Sitzung vom 9. Juni 1909. 247 Einkommen des Arbeiters einbezogen wird. Den Arbeiter, der in irgendeinem Lohnverhältnis ſteht, fragt die Steuerbehörde nach dem letzten Pfennig ſeines Einkommens, und auch der ſtädtiſche ſtändige Arbeiter und Betriebsarbeiter, der ſeine Über⸗ ſtunden macht, iſt verpflichtet, auch den Über⸗ ſtundenbetrag mit in die Steuerſumme hinein⸗ zuziehen. Hier, wo zugunſten der Arbeiter der Uberſtundenverdienſt in Anrechnung gebracht werden könnte, ſtreichen Sie denſelben einfach! Das iſt unſerer Auffaſſung nach eine große Ungerech⸗ tigkeit gegenüber der Arbeiterſchaft, und das wird man auch in der Arbeiterſchaft mit der Zeit richtig zu würdigen verſtehen. Ich muß offen geſtehen, daß Sie meinen Freunden und mir die Zuſtimmung (Zuruf vom Magiſtratstiſch) — nein, wir werden nicht dagegen ſtimmen, Herr Bürgermeiſter, den Gefallen tun wir Ihnen nicht — daß Sie uns die Zuſtimmung zu der Familien⸗ zulage durch Ihre Ausſchußbeſchlüſſe ungemein ſchwer gemacht haben. Wir werden aber trotzdem für die Familienzulage in ihrer Geſamtheit ſtimmen, ſelbſt wenn Sie unſere Anträge abgelehnt haben. Ohne damit jedoch bekunden zu wollen, daß wir mit den von Ihnen in die Beſtimmungen der Familienzulage gelegten Grundſätzen der Ungerech⸗ tigkeit und der Unbilligkeit gegenüber der Arbeiter⸗ ſchaft einverſtanden ſind, wenn wir die Familien⸗ zulage im ganzen annehmen. Dadurch, daß die Betriebsarbeiter nicht in die Beſoldungsvorlage hineinbezogen ſind, iſt eine beträchtliche Lücke in der Vorlage. Ich habe das auch ſchon in der erſten Leſung betont und auch im Ausſchuß ſchon einiges dazu geſagt; ich kann mich hier auf das Notwendigſte beſchränken. Schon im Jahre 1904, als die letzte Reviſion des Normal⸗ etats vorlag, hat man mit Verwunderung darüber geſprochen, daß die Betriebsarbeiter aus dieſer Vorlage ausgelaſſen worden ſind, und auch von ſeiten des Magiſtrats und des Herrn Oberbürger⸗ meiſters iſt die Verwunderung ausgeſprochen worden darüber, daß die Betriebsarbeiter nicht hineinbe⸗ zogen waren. Man beſchloß damals, daß unver⸗ züglich die einzelnen Deputationen und Ver⸗ waltungsſtellen die Neuregelung der Löhne der Betriebsarbeiter vornehmen ſollen. Wir wünſchen, daß das in Zukunft in der Weiſe geändert wird, daß die Deputationen und Verwaltungsſtellen nicht mehr dazu beſtimmt werden. Sondern es ſcheinen uns gar keine gewichtigen Gründe dagegen zu ſprechen, die Regelung der Löhne der Betriebs⸗ arbeiter in dieſe allgemeine Erhöhung der Beamten⸗ beſoldungen und Arbeiterlöhne, wie ſie uns jetzt vorgelegt wurde, hineinzubeziehen. Sie berufen ſich darauf, und auch der Herr Refe⸗ rent hat darauf hingewieſen, daß die Verſicherung vom Magiſtrat gegeben worden iſt, daß er ſeine ganze Kraft dafür einſetzen wird, daß die Deputationen und Verwaltungsſtellen in kürzeſter Friſt die Neu⸗ regelung der Löhne vornehmen werden. In welcher Weiſe werden ſie vorgenommen? Vor⸗ läufig fehlt uns jede Kontrolle und Überſicht darüber. Für die Gasanſtaltsarbeiter ſind jeden⸗ falls Neuerungen vorgeſehen, die, wenn dieſelben in der beabſichtigten Weiſe Platz greifen ſollten, uns nicht befriedigen würden; denn die Prozentzahl der vorgeſehenen Lohnerhöhungen