Sitzung vom 26. Mai 1909 1 Arbeiter nicht bloß auf die Zeit von 7 und 10, ſondern bis auf die Zeit von 11 Jahren feſtgelegt worden ſind. Meine Herren, wenn man betont, man möchte ſich oder den Arbeitern die Vorteile der Beweglichkeit der Löhne erhalten, dann können doch ſolche Deputationsbeſchlüſſe für den Magiſtrat recht wenig Wirkung haben, wenn er nicht der Mei⸗ nung iſt, ſie gelegentlich wieder durchbrechen zu können, falls ein ſtärkeres Angebot von Arbeitern vorhanden iſt. Will man aber die nicht ſtändigen Arbeiter in bezug auf die Stabilität der Löhne und Lohnerhöhungen mit den ſtändigen Arbeitern und den Privatdienſtverpflichteten nicht wenigſtens im Prinzip gleichſtellen, dann ſoll man die Arbeiter auch voll und ganz nur als Arbeiter betrachten, ſoll ſie nicht unter Anerkennung ihres Charakters als ſtändige Arbeiter auf 7, 8, 10, 11 Jahre feſt⸗ legen, ſondern ſoll ihren Wünſchen Rechnung tragen, die darauf hinausgehen, daß fünfjährige Lohn⸗ perioden mit den Arbeitern vereinbart werden. Dagegen wird vielleicht der alte Einwand vom Magiſtrat erhoben werden: derartige Vereinba⸗ rungen können wir mit den Arbeitern nicht treffen, ſolche — wie ſoll ich ſagen: Lohntarifabſchlüſſe können nicht gemacht werden, weil auf ſeiten der Arbeiterſchaft keine Garantien für ihre Durchführung gegeben erſcheinen. Ich verzichte darauf, dieſe Anna hme des Magiſtrats heute des eingehenderen widerlegen zu wollen; wir werden ja Gelegenheit haben, im Ausſchuß, event. in der nächſten Plenar⸗ ſitzung, die ſich mit dem Berichte des Ausſchuſſes zu beſchäftigen haben wird, noch einmal darauf zurückzukommen. Jedenfalls fordern wir unter jeder Bedingung — das iſt eine prinzipielle Forde⸗ rung, die wir gegenüber den Beſtimmungen der Vorlage zu erheben haben —, daß auch für die nichtſtändigen Arbeiter die Tages⸗ und Stunden⸗ löhne aufgehoben werden und an deren Stelle Wochenlöhne treten, und zwar dergeſtalt, daß auch die Feiertage den Arbeitern bezahlt werden, damit wenigſtens die nichtſtändigen Arbeiter, wenn man ſie ſchon nicht als ſtändige Arbeiter betrachten will, inſofern mit den ſtändigen Arbeitern gleich⸗ geſtellt werden, daß man ſie nicht für Arbeits⸗ verluſte und ausfälle büßen läßt, die nicht in ihrem Verſchulden liegen. Wir fordern ferner, daß eine entſprechende Erhöhung namentlich der Be⸗ zahlung der Sonntagsarbeit in kontinuierlichen Betrieben über die bisherigen Sätze hinaus Platz greift. Einzelheiten in bezug auf dieſe Forderungen werden wir ſelbſtverſtändlich noch im Ausſchuß vorbringen. Ich komme nun zu den Familienzulagen. Ich habe vorhin geſagt: an und für ſich iſt der Gedanke von Familienzulagen ohne weiteres zu begrüßen. Aber die Beſtimmungen, auf Grund deren hier die Familienzulagen geplant ſind, nötigen uns doch zu einer etwas weitgehenden Kritik. Es iſt auch hier anzuerkennen — das wollen wir nicht verhehlen —, daß ſich der Magiſtrat befleißigt hat, eine gewiſſe Gleichheit in die Bewilligung der Familienzulagen hineinzulegen, daß bedingungsweiſe auch die ſtän⸗ digen Arbeiter — bedauerlicherweiſe fallen ja auch hier die nichtſtändigen Arbeiter, die dauernd in ſtädtiſchen Betrieben beſchäftigt ſind, fort — mit der Beamtenſchaft gleichgeſtellt ſind, ſo in der Maximalgrenze der zuerreichenden Familienzulagen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) — In