Sitzung vom 23. Juni 1909 bedingt zuſtimmen werden, obgleich ich annehme, daß die Gründe, welche damals zur Annahme der Vorlage führten, heute noch mit verſtärkter Wucht und Kraft in Geltung ſind. Daher kommt es auch wohl, daß meine Freunde, die damals teilweiſe zur Negation kamen, jetzt der Magiſtratsvorlage ziemlich einſtimmig zuſtimmen wollen. (Stadtv. Hirſch: Hört, hört!) Ich erkenne ohne weiteres an, daß die Gründe, die damals von der Oppoſition geltend gemacht wurden und die wahrſcheinlich auch heute noch geltend gemacht werden, bis zu einem gewiſſen Grade durchaus gut und berechtigt ſind. Es iſt etwas ſehr Unangenehmes, wenn man minder⸗ bemittelten und unbemittelten Volksklaſſen — um die handelt es ſich hier — neue Laſten gerade zu einer Zeit auferlegen ſoll, wo Krankheiten be⸗ ſondere Not und erhöhte Ausgaben in dieſe Kreiſe hineintragen. Deswegen nehmen wir dieſe Vorlage auch durchaus nicht gern und mit leichtem Herzen an, ſondern nur deswegen, weil wir glauben, daß die Gründe, die der Magiſtrat dafür anführt, ſo triftig ſind, daß der Druck der Verhältniſſe ſo groß iſt, daß wir ihm nachgeben müſſen. Welche Verhältniſſe es ſind, die uns zur An⸗ nahme dieſer Vorlage meiner Meinung nach zwingen, wiſſen Sie. Es ſind dieſelben Verhältniſſe, die gleichſam eine Baſis für die Beſoldungsvor⸗ lagen gebildet haben, die wir in den letzten Sitzungen und in der heutigen Sitzung behandelt haben. Es ſind die Zuſtände auf dem Lebensmittelmarkt, die ſich herausgebildet haben, wie ich ſage, dank einer verwerflichen und nicht richtigen Agrar⸗ politik, die in unſerm Reiche herrſcht. Wir, meine Freunde ganz beſonders würden ſich freuen, wenn in dieſer Beziehung eine Wandlung einträte, und wir würden, falls dieſe Wandlung ihren Einfluß auf die Lebensmittelpreiſe ausübte, die erſten ſein, die daran gehen würden, die Kurkoſten für die Krankenhäuſer zurückzurevidieren. Augenblicklich aber ſprechen die Zahlen, die der Magiſtrat uns vorgelegt hat, eine zu beredte Sprache. Sie erſehen aus dieſen Zahlen — die Herren, die dieſe Ver⸗ hältniſſe im Etatsausſchuß gehört haben, wiſſen das —, daß die Zuſchüſſe, die wir an das Kranken⸗ haus zu leiſten haben, ſtets höher werden. Das find erhöhte Lebensmittelpreiſe, erhöhte Löhne, die auf alles das einwirken, was zum Betriebe des Krankenhauſes nötig iſt, auch erhöhte Löhne, die wir unſern Wärtern, Wärterinnen, dem Pflege⸗ perſonal, den Arzten uſw. zu zahlen haben. Es kommt aber noch ein anderer ſehr wichtiger Grund hinzu, der nach meiner Meinung ebenfalls aus⸗ ſchlaggebend iſt, daß nämlich in dieſer Frage eine gewiſſe Übereinſtimmung der in Betracht kom⸗ menden Gemeinden erzielt iſt. Sie werden aus der Magiſtratsvorlage ſehen, daß der Königlich Preu⸗ ßiſche Fiskus auch ohne dieſe Übereinſtimmung mit den übrigen Faktoren einſeitig vorgegangen iſt und in der Charité und den Königlichen Kliniken die Kurkoſtenſätze erhöht hat. Darauf hat im April dieſes Jahres eine Konferenz ſtattgefunden, und man