230 ſeine ſoziale Verpflichtung anerkennt, dann weiß ich nicht, wie die Feſtlegung dieſer ſozialen Ver⸗ pflichtung in einer für die Intereſſenten rechts⸗ verbindlichen Form aufgehalten oder abgeleugnet werden kann. Wenn man das Prinzip der Ver⸗ pflichtung anerkennt, dann kann man ſich doch auch nicht dagegen ſträuben, irgendeine auch für die Stadt bindende Beſtimmung zu ſchaffen. Wir werden jedenfalls dementſprechend Anträge im Ausſchuß ſtellen. Und wir hoffen, daß der Ausſchuß nach den teilweiſe recht erfreulichen Erklärungen, die der Herr Referent hier ſchon hat verlauten laſſen, zum großen Teil unſeren Wünſchen Rechnung tragen wird. Wir wünſchen und hoffen, daß der Ausſchuß unſeren berechtigten Wünſchen und na⸗ mentlich den berechtigten Wünſchen der Arbeiter⸗ ſchaft in der Weiſe entgegenkommen wird, daß auch wir mit Ihnen nachher, wenn die Vorlage endgültig zur Annahme gelangen ſoll, freudig konſtatieren können, mit Ihnen zuſammen etwas Gutes, Großes und Schönes für Charlottenburg geſchaffen zu haben. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, daß eine Vorlage, welche einen Kreis von einigen tauſend Intereſſenten ergreift und welche eine, man kann wohl ſagen, unfaßbare Menge von ſich vielfach widerſtreitenden Intereſſen und Ge⸗ ſichtspunkten in ſich birgt und vereinigen ſoll, nicht allſeitiger Zuſtimmung begegnen kann, daß ſie nicht alle Wünſche erfüllen kann, das war dem Magiſtrat von vornherein klar. Ein ſolcher Gedanke würde geradezu utopiſtiſch ſein. Wie es infolge⸗ deſſen den Magiſtrat nicht hat überraſchen können, daß aus den Intereſſentenkreiſen, obgleich wohl mit Fug und Recht feſtgeſtellt werden darf, daß die Vorlage in äußerſt wohlwollender Tendenz aus⸗ gearbeitet worden iſt, doch noch dieſe oder jene Wünſche an den Magiſtrat und die Stadtverord⸗ netenverſammlung herangetreten ſind, hier und da ſich Unzufriedenheit gezeigt hat, ebenſo kann es den Magiſtrat nicht überraſchen, daß hier in der Verſammlung nicht unisono eine vollſtändige vor⸗ behaltloſe Zuſtimmung zu allen Gedanken der Vorlage ausgeſprochen wird. Die Unzufriedenheit iſt an ſich etwas, was man durchaus nicht tadeln ſoll, ſie iſt das Agens, das die Welt vorwärts bringt; (Stadt. Zietſch: Sehr richtig!) und wie es jedem einzelnen durchaus zuſteht, nach oben zu ſchauen, ſeine Lage zu verbeſſern zu ſuchen, ſo iſt ſelbſtverſtändlich auch den Vertretern der verſchiedenen Intereſſen und ſozialen Geſichts⸗ punkte es durchaus zuzugeſtehen, ja, es iſt will⸗ kommen zu heißen, daß ſie nach dieſer Richtung hin Wünſche ausſprechen, daß wir nicht in den ſaturier⸗ ten Zuſtand geraten, wo wir ſagen: es iſt ja alles wunderſchön. Daß unſere ſoziale Entwicklung ununterbrochen und dauernd ein Vorwärtsſchreiten erfordert, iſt ohne weiteres zuzugeben, und es wäre deshalb auch unberechtigt, wenn ich hätte erwarten wollen, daß Herr Stadtv. Zietſch mit allem und jedem ſich einverſtanden erklären würde. Mit dem, was er geſagt hat, begnüge ich mich — und ich glaube namens des Magiſtrats das ſagen zu können in jeder Hinſicht. Ich bin vor allem durch das eine Wort durchaus angenehm berührt geweſen, das, wenn es ihm von Herzen gekommen iſt, wie ich hoffen will, wirklich eine außergewöhnliche Sitzung vom 26. Mai 1909 