſammlung mit 126 oder heute mit 144 Mitgliedern. Die Zuſtände, die gerade unter dieſer Stadtverordnetenverſammlung von 102 Mit⸗ gliedern geherrſcht haben, ſind ja dort ſchon durch die Geſchichtsſchreibung charakteriſiert worden. Daß grundſätzlich größere Kollegien ſchlechter arbeiten als kleinere — auch das möchte ich bezweifeln. Ich bitte, die Mitgliederanzahl des Deutſchen Reichstags mit 397, die des Preußiſchen Abgeordnetenhauſes von, ich glaube, jetzt 448 Mitgliedern zu vergleichen mit der des engliſchen House of Commons, das 652 Mitglieder zählt und bekanntlich in einer ge⸗ radezu muſterhaften Weiſe nicht nur ſeine eigent⸗ lichen geſetzgeberiſchen Aufgaben erfüllt, ſondern darüber hinaus eine Fülle von Verwaltungsarbeiten als Kollegium zu erledigen hat. Nur nebenbei möchte ich hier ein kleines Be⸗ denken ſtreifen, das ſich in der Begründung findet und das regelmäßig auftaucht — auch bei anderen politiſchen Körperſchaften —, wenn es ſich darum handelt, eine Vermehrung der Mandate in Er⸗ wägung zu ziehen, nämlich: daß örtliche Schwierig⸗ keiten in der Beſchaffung der nötigen weiteren Sitze entſtehen können. Meine Herren, in dem engliſchen Parlament wird gar nicht daran gedacht, für jedes Mitglied einen Sitz oder ein Pult zu beſchaffen: man iſt da offenbar der Anficht geweſen, es ſei