bezug auf die Arbeiterinnen, ſofern über⸗ haupt Beamtinnen oder ſtändige Arbeiterinnen in 229 Frage kommen können, wird ſich ſelbſtverſtändlich — ich komme da auf eine Ausſchußverhandlung zurück, die wir gehabt haben — ein prinzipieller Widerſtand beim Magiſtrat wahrſcheinlich, ſofern die Möglichkeit dazu überhaupt gegeben iſt, nicht geltend machen; denn der Herr Mogiſtratsvertreter hat damals in dem Ausſchuß — ich weiß nicht, wann derſelbe getagt hat, es war aber auch im Verlaufe der Vorberatung dieſer Angelegenheit —, wenn ich mich recht erinnere, erklärt, daß er gegen die Ge⸗ währung ſolcher Familienzulagen an weibliche Perſonen, wenn die Möglichteit dazu gegeben iſt, nichts einzuwenden habe. Das erkennen wir aber vollkommen an, daß an die Schaffung einer be⸗ dingungsloſen Beſtimmung, wonach ſtändige Ar⸗ beiterinnen, wenn ſie überhaupt vorhanden ſind, oder ſtändige Beamtinnen dieſe Familienzulage be⸗ kommen, unter den heute beſtehenden wirtſchaft⸗ lichen Verhältniſſen und auch bei den geltenden An⸗ ſchauungen über die Alimentationsverpflichtung des Haushaltsvorſtandes uſw. nicht ohne weiteres zu denken iſt. Wir ſind in erſter Linie gegen den erſten Abſatz der Grundſätze für die Gewährung von Familien⸗ zulagen, in dem es heißt, daß dieſe Zulagen nur auf Antrag der Intereſſenten gewährt werden ſollen. Wir wünſchen, daß nicht erſt das Antragſtellen der Intereſſenten abgewartet werden ſoll, ſondern daß die Familienzulagen eo ipso in Wirkſamkeit treten, (Zuruf des Stadtv. Holz.) — auf den Rechtsanſpruch komme ich noch —, wo Kinder vorhanden ſind, und nicht nur da, wo Kinder in der angenommenen Zahl oder darüber vorhanden ſind. Wir betrachten vielmehr die Familienzulage wie überhaupt die Gehaltszahlung als eine Alimen⸗ tierung der Beamten und Arbeiter, nicht als eine Honorierung. Wenn man die Gehalts⸗ oder Lohn⸗ zahlung als Alimentierung betrachtet, dann iſt es ſelbſtverſtändlich auch notwendig, daß die höhere Alimentierung nicht erſt bei vier und mehr Kindern erfolgt, ſondern daß ſie ſich ſchon dann geltend macht, wenn ein Kind vorhanden iſt. Wir werden ſpäter im Ausſchuß den Antrag ſtellen, daß die Familien⸗ zulagen — meinetwegen beſchränkt auf die hier vorgeſehene Höhe — von einem Kinde bis hinauf zu mehreren Kindern geſtaffelt werden. Wir ſind auch gegen die in der Magiſtrats⸗ vorlage ausdrücklich ausgeſprochene Anſicht, daß den Intereſſenten ein Rechtsanſpruch auf die Familienzulage nicht zuſtehe. Der Magiſtrat hat ja Gelegenheit genommen, in der Begründungs⸗ ſchrift zu unterſtreichen, daß dieſe wenn auch keinen Rechtsanſpruch in ſich ſchließenden Zulage durchaus keine Wohltätigkeitseinrichtung ſein ſoll; es ſoll kein Almoſeninſtitut für die Beamten und die ſtändigen Arbeiter werden. Der Magiſtrat ſagt dann ſelbſt: Nichtsdeſtoweniger wird man in dem letzteren Geſichtspunkt nicht den Charakter einer Unterſtützung oder eines Almoſens zu finden haben, ſondern die Betätigung einer moraliſchen hervorragend nationalen ſowie ſozialen Verpflichtung, welche die Stadt⸗ gemeinde ihren Beamten, Angeſtellten und Arbeitern gegenüber freiwillig auf ſich nimmt. Der Magiſtrat ſtellt alſo in ſeiner Begründungs⸗ ſchrift feſt, daß es eine ſoziale Verpflichtung für ihn iſt, dieſe Familienzulagen zu gewähren. Wenn der Magiſtrat auf der einen Seite prinzipiell