Sitzung vom 23. Juni 1909 285 die Abwäſſer von Schöneberg und Wilmersdorf zuſammengeſchrieben hat, überhaupt noch zu keinem ſo lange in unſere Kanaliſation zu übernehmen, wie dieſe Gemeinden eine eigene Kanaliſation nicht haben. Während des Baues der Schöneberger Kanaliſation hat ſich die Notwendigkeit ergeben, den Grundwaſſerſpiegel tiefer zu legen und aus den Baugruben eine große Menge von Waſſer in unſere Kanaliſation hineinzupumpen. Dabei haben ſich Mißſtände auf unſern Rieſelfeldern herausgeſtellt, und nach der Anſicht unſerer Ver⸗ waltung ſind uns bedeutende Mehrkoſten erwachſen, die uns nach dem Wortlaute des Vertrages nicht hätten erwachſen dürfen. Dies iſt der einfache Tatbeſtand. Aber dunkel, meine Herren, iſt die Rechts⸗ frage. Altere Einwohner dieſer Stadt, auch ältere Mitglieder dieſer Verſammlung haben den Schwarzen Graben, an den ich zur Klarlegung der Rechtslage anknüpfen muß, noch gekannt. Auch ich erinnere mich, die Betanntſchaft dieſes dunklen Ehrenmannes gemacht zu haben; aber ich kann wohl ſagen, daß es keine Bekanntſchaft war, von der man ſagen kann: ich habe mich gefreut, ſie zu machen. Gerade im Sommer war der Schwarze Graben ein ſehr unangenehmer Komparent, und das Erinnerungsbild, das ich in meiner Naſe hatte, (Heiterkeit) ſtieg mir ſehr lebhaft wieder auf, als ich in dem Schriftſatze des gegneriſchen Anwalts eine ſteck⸗ briefartig genaue Beſchreibung dieſes Waſſerlaufs las, der aus dem Wilmersdorfer See entſpringt, dann in einem großen Bogen von 8 km Länge ſich über die Gefilde von Wilmersdorf, Friedenau und Schöneberg ergießt, dort überall die Fäkalien und Abwäſſer in ſich aufnimmt, um ſich dann mit dieſen ſchwer beladen in die Spree zu ergießen, und zwar ausgerechnet neben der Flora, dem ehemaligen Heim des Blumenduftes und der Roſen — ein gewiſſer Kontraſt der Gerüche und der Begriffe. (Heiterkeit.) Meine Herren, an dieſe etwas eingehende Schilderung muß ich anknüpfen, weil die Gegen⸗ ſeite in Anſpruch nimmt, daß der Graben gar kein Graben, ſondern ein natürlicher Flußlauf wäre und daher der natürliche Vorfluter für alle die Wäſſer, für welche Schöneberg und Wilmersdorf vorflutberechtigt geweſen ſind. Unſer Standpunkt iſt ein anderer. Wir ſtützen uns auf eine Be⸗ ſtimmung unſeres Vertrags, worin es heißt, daß nur die Abwäſſer des Schwarzen Grabens in unſere Kanaliſation aufgenommen werden können, daß man unter Abwäſſer nicht ſolche Wäſſer ver⸗ ſtehen könne, die aus Baugruben künſtlich in dieſen Kanal hineingepumpt werden. Unſer Standpunkt kompliziert ſich aber dadurch, daß im November des Jahres 1903 auf Anregung oder auf Druck der Behörde, möchte ich lieber ſagen, eine Art Vereinbarung zuſtande gekommen iſt, die die Gegenpartei als einen Vergleich auffaßt, obgleich eine Protokollierung gerade das Gegen⸗ teil behauptet. Meine Herren, Sie werden mir zugeben müſſen, daß hier mit guten Gründen von beiden Seiten gekämpft wird und daß, ſo dunkel die Rechtslage iſt, noch dunkler die Vorausſicht, wann dieſer Streit jemals beendet ſein wird. Sie werden mir das vielleicht glauben, wenn ich Ihnen mitteile, daß es nach fünf⸗ oder ſechsjährigem