Sitzung vom 21. April 1909 Wir ſtehen ſchließlich auch auf dem Standpunkt, daß mal eine Höchſtgrenze der Stadtverordnetenzahl feſtgelegt werden kann. Daß das aber ſo abgehackt geſchehen ſoll, wie es hier in der Magiſtratsvorlage vorgeſehen iſt, das iſt uns äußerſt unſympathiſch und nach jeder Seite hin unannehmbar. Es wird darüber noch zu ſprechen ſein, welche Höchſt⸗ grenze der Vertreterzahl angenommen werden muß und wie hoch die Übergangszahlen und Zeiten von heute bis zu jener Höchſtgrenze zu bemeſſen ſind. Wenn wir dem Vorſchlage des Magiſtrats folgen und die Vorlage unbeſehen annehmen würden, dann würden wir ev. erſt im Jahre 1926 zu der Zahl von 90 Stadtverordneten kommen. Wir haben die letzte Erhöhung der Stadtverordnetenziffer im Jahre 1901 gehabt. Es würden alſo netto 25 Jahre vergehen, ohne daß dem Anwachſen der Einwohnerzahl in der Vertretung der Gemeinde nach irgendeiner Seite Rechnung getragen werden kann. Daß das kein glücklicher Zuſtand iſt, darin werden Sie mit mir übereinſtimmen. Meine Freunde ſind gleichfalls für Ausſchuß⸗ beratung und auch für die Einſetzung eines Aus⸗ ſchuſſes von 15 Mitgliedern. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, ich habe meine Anſicht nicht geändert ſeit der Zeit, wo wir mit der großen Mehrheit der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung den Beſchluß gefaßt haben: der Magiſtrat wird erſucht, die Aufſtellung eines Ortsſtatuts betr. die Zahl der Stadtverordneten in Erwägung zu ziehen. Ich meine, wenn etwas geeignet war, an dieſem Beſchluſſe feſtzuhalten, dann war es die Rede des Herrn Kollegen Zietſch. Wir haben auch heute wieder geſehen, daß die Streitfrage, ob die angefangenen oder abge⸗ ſchloſſenen 50 000 zu einer Vermehrung der Stadt⸗ verordneten führen ſollen — trotzdem ſie nicht aufgerollt werden ſollte —, aufgerollt worden iſt, und daß Herr Kollege Zietſch ſeine Auffaſſung ein⸗ gehend begründet hat. Um dieſe Unklarheit, dieſe Zwieſpältigkeit der Anſichten, die doch nun einmal beſteht, aus der Welt zu ſchaffen, hat ſich damals die Majorität auf den Standpunkt geſtellt: der Magiſtrat ſoll erwägen, ob nicht durch Orts⸗ ſtatut die Frage zu regeln iſt. Dieſen Standpuntt können wir, glaube ich, auch heute noch feſthalten, und ich hoffe, daß die Majorität im Ausſchuſſe zu dieſer Anſicht gelangen wird. Wenn ich dieſe Auffaſſung habe, ſo kann ich doch der Magiſtratsvorlage — das möchte ich hier im Plenum ſagen — nicht ohne weiteres zuſtimmen. Sie würde ganz ſonderbare Folgen haben. Ich will nur den Hauptpunkt — es ſind verſchiedene Punkte, über die man ſprechen kann und über die wir auch im Ausſchuſſe wohl ſprechen werden — hier berühren. Wenn im Jahre 1915 die Voltszählung wird bekanntlich nur alle 5 Jahre vorgenommen — ſich eine Einwohnerzahl von etwa 398 000 oder 399 000 ergeben hat, ſo würde das zur Folge haben, daß in den nächſten 5 Jahren von einer Erhöhung von 72 auf 90 Stadtverordnete noch nicht die Rede ſein kann, ſondern die Frage würde nach dem Tenor des Paragraphen 1 erſt im Jahre 1920 atut werden. Da finden aber keine Wahlen ſtatt, wenn nicht irgendwie inzwiſchen ein unvorhergeſehenes Ereignis eingetreten iſt, ſondern das geſchieht erſt Ende des Jahres 1921; alſo 6 Jahre ſpäter, nachdem tatſächlich die Einwohnerzahl von 175 400 000 ungefähr