Sitzung vom 9. Juni 1909 weil das Bedürfnis dazu vorhanden iſt, ſo haben wir nicht anders handeln zu dürfen geglaubt gegenüber den Mitgliedern des Magiſtrats, ſür die Gehalts⸗ erhöhungen in der Vorlage überhaupt nicht vor⸗ geſehen waren. Ich glaube, daß hier die logiſche Konſequenz auf ſeiten der Mehrheit des Aus⸗ ſchuſſes ſich befunden hat. Bei alledem tröſtet mich wenigſtens eins, näm⸗ lich das, daß der Herr Kollege Zietſch geſagt hat: ſein Standpunkt, daß die Gehälter des Magiſtrats nicht erhöht werden ſollen, wäre kein Standpunkt, der für immer eingenommen würde, das wäre ein Standpunkt, den man auch einmal verlaſſen könnte, wenn andere Verhältniſſe vorlägen. Viel⸗ leicht meint der Herr Kollege Zietſch damit, daß die Zeit, einen andern Standpunkt einzunehmen, für die ſozialdemokratiſche Fraktion dann gekommen ſein wird, wenn der Magiſtrat in politiſcher Be⸗ ziehung anders zuſammengeſetzt ſein wird. (Stadtv. Zietſch: Wir zahlen keine Ge⸗ ſinnungsprämien!) — Wir zahlen ſie auch nicht, und das beweiſen wir dadurch, daß wir jedem das zuteil werden laſſen, was uns nach Lage der Tatſachen unter objektiver Würdigung erforderlich erſcheint. (Bravo! bei den Liberalen.) Meine Herren, weiter hat Herr Kollege Zietſch die Familienzulage behandelt. Ich muß ſagen, daß ich dabei lebhaft an diejenigen meiner Freunde gedacht habe, die uns gewarnt haben, auf die Familienzulage einzugehen; ich habe mir geſagt, welche Genugtuung dieſe Herren jetzt empfinden mußten angeſichts der Schläge, die Herr Kollege Zietſch gegen die Anhänger der Familien⸗ zulage geführt hat. (Lebhafte Zuſtimmung bei den Liberalen.) Meine Herren, wir ſind ja hier hingeſtellt worden, als ob wir ein Verbrechen damit begingen, daß wir als zweite Stadt des Deutſchen Reiches dazu über⸗ gehen, Familienzulagen einzuführen, und zwar ſie nicht nur den Beamten, ſondern auch den Ar⸗ beitern zu bewilligen! Es wird ja ſo getan, als ob deshalb kein Hund mehr einen Biſſen Brot von uns nehmen dürfte. (Rufe: Oho! und Na, na! bei den Sozialdemo⸗ kraten.) — Ja, Herr Kollege Zietſch, rufen Sie nicht: Oho! Ich werde es aus Ihren Auslaſſungen beweiſen; ich habe ſie mir gut gemerkt. (Stadtv. Zietſch: Übertreiben Sie doch nicht!) — Wir werden nachher ſehen. ch möchte zunächſt als das verhältnismäßig Harmloſeſte die Auslaſſungen über den Rechts⸗ anſpruch beleuchten. Herr Zietſch hat gemeint, wir ſeien umgefallen. Nun, ich ſelbſt habe den Antrag im Ausſchuß geſtellt, den Rechtsanſpruch zu gewähren. Aber, meine Herren, ich ziehe es vor, das Ziel, welches ich mir ſteckte, mit Sicherheit zu erreichen, als durch ſtarres Beſtehen auf neben⸗ ſächlichen Forderungen die Gefahr zu laufen, dieſes Ziel ſchließlich zu verfehlen, und nachdem der Magiſtrat einerſeits die Bewilligung des Rechts⸗ anſpruchs abgelehnt, andererſeits aber erklärt hat, daß er die Familienzulage in derſelben objektiven Weiſe gewähren wird wie das Ruhegeld, nachdem er uns jede Kontrolle garantiert hat, die überhaupt nach Maßgabe der Verhältniſſe möglich iſt, habe ich nicht die Verantwortung übernehmen wollen, 253 auf dem Rechtsanſpruch zu