232 Herren, ſo ſind die Ausführungen des Magiſtrats gar nicht zu verſtehen geweſen. Wir haben uns von vornherein nicht der Erkenntnis entzogen, daß die Reviſion mehr bieten wird, als die Teuerungs⸗ zulage geboten hat. Es hat nur zum Ausdruck ge⸗ bracht werden ſollen, daß ſo dringlich wie in Reich und Staat und in den Nachbarkommunen z. B., in denen Teuerungszulagen nicht oder wenigſtens nur als einmalige gelegentliche Zuwendung gezahlt worden ſind, bei uns die Verhältniſſe nicht liegen. Denn das wird doch nicht beſtritten werden können, daß unſere Teuerungszulagen vor allen Dingen für die Arbeiter eine ſehr beträchtliche Abhilfe dem Notſtande gegenüber ſchon ausgemacht haben, denn tatſächlich haben dieſe Teuerungszulagen 10 bis 15% des Lohnes betragen. Was die Familienzulagen betrifft, ſo muß ich ſagen, daß mir — wie durchweg, ſo insbeſondere g hier — die Zuſtimmung, die gerade von dem Herrn Referenten der Vorlage des Magiſtrats entgegen⸗ gebracht worden iſt, durchaus willkommen und er⸗ freulich geweſen iſt. Der Magiſtrat hat daraus ja kein Hehl gemacht ſchon bei der Beratung in dieſer Verſammlung im vorigen Herbſt, daß er der An⸗ gelegenheit der Familienzulagen eine außerordent⸗ liche Bedeutung beimißt, und es iſt um ſo erfreu⸗ licher, daß es gelungen zu ſein ſcheint, die Ab⸗ neigung, die damals in der Verſammlung dagegen beſtanden hat, jetzt wenigſtens teilweiſe — der Herr Referent gehört zu dieſem Teil — zu entkräften. Wenn nichtsdeſtoweniger die Sache beinahe wieder umgedreht wird, als ob Sie den Gedanken und die ſoziale Ausbildung dieſes Gedankens dem Magiſtrat oktroyieren müßten, ſo muß ich dagegen doch in aller Zurückhaltung proteſtieren. Die Priorität für dieſe Idee darf der Magiſtrat mit vollem Rechte in Anſpruch nehmen. Deshalb, meine Herren, glaube ich, werden Sie es nicht un⸗ billig empfinden, wenn ich ſage: laſſen Sie dem Magiſtrat, der ja zuerſt den Gedanken hier propagiert hat, Zeit, ſeine Pläne ausreifen zu laſſen. Er wird ſicherlich in der Intention, wie er ſie ins Leben ge⸗ rufen hat, ſie auch in die Tat umſetzen, d. h. mit denjenigen Garantien ſeines Wohlwollens und ſeiner Objettivität, die er in der Vorlage ſchon niedergelegt hat. Ich möchte auf die verſchiedenen Ausſtellungen, die in dieſer Hinſicht gemacht worden ſind, wenig⸗ ſtens mit ein paar Worten eingehen. Am aller⸗ meiſten Widerſpruch ſcheint der Gedanke zu finden, daß der Rechtsanſpruch nicht gewährt werden ſoll. Zunächſt möchte ich Sie bitten, hierin eine Kon⸗ zeſſion an die Stadtverordnetenverſammlung zu ſehen, wenigſtens an diejenigen Herren, die grund⸗ ſätzlich Gegner der Familienzulage ſind. Die grund⸗ ſätzliche Gegnerſchaft muß natürlich in dem Maße zunehmen oder erhalten bleiben, wie der Charakter der Familienzulage als Beſtandteil des Gehalts aufrecht erhalten wird. Wenn jemand auf dem Standpunkt ſteht, das Gehalt ſoll weiter nichts ſein als ein Aquivalent für die geleiſteten Dienſte, und wenn ich nun die Familienzulage zu einem inte⸗ grierenden Teil des Gehalts dadurch mache, daß ich ihr den Rechtsanſpruch verleihe, ſo muß ich von vornherein die Hoffnung aufgeben, daß ich dieſe Herren zu mir hinüberziehen werde; * (ſehr richtig!) deren Gegnerſchaft werde ich dann natürlich dauernd mit in Kauf nehmen müſſen. Dem Magi⸗ ſtrat lag ſelbſtverſtändlich daran, auch dieſe