Sitzung vom 23. Juni 1909 verſammlung ein ſolches Mitbeſtimmungsrecht hat; es genügt aber für mich die Konſtatierung der einen Tatſache, daß in einer unſerer Nachbarſtädte, in Schöneberg, die Stadtverordnetenverſammlung ſich dieſes Recht gewahrt hat. Meine Herren, Sie werden ja wohl aus den Erſcheinungen der letzten Zeit bemerkt haben, daß Schöneberg ſich bemüht, uns in ſozialpolitiſcher Hinſicht zu überflügeln, und ich fürchte, daß, wenn das ſo weitergeht, das heißt, wenn wir weiter keine Fortſchritte machen, daß dann über kurz oder lang die Zeit gekommen iſt, wo wir den Ruf, in ſozialpolitiſcher Beziehung an der Spitze zu marſchieren, eingebüßt haben werden. Der Hinweis auf Berlin mag zutreffen. Aber nicht ganz richtig iſt es, wenn der Herr Bürger⸗ meiſter ſagt, in Berlin hätte die Stadtverordneten⸗ verſammlung nur über die generelle Frage der Ein⸗ ſetzung von Arbeiterausſchüſſen Beſchluß gefaßt, im übrigen aber alles den Deputationen überlaſſen. Nein, meine Herren, nicht nur die generelle Frage iſt in Berlin erledigt worden, ſondern, wenn ich mich recht erinnere, hat die Berliner Stadtver⸗ ordnetenverſammlung gleichzeitig auch generelle Beſtimmungen über die Art der Zuſammenſetzung der Arbeiterausſchüſſe getroffen. Es waren da ganz beſtimmte Anträge geſtellt, denen die Stadt⸗ verordnetenverſammlung und ſpäter auch der Ma⸗ giſtrat Folge geleiſtet hat. So iſt es ja ſchließlich auch bei uns geweſen. Nun hat der Herr Bürgermeiſter ſich auf die Städteordnung berufen. Ich muß offen geſtehen, mir war dieſer Hinweis nicht recht klar. Die Aus⸗ führungen des Herrn Bürgermeiſters könnten mich ja verleiten, hier eine längere Vorleſung über die Städteordnung zu halten; ich will aber mit Rück⸗ ſicht auf die umfangreiche Tagesordnung davon Abſtand nehmen. Ich möchte nur dagegen pro⸗ teſtieren, als ob etwa die Städteordnung ſich in jeder Beziehung als anpaſſungsfähig erwieſen hat. Ich glaube, wenn der Herr Bürgermeiſter einmal die Städteordnung auf ihre Einzelheiten prüft, ſo wird auch er finden, daß es eine ganze Maſſe von Punkten gibt, in denen ſie ihre Anpaſſungsfähigkeit nicht bewieſen hat, und er wird dann mit uns vielleicht zu dem Reſultat kommen, daß die Städte⸗ ordnung tatſächlich ein obſoletes Möbel geworden iſt. Ich will hier auf die veralteten Beſtimmungen bezüglich des Wahlrechts, des Hausbeſitzerprivilegs uſw. gar nicht eingehen. — Der Herr Bürgermeiſter ſagt: nach der Städte⸗ ordnung iſt der Magiſtrat das Organ der Ver⸗ waltung, er vertritt gewiſſermaßen die Rolle des Arbeitgebers. Meine Herren, das beſtreiten wir durchaus nicht; das geht aus der Städteordnung klipp und klar hervor. Aber anderſeits geht auch das aus der Städteordnung hervor, daß die Stadt⸗ verordnetenverſammlung die kontrollierende Be⸗ hörde iſt. Wenn wir aber nur Mitteilungen be⸗ kommen von der Einrichtung von Arbeiteraus⸗ ſchüſſen, meine Herren, ſo möchte ich wiſſen: wo bleibt denn eigentlich unſer Kontrollrecht? das ſteht nur auf dem Papier. Wir bekommen die Mitteilungen — vielleicht bekommen wir ſie auch nicht —: der Magiſtrat hat da und dort Arbeiter⸗ ausſchüſſe eingeſetzt. Aber wie die Arbeiteraus⸗ ſchüſſe gebildet ſind, ob das wirklich Arbeiteraus⸗ ſchüſſe ſind oder Ausſchüſſe, die nur dem Namen nach Arbeiterausſchüſſe ſind, meine Herren, das