ſtehen weſent⸗ lich zurück hinter den Prozentzahlen, die hier feſtgeſetzt ſind für die übrigen ſtändigen Arbeiter und für die Beamten. Ich finde da Zahlen in bezug auf die Erhöhung der Gasarbeiterlöhne von 9, 10, 10,8 und 7 %. In einem einzigen Falle, der aber nur 2 oder 3 Arbeiter betrifft, beträgt die Erhöhung 26 %. Nun noch eine andere Frage: wie wird ſich überhaupt die Einführung des Neunſtiu ndentages für die Betriebsarbeiter regeln? Wird man in den Deputationen bei der Neuregelung der Löhne der Betriebsarbeiter auf die Einführung des neunſtündigen Arbeitstages Bezug nehmen? Man mird, wenn man den Neunſtundentag einführt und die Stundenlöhne weiter gelten leſſen will, den Prozentſatz der Lohnaufbeſſerung weſentlich er⸗ höhen müſſen, um durch den Ausfall der zehnten Stunde den Arbeitern keine Lohneinbuße zumuten zu müſſen. Es iſt mir auch aufgefallen — ich habe das in der erſten Leſung der Kürze der Zeit wegen nicht genügend betonen können —, daß in der Begründungsſchrift der Magiſtrat ſchreibt, daß ſich gegen die Einführung des Neunſtunden⸗ tages in der Gasanſtalt noch Bedenken nach⸗ träglich geltend gemacht haben. Es würde mich intereſſieren, die Bedenken kennen zu lernen, die hierbei in Frage kommen könnten, um die Ein⸗ führung des Neunſtundentages in der Gasanſtalt noch aufzuhalten. Es wäre ſehr bedauernswert, wenn beſonders in der Gasanſtaltsverwaltung, unter welcher die meiſten Betriebsarbeiter der Stadt beſchäftigt ſind, ſich eine reaktionäre Strömund gegen die Einführung des Neunſtundentages geltend machen würde Denn die Einſprüche, die von der Gasanſtaltsverwaltung noch gegen die Einführung des Neunſtundentages geltend gemacht werden können, könnten doch nur finan⸗ zieller Natur ſein; das würden wir um ſo mehr ver⸗ urteilen müſſen, als aus ſolchen Urſachen ein not⸗ wendiger ſozialer Fortſchritt am allerwenigſten auf⸗ gehalten werden dürfte. Da aber die Betriebsarbeiter einmal aus dem Rahmen der Beſoldungsvorlage herausgelaſſen worden ſind, weil es uns ferner nicht möglich war, für die Betriebsarbeiter unſere Anträge im Aus⸗ ſchuß zu ſtellen, möchten wir uns darauf be⸗ ſchränken — die Geſchäftslage geſtattet es ja auch nicht, hier beſondere Anträge zugunſten der Betriebsarbeiter zu ſtellen —, folgende Reſolution Ihnen zu unterbreiten, die darauf Bezug nimmt, daß dieſe Arbeiter nicht in die Vorlage hinein⸗ bezogen ſind, und durch die die Stadtverordneten⸗ verſammlung die betreffenden Stellen erſucht, beſtimmte Grundſätze bei der Neuregelung der Löhne der Betriebsarbeiter gelten zu laſſen. Die Reſolution lautet: Da in der Vorlage des Magiſtrats über die Reviſion des Normalbeſoldungsetats für die ſtädtiſchen Beamten, Privatdienſtverpflich⸗ teten und ſtändigen Arbeiter die Regulierung der Löhne der Betriebsarbeiter nicht ein⸗ bezogen worden iſt, empfiehlt die Stadt⸗ verordnetenverſammlung dem Magiſtrat, künftig auch die Neuregelung der Löhne dieſer Arbeiter in die allgemeine Reviſion der Beamtengehälter und Löhne der übrigen ſtändigen Arbeiter einzubeziehen. Bei der in Ausſicht geſtellten, durch die Deputationen und Verwaltungsſtellen zu vollziehenden Neuregelung der Löhne der Betriebsarbeiter empfiehlt die Stadtrer⸗