beſtehen und dadurch vielleicht die ganze Vorlage zu Fall zu bringen. (Bravo! bei den Liberalen.) Dann hat uns Kollege Zietſch einen großen Vorwurf daraus gemacht, daß wir nicht zu einer Gleichſtellung der Beamten und Arbeiter gekommen wären. Er hat ja bereits angeführt, daß die An⸗ ſichten hierüber geteilt waren. Wenn ich in dem Sinne der Herren, die gegen die abſolute Gleich⸗ ſtellung geſtimmt haben, hier eine Ausführung machen darf, die mir trotz meines perſönlich ab⸗ weichenden Standpunktes immerhin durchaus logiſch und konſequent erſcheint, dann iſt es die, daß bei prozentualer Bemeſſung, die ja der Fa⸗ milienzulage zugrunde gelegt werden muß, die Beamten nach der Vorlage ſchlechter weg⸗ kommen als die Arbeiter. Setzen Sie dieſelbe Stala, die bei den Arbeitern beſteht, mit 5, 10, 15, 20% bei den Beamten ein, ſo wird ſich ergeben, daß dann die meiſten Beamten weſentlich beſſer wegkämen als mit den feſten Sätzen, die für ſie eingeſetzt ſind. Herr Kollege Zietſch hat vorhin „Oho 1“% ge⸗ rufen, als ich ſagte, er hätte uns wie Verbrecher behandelt. Nun, meine Herren, einen ſchlimmeren Vorwurf als den, daß wir gewiſſe Zahlen nur des Scheines wegen eingeſetzt hätten, nur um den Glauben zu erwecken, als ob wir etwas geben, was wir in Wirklichkeit nicht geben, einen ſchlimmeren Vorwurf kann ich mir nicht vorſtellen. (Sehr richtig!) Der Vorwurf involviert geradezu den einer be⸗ trügeriſchen Handlungsweiſe! Ich weiſe den Vor⸗ wurf als abſolut unbegründet zurück. Ich ſtelle feſt, daß Herr Kollege Zietſch dieſen Vorwurf aus⸗ geſprochen hat, obwohl er im Ausſchuß gehört hat, aus welchem Grunde dieſe Höchſtzahlen eingeſetzt werden müſſen, nämlich, weil der Magiſtrat keinen unmittelbaren Einfluß auf die Bemeſſung der Löhne für die Arbeiter der Betriebsverwal⸗ tungen hat und infolgedeſſen die Möglichkeit beſteht, daß mangels einer Begrenzung in dieſem oder jenem Betriebe Arbeitern höhere Zulagen als den Beamten gewährt werden müßten. Der Magiſtrat hat ſelbſt ſchon im Ausſchuß erklärt, daß es ſich nur um Einzelfälle handelte, in denen das vorkommen würde; aber dieſe Einzelfälle müſſen eben vorher berückſichtigt werden. Dieſe Außerung des Herrn Kollegen Zietſch war aber noch nicht die ſchlimmſte. Die ſchlimmſte, die er getan hat, war nach meinem Dafürhalten die, daß er ſagte, er könnte ſich „eigentlich freuen“, daß wir dieſe ganze Vorlage ſo übel zugerichtet haben, wie es geſchehen iſt. Meine Herren, in dieſer Bemerkung finde ich allerdings eine Wider⸗ legung meiner Worte von vorhin, die mir innig leid tut. Ich habe vorhin gerühmt, es wäre hier tein Wettrennen gemacht worden, es wären alle Parteien mit dem Magiſtrat einig geweſen in der gemeinſamen Fürſorge für alle Kategorien der ſtädtiſchen Angeſtellten. Zu meinem tiefen Be⸗ dauern muß ich dieſe Behauptung zurücknehmen, oder richtiger: ich muß ſie nicht zurücknehmen, ich brauche ſie nur einzuſchränken; ich muß feſtſtellen, daß das friedliche und gegenſeitig anerkennende und entgegenkommende Zuſammenwirken aller⸗ dings dort geherrſcht hat, wo d ie ſtille Ar⸗ beit war, daß es aber aufgehört hat in dem