200 Sitzung vom vernehmungsfähig ſind. Wir können Ihnen alſo etwas Poſitives heute noch nicht mitteilen. Jeden⸗ falls kann man aber annehmen, daß ſich der Vor⸗ gang etwa folgendermaßen abgeſpielt haben wird. Es befindet ſich auf der Gasanſtalt 1 ein Keſſelhaus und in einer Entfernung von etwa 10 m davon ein Maſchinenhaus, in welchem die Maſchinen aufgeſtellt ſind, die das Gas aus dem Kühlraum herausſaugen und von dort aus in die Reiniger hineindrücken. Es iſt wahrſcheinlich an einer dieſer Maſchinen etwas undicht geworden, und es hat eine Gasausſtrömung ſtattgefunden, welche auf eine in den Rohren vorgekommene Verſtopfung zurückzuführen iſt. Das iſt auch recht⸗ zeitig bemerkt worden, und man hat den Betriebs⸗ leiter Forckert herbeigerufen, um nachzuſehen, worin die Urſache zu finden iſt. Während man damit beſchäftigt war, einen Sicherheitstopf mit Waſſer zu füllen, erfolgte plötzlich eine Exploſion, und zwar anſcheinend gleichzeitig in dem Exhauſtoren⸗ raum und in dem Keſſelhauſe. In dem Keſſel⸗ hauſe waren der Betriebsleiter Forckert und der Maſchiniſt Kolberg, während die beiden anderen im Exhauſtorenraum beſchäftigt waren. Der Zu⸗ ſammenhang der Exploſion wird wohl darauf zu⸗ rückzuführen ſein, daß eine Leitung zwiſchen dieſen beiden Räumen, dem Exhauſtoren⸗ und dem Maſchinenraum, beſtand, eine unterirdiſche Leitung, von deren Exiſtenz der jetzigen Direktion nichts bekannt war. Die Leitung muß jahrelang dort gelegen haben. Sie war wahrſcheinlich früher zu anderen Zwecken benutzt, iſt dann außer Betrieb geſetzt worden, und man hat ſie, wie das ja oft der Fall iſt, unbenutzt liegen laſſen. Wahrſcheinlich iſt nun das Gas aus dem Exhauſtorenraum durch dieſen toten Strang in das Keſſelhaus gedrungen, hat ſich dort an den Keſſeln oder an glühenden Kohlen entzündet und eine Erploſion hervorge⸗ bracht. Die Flammen ſind dann durch dieſes Rohr wieder in den Exhauſtorenraum zurückge⸗ drungen und haben dort eine Exploſion von aller⸗ dings ſchauderhafter Wirkung hervorgerufen. Das Dach wurde vollſtändig abgedeckt und die beiden Arbeiter unter den Trümmern begraben; ſie wurden durch die Feuerwehr, glücklicherweiſe nur leicht ver⸗ letzt, wieder hervorgebracht. Merkwürdigerweiſe wurden die beiden, welche im Keſſelhauſe, alſo an der Stelle, wo die Exploſion geringere Ver⸗ heerungen angeſtiftet hat, ſich aufhielten, Forckert und Kolberg, erheblich ſchwerer verletzt. Der Betrieb der Gasanſtalt I mußte ſofort eingeſtellt werden. Eine Unterbrechung in der Gasverſorgung tritt natürlich nicht ein, da die Gasanſtalt II ſofort in vollem Umfange den Betrieb aufgenommen hat und die Stadt weiter mit Gas verſorgt. Uber den Materialſchaden läßt ſich zur⸗ zeit auch noch nichts Beſtimmtes ſagen. Sehr groß iſt er nicht. Schätzungsweiſe könnte man 30 000 1 annehmen. Er iſt durch Verſicherung gedeckt. Ich möchte bei dieſer Gelegenheit auch noch beſonders hervorheben, daß ſich die Unfallſtation außerordentlich gut bewährt hat. Nicht nur von der zunächſtliegenden Unfallſtation, ſondern von ſämtlichen Charlottenburger Unfallſtationen und auch von der benachbarten Berliner Station des Zoologiſchen Gartens kamen Arzte, und, zwar ſo ſchnell herbei, daß ſie faſt gleichzeitig mit der Feuer⸗ wehr eintrafen. 19. Mai 1909 Das, meine Herren, iſt dasjenige, was ich im Namen des Magiſtrats über den augenblicklichen Stand des traurigen Vorfalls ſagen kann. Vorſteher Kaufmann: Meine Herren, ich danke dem Herrn Magiſtratsvertreter, daß er uns ſofort diejenige Mitteilung gemacht hat, die er unter dem erſten Eindruck dieſes Unglücks an uns gelangen zu laſſen imſtande iſt. Er hat dadurch jedenfalls eine gewiſſe Beruhigung in die Bürger⸗ ſchaft hineingetragen. Ich bin überzeugt, im Sinne der Verſammlung zu handeln, wenn ich unſer tiefſtes Mitgefühl den von dem Unglück Betroffenen ausſpreche und die Überzeugung daran knüpfe, daß für dieſe Verunglückten in reichſtem Maße geſorgt werden wird. (Sehr gut!) Durch die uns gewordene Auskunft des Herrn Magiſtratsvertreters ſind zwei Anfragen, die dieſe Angelegenheit betreffen, eine von Herrn Kollegen Dr Frentzel, die andere von Herrn Kollegen Zietſch, erledigt. Von Herrn Kollegen Dr Stadthagen bin ich gebeten worden, vor der Tagesordnung von folgendem Mitteilung zu machen: Mit Rückſicht darauf, daß die Wertzuwachs⸗ ſteuerordnung eine eingehende Durcharbei⸗ tung bedingt, ferner mit Rückſicht darauf, daß wir uns überzeugt haben, daß die für dieſe Beratungen eingeſetzte gemiſchte De⸗ putation zurzeit ihre Arbeiten energiſch zu fördern beſtrebt iſt, bitten wir, die Erörterung unſerer Anfrage zu Punkt 13 der Tagesord⸗ nung vorläufig auszuſetzen. Ich werde infolgedeſſen den Gegenſtand erſt dann wieder auf die Tagesordnung ſetzen, wenn ich von den anfragenden Herren aufs neue dazu veranlaßt werden ſollte. Ehe wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich noch folgende mit einer genügenden Zahl von Unterſchriften verſehene Anfrage des Herrn Kollegen Dr Borchardt zur Kenntnis zu bringen: Wiederholt ſind in letzter Zeit in Char⸗ lottenburg Leichen länger als eine Woche lang unbeerdigt geblieben. Die Unterzeichneten richten an den Ma⸗ giſtrat die Anfrage, ob er dieſen Vorfällen, welche von neuem den Mangel eines Ge⸗ meindefriedhofes in der Bevölkerung lebhaft zur Empfindung gebracht haben, ſeine Auf⸗ merkſamkeit zugewendet hat, und welche Schritte er unternommen hat oder zu unter⸗ nehmen gedenkt, um ſchleunigſt die An⸗ legung eines Gemeindefriedhofs in nicht zu großer Entfernung von der Stadt zu erreichen. Ich werde die Anfrage dem Magiſtrat herüber⸗ geben.! Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Ich bitte, die Sache wie gewöhnlich zu behandeln. Vorſteher Kaufmann: Dann ſind noch fol⸗ gende Anträge eingegangen: 1. Antrag der Herren Kollegen Stein und Genoſſen: Stadtverordnetenverſammlung wolle be⸗ ſchließen, den Magiſtrat zu erſuchen, bei einer etwaigen Anlage neuer Untergrundbahnen in der Kleiſt⸗ und Tauentzienſtraße dafür zu