Sitzung vom 23. Juni 1909 X welchen Erörterungen allerdings von Schöneberg um deswillen weniger die Rede war, weil wir bereits in einem ſehr frühen Stadium dieſer Angelegenheit von dem Magiſtrat zu hören Gelegen⸗ heit hatten, daß eine begründete Ausſicht beſtände, mit dieſer Gemeinde zu einer Verſtändigung zu kommen, die Ausſicht auf ein gutes Neben⸗ und Miteinanderarbeiten erwarten ließ. Dieſe Verhand⸗ langen haben ſich nun zu einem Reſultat ver⸗ dichtet, und dieſes Reſultat liegt Ihnen in Form eines Vertrages zur Beſchlußfaſſung und Kenntnis⸗ nahme vor. Es iſt dies die Baſis, auf der ein gemein⸗ ſames Weiterarbeiten erfolgen ſoll. Gleichzeitig hat man in ganz geſchickter Weiſe nach meiner Meinung die Gelegenheit benutzt, um noch zwei andere Dinge, die ebenfalls zum Abſchluß drängen und die Gemeinde Schöneberg betreffen, zur Erxledigung zu bringen. Einmal handelt es ſich um eine Frage der Grenzregulierung; vor allen Dingen hat man aber Veranlaſſung genommen, einen alten Streit, der ſich ſchon aus dem Jahre 1903 herſchreibt, durch Vergleich aus der Welt zu ſchaffen, wahrſcheinlich in der Vorausſetzung, die übrigens auch in der Magiſtratsvorlage zum Aus⸗ druck kommt, daß bei der Weiterverfolgung dieſer ſtreitigen Angelegenheit ſonſt das freundnachbar⸗ liche Einvernehmen ſehr leicht gefährdet und ein Mißklang in die notwendige Harmonie hinein⸗ getragen werden könnte, was abſolut vermieden werden muß, wenn wir bei dem viel größeren Werk, das wir gemeinſam vorhaben, auf ein glückliches Reſultat und gute Erfolge rechnen wollen. Von dieſem Geſichtspunkt aus, daß es notwendig iſt, das freundnachbarliche Verhältnis zu erhalten, mögen Sie, meine Herren, die ganze Vorlage betrachten. Sie würden ſonſt ihre Tendenz nicht gut verſtehen und würdigen können. Die Haltung, die man hier eingenommen hat, iſt die, die ſonſt zwei Leute, zwei Firmen oder auch zwei Kommunen mit Recht gegeneinander einnehmen, wenn es ſich darum handelt, gemeinſam ein größeres Werk zu fördern, und die notwendigen vertraglichen Feſtſetzungen weniger darauf ausgehen, ſich ſelber Sonder⸗ vorteile zu ſichern, ſondern vielmehr dahin gerichtet ſind, einander entgegenzukommen, den einzelnen Komparenten das Geſchäft möglichſt ſchmackhaft zu machen, um dasjenige, was aus dieſen Ver⸗ einbarungen entſtehen ſoll, möglichſt ausſichts⸗ und erfolgreich ins Leben ſetzen zu können. Dieſer Standpunkt iſt deswegen von Char⸗ lottenburg beſonders richtig eingenommen worden, weil wir bei allen unſeren Erklärungen, allen unſern Erörterungen über die Untergrundbahnfrage in er ſt er Linie immer betont haben, daß wir den größeren Standpunkt des gemeinen Nutzens für alle Betei⸗ ligten in den Vordergrund ſt ell en und daß wir den Wünſchen benachbarter Ge⸗ meinden nur dann unſere Zuſtimmung ver⸗ ſagen, wenn ſie den eigentlich ſten In⸗ tereſſen unſrer Stadt zuwider⸗ lauf e n und damit gegen den größeren all⸗ gemeinen Standpunkt verſtoßen. Dieſer Standpunkt dürfte ganz beſonders Schöneberg gegenüber angebracht ſein, weil ja, wie Sie bereits gehört haben, dieſe Gemeinde ſich von Anfang an auf unſere Seite geſtellt hat und uns auf dieſe Weiſe, wie man an anderer Stelle geſagt hat, ein brillanter Sekundant geworden iſt. 283 Wenn Sie dieſen Standpunkt der Allgemein⸗ heit zulaſſen, dann