Herren, Sitzung vom 26. Mai 1909 auf ſeine Seite zu ziehen. Daß an ſich jener Stand⸗ punkt nicht anerkannt werden kann, will ich nur nebenbei betonen. Der Magiſtrat hat jedenfalls dieſer Auffaſſung keinesfalls ſachlich zuſtimmen wollen, er hat nur aus Gründen der Taktik, wenn ich ſo ſagen ſoll, mit dem Standpunkt gerechnet und ihm eine gewiſſe Konzeſſion gemacht. Dieſe Kon⸗ zeſſion iſt allerdings um ſo leichter und um ſo ver⸗ verſtändlicher, als zugegeben werden muß, daß heute die Inſtitution der Familienzulage doch nur ein Verſuch iſt. Wir ſind — das kann ich wohl ſagen — auf dem Gebiete der Familienzulagen die erſte Gemeinde, die in dieſer umfaſſenden Art und auch mit dieſen allgemeinen Grundſätzen, wie wir ſie aufgeſtellt haben, dieſe Einrichtung treffen will. (Stadtv. Holz: Frankfurt a. M. ) — Die Sache iſt in Frankfurt a. M. ganz anders eregelt; im übrigen hat Frankfurt a. M. au ch keinen Rechtsanſpruch. — Es muß doch wenigſtens bei einer Einrichtung, die zwar mit dem Titel und unter dem Zugeſtändnis einer moraliſchen Verpflichtung, aber doch freiwillig, wie ich Herrn Stadtv. Zietſch nicht zu vergeſſen bitte, gewährt werden ſoll, dem Magiſtrat ſo viel zu⸗ geſtanden werden, daß er ſagen darf: ſolange die Sache noch im Stadium des Verſuches iſt, können wir einen Rechtsanſpruch nicht gewähren. Ich will im einzelnen die vielen Eventualitäten, die hier zu Prozeſſen führen können, wenn man ſchon jetzt den Rechtsanſpruch gewähren wollte, nicht erörtern. Wir haben übrigens einen ähnlichen Vorgang, der ſchon lange mit Ihrer Zuſtimmung beſteht: das iſt der Ruhelohn. Als wir vor ungefähr 10 Jahren dieſe Einrichtung ſchufen, war ſie auch etwas Neues, war ſie auch ein Verſuch, und wir ſind heute ſicher davon überzeugt, daß ſo, wie wir damals die Bedingungen für die Ge⸗ währung des Ruhelohns ſtipuliert haben, ſie nicht bleiben können, wenn wir einen Rechtsanſpruch gewähren wollen. Ebenſowenig wird es möglich ſein, die Grundſätze für die Familienzulagen, ſo wie ſie Ihnen heute vom Magiſtrat vorgeſchlagen werden, aufrecht zu erhalten, wenn Sie einen Rechtsanſpruch gewähren wollen. Da alſo die Frage noch erſt der Klärung bedarf, möchte ich Sie bitten, auf den Rechtsanſpruch zu verzichten und es dem Magiſtrat vor allem nicht als Mangel an ſozialem Empfinden anzurechnen, wenn er einen Rechtsanſpruch heute noch nicht glaubt zugeſtehen zu können. Ich möchte bei dieſer Gelegenheit gleich noch eins betonen. Die Worte, daß ein hervorragendes nationales und ſoziales Intereſſe den Verwaltungen gebiete, Familienzulagen zu gewähren, ſind mit vollem Vorbedacht in dieſe Vorlage hineingeſchrieben worden, und ich möchte es an dieſer Stelle aus⸗ drücklich ausſprechen, welchen hohen Wert der Magiſtrat dieſer Einrichtung auch von dieſem Geſichtspunkt aus beimißt. Meine Herren, es kann, glaube ich, ohne Kränkung nach irgendeiner Seite wohl ausgeſprochen werden, daß in unſerm mittleren und unteren Beamtenſtande — alles, was in dieſe Sphäre hineingehört, namentlich auch die Lehrer, hinzugerechnet — ein ſtarkes Rückgrat unſerer ganzen Nation liegt, daß über⸗ haupt die Stärkung, die Entwicklung unſerer Nation von unten nach oben hinauf ſich vollzieht und daß im Laufe des letzten Jahrhunderts beſonders ein außerordentlich wertvoller Prozentſatz tüchtiger Kräfte, auf die die Nation ſtolz ſein kann, aus