Anertennung bedeutet, nämlich das Wort von der „ziemlich“ ſtrengen Objektivität, mit der der Magiſtrat gearbeitet habe. Denn, meine Herren, mehr können Sie nicht verlangen, als daß wir nach gutem, beſtem Wiſſen und Ermeſſen, ſoweit wir überhaupt die Fähigteit haben, alle Verhältniſſe richtig zu beurteilen und zu erfaſſen, unſere Vorſchläge machen und unſere Anträge ſtellen. Daß Sie, wie geſagt, im einzelnen nachher noch Wünſche haben und mit dieſem Vorbehalt nur eine „gewiſſe“ Anerkennung ausſprechen wollen, das iſt Ihr gutes Recht. Ich hatte in keiner Weiſe etwas anderes erwartet. Nichtsdeſtoweniger möchte ich gleich hier darauf hinweiſen, daß es notwendig ſein wird, daß Sie ſich von vornherein klarmachen, daß dieſe ſtrenge ſachliche Objektivität vom erſten bis zum letzten Augenblick auch von Ihnen nicht einen Moment aus den Augen verloren werden darf — nicht als ob jemand bewußt inobjektiv handeln würde; aber es wäre doch möglich, daß die objektive Be⸗ meſſung nach oben und nach unten mal aus den Augen verſchwände. Ich möchte Sie darauf hinweiſen, daß dann ſofort eine Störung des ganzen Gebäudes eintreten würde. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Meine Herren, ich kann Ihnen eine Reihe von Erfahrungen aus den letzten Tagen mitteilen, die mich berechtigen, dieſen Satz auszuſprechen. Ich habe mir eine Anzahl von Wünſchen vortragen laſſen müſſen, die, zum Teil wenigſtens dahin ausklangen, daß man ſagte: urſprünglich war die Vorlage ganz ſchön, urſprünglich ſtand in der Vorlage ſogar beinahe mehr, als wir erwartet haben. Aber nun iſt dort ein klein bißchen geändert worden, dort iſt etwas hinzugetan worden jetzt iſt das Bild für uns ein ganz anderes. Während wir urſprünglich ſehr zufrieden waren, ſehen wir jetzt, daß ſich das Bild nach oben oder nach unten ein bißchen anders geſtaltet hat, und wir fühlen unſere Intereſſen geſchädigt. — Meine Herren, ich verarge das den betreffenden Herren auch nicht. Sie haben das Recht, von ihren Geſichtspunkten aus und in ihrem Geſichtsfelde ſich das Bild an⸗ zuſehen, und ſie gucken natürlich zunächſt nach dem oberen und nach dem unteren Nachbar und ver⸗ gleichen nun: wie ſtehſt du dazu. Ich würde ſicherlich in vielen Fällen, wenn auch vielleicht nicht in ſo vielen Fällen wie Herr Stadtv. Zietſch, ſehr gern bereit ſein, den Wünſchen, von denen ich in der Ausſprache auch manchen habe anerkennen müſſen, zu entſprechen, wenn ich mir nicht immer ſagen müßte: wie wirkt das nun nach den beiden Seiten? Vielfach werden die Wünſche mit der Wendung vertreten: „Wir ſind ja bloß ein paar Mann, das koſtet ja doch ſchließlich nicht viel.“ Das iſt aber nicht der aus⸗ ſchlaggebende Geſichtspunkt. Wenn es auch nur ein paar ſind, ſo iſt daneben vielleicht eine Gruppe von hundert und mehr, die dann ſofort ſagen: ja, wenn die das kriegen, ſind wir nicht mehr richtig differenziert, richtig eingeſchätzt, und nun iſt das Bild wieder unrichtig. Alſo hier muß man ſoviele Geſichtspunkte im Auge behalten, daß man mit dem bloßen guten Herzen unter keinen Umſtänden weiter kommt; man muß wirklich kaltes objektives Blut bewahren. Die Ausführungen des Herrn Stadtv. Zietſch, zunächſt, die ſich mit dem Teil der Vorlage beſchäftigt haben, der die Gehalts⸗ und Lohn⸗