Streit, nachdem man Attenſtücke dickleibigen Umfangs Termin gekommen iſt, daß man alſo ſachlich eigent⸗ lich noch nicht verhandelt hat. Vollkommen dunkel iſt die Ausſicht, wer dieſen Prozeß gewinnen wird; aber noch dunkler iſt die Möglichkeit, unſern Ent⸗ ſchädigungsanſpruch geltend zu machen. Gibt man uns ſelbſt recht, tritt man unſern Ausführungen bei und erkennt ſie als berechtigt an, ſo wird es ungeheuer ſchwer ſein — das finden Sie auch in der Magiſtratsvorlage —, die Entſchädigungs⸗ forderungen, die von dem Magiſtrat ausgerechnet worden ſind, auch wirklich zu beweiſen und ſo zu beweiſen, daß ſie das Gericht als berechtigt anerkennt. Ich glaube, die Sachlage ſchreit förmlich nach einem Vergleich. Auch wenn wir es nicht ſchon wegen der Frage der Untergrundbahn für zweck⸗ mäßig halten müßten, mit Schöneberg in allen Punkten reine Bahn zu ſchaffen, ſo glaube ich, iſt dieſer Vergleich wirklich fett gegenüber dem, was wir aus einem Prozeß herausholen könnten. Ich möchte alſo bitten, daß die Herren, die im Aus⸗ ſchuß ſein werden, für die Annahme dieſes Ver⸗ gleiches ſtimmen. Laſſen wir den Schwarzen Graben nunmehr in den Akten ruhen, gießen wir ihm keine ſchwarzen Tintenſtröme nach und geben wir unſerm Rechtsbeiſtande, unſerm Syndikus, Zeit, ſich lieber mit andern beſſeren und vorteil⸗ hafteren Rechtsfragen zu beſchäftigen, die uns etwas einbringen, z. B. mit der Untergrundbahn. (Bravo!) Stadtv. Hirſch: Meine Herren, ich habe nicht die Abſicht, dem ausführlichen Referat des Herrn Kollegen Frentzel noch viel hinzuzufügen, nament⸗ lich da ich ſehe, daß das Intereſſe an der Angelegen⸗ heit, wenn man wenigſtens von der Beſetzung des Hauſes auf das Intereſſe an der Sache ſchließen darf, recht gering iſt. Ich möchte mich mit der Er⸗ klärung begnügen, daß meine Freunde im Prinzip der Vorlage zuſtimmen; wir behalten uns aber vor, im Ausſchuß eine Reihe von Einzelheiten zu er⸗ örtern. Nur ein Punkt erſcheint mir ſo wichtig, daß ich es doch für notwendig halte, ihn hier zur Sprache zu bringen. Das iſt nämlich die Tatſache, daß in einem dieſer Verträge die Streikklauſel ſeitens des Ma⸗ giſtrats zur Aufnahme vorgeſchlagen wird; das heißt, der Magiſtrat ſtellt ſich auf den einſeitigen Unternehmerſtandpunkt, wonach bei Arbeitsein⸗ ſtellungen, gleichgültig aus welchen Urſachen ſie entſtanden ſind, ohne weiteres dem Unternehmer eine Friſtverlängerung zugebilligt wird. Ich bitte Sie, den § 11 des Vertrages zwiſchen Charlotten⸗ burg und Schöneberg betreffend Bau von Unter⸗ grundbahnen auf Seite 323 durchzuleſen; Sie werden da die Worte finden: Höhere Gewalt, wie überhaupt Behin⸗ derungen, durch welche die Erfüllung dieſer Verpflichtung ohne Verſchulden der Stadt⸗ gemeinde Schöneberg aufgehalten wird, wie z. B. Arbeitseinſtellungen, Nichterlangung einer Baubewilligung uſw. entlaſten ſie jedoch für die Dauer der Behinderung von der Er⸗ füllung der Bauverpflichtung. Wir haben natürlich nichts dagegen, daß höhere Ge⸗ walt, wie z. B. Nichterlangung einer Baubewilli⸗ gung oder dergleichen, die Unternehmer für die Dauer der Behinderung von der Erfüllung der Bauverpflichtung entlaſtet; das halten wir für