werden Sie mir darin zunächſt folgen können, daß die Regelung, welche die klein⸗ bahngeſetzliche Zuſtimmung beiderſeits gefunden hat, eine durchaus richtige und glückliche iſt. Sie wiſſen aus der Vorlage, daß wir die kleinbahn⸗ geſetzliche Zuſtimmung, deren Schöneberg zur Fortſetzung ſeiner Bahn bedarf, quasi laſten⸗ und ſpeſenfrei erteilten, das heißt, wir verlangen weder eine einmalige Zahlung noch eine Gewinn⸗ beteiligung, die wir ja bei den Erwerbsgeſellſchaften ſtellen müßten und auch geſtellt haben. Auf der andern Seite gewährt uns Schöneberg für die⸗ jenigen Straßen, wo die Fortſetzung unſerer Linie in Frage kommt, das gleiche Recht. Nun würde mit Recht eingewendet werden können: für Schöneberg ſtellt die Konzeſſion augenblicklich einen größeren Wert dar als für uns: Schöneberg iſt mit ſeinem Bahnbau bereits vor den Toren Charlottenburgs angelangt, wann wir unſere Bahn bauen und fortſetzen wollen, iſt noch in Dunkel gehüllt. Dieſem Standpunkte wird aber auch dadurch Rechnung getragen, daß uns Schöne⸗ berg außer dieſer Parität auch die wertvolle Ein⸗ gemeindung der ſogenannten Schöneberger Wieſen, die Ihnen ja aus dem Plane näher bekannt ſind, gibt, daß ſie uns ihre Eigentumsrechte auf die dort befindlichen Wieſen abtritt, eine Konzeſſion, die für uns von ſehr bedeutendem Werte iſt, namentlich, wenn wir unſere Hafenprojekte in dieſer Gegend weiter verfolgen wollen; wir würden in dieſer Beziehung keine freie Hand haben, wenn Schöneberg noch im Beſitz dieſer Wieſen wäre. Schöneberg gewährt aber auch als weiteres Aquivalent die Beſtimmung des § 17 Ab. 6, die für Schöneberg ein gewiſſes Opfer bedeutet, für uns aber die Verſtändigung mit Wilmersdorf um ein Erhebliches erleichtern würde. Weniger leicht wird man ſich in die Be⸗ ſtimmungen der §§ 11 und 14 hineinfinden können, die die Fortſetzung der Untergrundbahn über den Nollendorfplatz und die Verpflichtung ihrer Fort⸗ ſetzung zum Gegenſtande haben. Im § 11 iſt die Verpflichtung zur Fortſetzung nach Ablauf von 7 Jahren ausgeſprochen, und im § 14 wird dieſe Verpflichtung quasi dadurch unwirkſam gemacht, daß ſie rechtlich nicht einklagbar ſein ſoll. Meine Herren, dieſe Faſſung, die zunächſt etwas unbegreif⸗ lich erſcheint, iſt dadurch zuſtande gekommen, daß die Schöneberger Stadtverordnetenverſammlung, alſo unſere Kollegen, dieſen § 14 in den urſprüng⸗ lichen Vertrasgentwurf hineingebracht haben. Da⸗ her erſcheint hier formell ein Widerſpruch. Materiell kann man das Vorgehen unſerer Kollegen in Schöneberg durchaus begreifen. Ich würde meine Zuſtimmung auch nicht geben, wenn eine derartige Verpflichtung von uns verlangt würde, heute nach vielen Jahren eine Bahn nach Berlin C zu bauen, die ungeheure Koſten verſchlingen würde, alſo zu einer Zeit, wo man über das Schickſal der urſprünglichen Projekte gar nicht im klaren iſt. Dieſe Verpflichtung erſcheint mir zu groß, und ich kann es nur richtig finden, wenn ſich die Schöne⸗ berger in dieſem Punkte unſern Wünſchen nicht ſo gefügig gezeigt haben, als man vielleicht urſprünglich angenommen hatte. Man kann aber auch, ſachlich geſprochen, hier ganz ruhig der Zukunft ver⸗ trauen; denn es können ſich nur zwei Fälle ereignen. Entweder erweiſt ſich das Projekt der Fortſetzung der Bahn nach Berlin C als überflüſſig, und die