ſſen, und wenn wir das nicht können wir gar nicht wi wir de kontrollieren können, dann haben wir nicht die 74 269 Möglichteit, dem Magiſtrat zu ſagen, ob wir mit den von ihm erlaſſenen Beſtimmungen für Arbeiterausſchüſſe zufrieden ſind oder nicht. Man braucht ſich gar nicht auf den formellen Stand⸗ punkt zu ſtellen: wir ſind das ausführende, ihr ſeid das kontrollierende Organ—, ſondern es gibt Fragen, wo man, ohne die Städteordnung zu verletzen, ſich die Hand reichen kann. Eine ſolche Frage liegt hier vor. So wichtig iſt die Frage ja nicht; ich begreife nicht, wie der Magiſtrat ſich auf den Standpunkt ſtellen kann: nein, wir laſſen die Stadtverordneten⸗ verſammlung in dieſe Frage nicht hineinreden. Es handelt ſich hier nicht um prinzipielle Fragen von wichtiger Bedeutung. Nicht weil dieſe Frage eine Frage von ſo prinzipieller Bedeutung iſt, ſondern weil ich auf dem Standpunkt ſtehe, daß wir allen Anlaß haben, Beſchlüſſe, die wir einmal gefaßt haben, auch dann hochzuhalten, wenn der Magiſtrat anderer Anſicht iſt, deshalb möchte ich beantragen nach reiflicher UÜberlegung, daß wir von § 36 der Städteordnung Gebrauch machen, eine gemeinſchaftliche Kommiſſion einzuſetzen, in der eine Verſtändigung mit dem Magiſtrat verſucht wird. Ich werde dem Herrn Vorſteher ſchriftlich einen ſolchen Antrag überreichen. Herr Kollege Meyer hat an den Magiſtrat das Erſuchen gerichtet, daß er im weiteſten Maße Rückſicht auf die hier geäußerten Wünſche nehmen möge. Meine Herren, damit allein iſt es uns nicht getan; wir wollen nicht, daß der Magiſtrat auf unſere Wünſche Rückſicht nimmt, wir wollen nicht, daß wir von dem Wohlwollen des Magiſtrats ab⸗ hängen, ſondern wir verlangen, daß der Magiſtrat unſern Beſchlüſſen Folge leiſtet, ſofern nicht wirklich ausreichende Gründe dem entgegenſtehen. Solche Gründe liegen aber hier nicht vor. Stadtv. Gebert: Ich will nur kurz darauf hinweiſen, daß ich den Wunſch des Herrn Bürger⸗ meiſters nicht erfüllen konnte, da ich außerhalb Charlottenburgs geweſen bin. ch will mich nur noch den Ausführungen meines Freundes Hirſch anſchließen und will noch hinzufügen, daß uns nicht damit gedient werden kann, nur Wünſche entgegenzunehmen: denn es fönnen ſich in dem Arbeiterausſchuß Verhältniſſe abſpielen, wodurch die Geſamtheit der Stadt⸗ verordneten in Anſpruch genommen werden muß, und dann, meine Herren, haben wir keine Hand⸗ habe, den Magiſtrat gewiſſermaßen zu zwingen, dieſen eventuell von uns geſtellten Forderungen Rechnung zu tragen. Das muß vorhergeſehen werden. Wenn ſich innerhalb der Betriebe, inner⸗ halb der Arbeiterſchaft Verhältniſſe abſpielen, die unbedingt einen Beſchluß der Stadtverordneten herbeiführen müſſen, dann kann der Magiſtrat ſagen: hier ſind unſere Beſtimmungen des Arbeiter⸗ ausſchuſſes, danach richten wir uns, und weiter geht es nicht. Ich möchte Sie bitten: nehmen Sie den Antrag, den Herr Kollege Hirſch Ihnen unter⸗ breiten wird, an! Dieſer Weg wird uns auf dieſem Gebiete weiterführen, und wirtragen den Wünſchen der großen Maſſe der Arbeiterſchaft dann Rechnung. Stadtv. Meyer: Meine Herren, obwohl ſich, wie ich ſchon vorhin ausführte, meine Anſichten in mancher Beziehung mit denen des Herrn Kollegen Gebert und demgemäß auch des Herrn Kollegen Hirſch decken, bin ich nicht in der Lage, dem Antrage