erreicht iſt, würde die Beſtimmung in Wirkſamteit treten, wenn man nicht den §! anders faſſen und ſagen würde: auf Grund der nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung fortge⸗ ſchriebenen Bevölterungszahl, wie ſie von unſerm Statiſtiſchen Amte am 1. Januar feſtgeſtellt wird, tann die Vermehrung erfolgen. Ich würde auch vorſchlagen, das zu tun, um eine Klärung der ganzen Situation herbeizuführen. Nun glaube ich mich in Übereinſtimmung mit den vorhergehenden Rednern und mit allen meinen Freunden zu befinden, wenn ich ſage, daß der letzte Satz — die Zahl bleibt damit endgültig begrenzt unter keinen Umſtänden beſtehen bleiben darf. Wir brauchen nicht für alle Zukunft zu ſorgen. Dieſer Satz wird jedenfalls fortfallen müſſen. Wenn wir eine Anderung der Vorlage vor⸗ nehmen, die Untlarheiten, die noch nach manchen Richtungen beſtehen, durch nähere Erörterungen im Ausſchuſſe beſeitigen und zu einer klaren Feſt⸗ ſtellung kommen, ſo wird man doch vielleicht gut tun, dem Grundſatze der Vorlage zuzuſtimmen, um nicht die Debatte, die wir jedesmal ſonſt über die Auslegung der Städteordnung hier gehabt haben, ſich wiederholen zu laſſen. Stadtv. Dr. Frentzelt: Meine Herren, auch diejenigen meiner Freunde, die der Magiſtrats⸗ vorlage und dem Erlaß eines Ortsſtatuts erheblich ſympathiſcher gegenüberſtehen, als es aus den Aus⸗ führungen meines Freundes Flatau hervorgeht, ſtimmen der Ausſchußberatung zu. Sie ſtellen ſich im weſentlichen auf den Standpuntt, den wir bei der Beratung der Frage im Januar vorigen Jahres vertreten haben und der dahin ging, daß es ſich lediglich um eine praktiſche Frage handelt und daß tatſächlich zu irgendeiner Zeit eine Beſchränkung der Stadtverordnetenzahl eintreten muß. Das hat auch Herr Kollege Zietſch, der ſonſt den Antrag am meiſten bekämpfte, zugegeben. Es wird ſich nur darum drehen: iſt der gegenwärtige Augenblick der richtige, oder ſollen wir noch warten, und wie ſollen wir das Ortsſtatut geſtalten? — wobei ich neben⸗ bei bemerten will, daß die Ausgeſtaltung, die der Magiſtrat vorſchlägt, auch uns nicht gefällt und daß wir den plötzlichen Sprung vermeiden und min⸗ deſtens Zwiſchenſtufen einführen möchten. Im übrigen iſt die Frage, ob eine größere oder kleinere Verſammlung beſſer arbeitet, eine reine Doktor⸗ frage, eine Frage rein theoretiſcher Natur, die von den Männern abhängt, die dieſe größere oder kleinere Verſammlung konſtitutieren. Herr Kollege Stein hat ganz mit Recht einige vraktiſche Er⸗ wägungen hier aus unſerm täglichen. Stadtver⸗ ordnetenleben vorgebracht. Die Beobachtungen ſind richtig; aber er irrt ſich darin, daß er glaubt, die Erſcheinungen werden ſich nicht zeigen, wenn wir nun um 6 Mitglieder vermehrt ſein werden. Es wird in jeder Verſammlung, mag ſie noch ſo groß oder klein ſein, immer dahin kommen, daß eine Reihe von Leuten, die durch ihre Begabung, durch die Zeit, die ſie den Dingen widmen können, durch die Möglichkeit, ſich in die einzelnen Vorlagen zu vertiefen, immer mehr als andere herangezogen werden zur Erledigung der laufenden Geſchäfte. Sie ſehen das in unſerm Reichstag, im Abgeord⸗ netenhaus, in ſämtlichen Parlamenten der Welt: es handelt ſich immer um eine verhältnismäßig geringe Zahl von denen, die eigentlich berufen ſind, über die wichtigſten Dinge mitzureden. Dieſe