hat ſich da über eine gewiſſe Erhöhung der Kurkoſtenſätze unter den Gemeinden geeinigt. Würden wir nun hier dem Wetteifer folgend hinter Schöneberg zurückbleiben, ſo würde die Folge ſein, daß unſerm Krankenhaus von den Kaſſen z. B., die es möglich machen könnten, ein großes Material zufließen würde, für das wir nun die erhöhten Zu⸗ ſchüſſe aus den Taſchen unſerer die Steuern auf⸗ 287 bringenden Bevölkerung zu zahlen haben würden, von der ſich der größte Teil auch nicht in einer ſo guten Lage befindet, daß er dieſe Steuern ſo leichten Mutes ertragen könnte. Wir müſſen uns auch fragen, wen die Mehr⸗ belaſtung trifft. Sie trifft im weſentlichen die Krankenkaſſen, die Berufsgenoſſenſchaften und aus⸗ wärtige Gemeinden und trifft nur zum kleinſten Teil Private, zum kleinſten Teile deswegen, weil ja in unſerer Gemeinde glücklicherweiſe die Chriſt⸗ ſche Stiftung vorhanden iſt, aus deren Mitteln völlig Unbemittelten die Kurkoſten erſetzt werden können. Was die Krankenkaſſen angeht, ſo muß ich auf dieſe mit einem Wort zurückkommen. Ich ver⸗ kenne nicht, daß die Belaſtung für dieſe Inſtitute recht bedeutend iſt. Aber da doch durch die jetzt in Beratung befindliche Reichsverſicherungsordnung eine völlige Umwälzung in den Krankenkaſſenver⸗ hältniſſen eintreten wird, wobei namentlich die Arbeitgeber zu erhöhten Leiſtungen herangezogen werden ſollen, ſo glaube ich, daß die Krankenkaſſen dieſe ev. zu erhöhenden Beiträge teilweiſe um ſo leichter tragen können, als ja die Hälfte derſelben auf die Arbeitgeber abgewälzt werden wird. (Stadtv. Zietſch: Noch nicht!) Jedenfalls iſt es richtig, dieſe Sätze bereits heute zu beſchließen, bevor eine Anderung der Kranken⸗ kaſſen eintritt, damit die Krankenkaſſen ſich auf dieſe veränderten Verhältniſſe einrichten und ent⸗ ſprechende Vorkehrungen treffen können. Weniger als die andern Beſtimmungen gefällt mir der eigentliche Kampfparagraph, der die Bei⸗ träge für beſtimmte Gemeinden, die nicht das gleiche leiſten, auf 5 ℳ feſtſetzt. Er gefällt mir deswegen nicht, weil dieſer an und für ſich be⸗ rechtigte Kampf gegen gewiſſe Verwaltungsbe⸗ hörden auf dem Rücken von Leuten ausgefochten wird, die abſolut nicht dafür können, daß dieſe Gemeinden in mancher Beziehung noch rückſtändig ſind. Wenn z. B. ein Wilmersdorfer ſich vor unſerm Krankenhauſe das Bein bricht und er, was natur⸗ gemäß iſt, in unſer Krankenhaus geſchafft wird, ſo hat er 5 ℳ pro Tag zu zahlen bloß deswegen, weil die Gemeinde Wilmersdorf mit ihrem Kranken⸗ hausbau im Rückſtande iſt. Ich würde beantragen, dieſen Paragraphen zu ſtreichen, wenn ich nur wüßte, wie man ſich bei der durch das Vorgehen Schönebergs geſchaffenen Lage — das ich auch in dieſem Falle nicht als vorbildlich anſehe — anders helfen könnte, als daß man ebenfalls dieſen Para⸗ graphen einfügt. Ich möchte aber die Hoffnung ausſprechen, daß es durch gemeinſame Verein⸗ barungen mit Schöneberg und auch mit Wilmers⸗ dorf, das ſich bereits nach einem Grundſtück für ein Krankenhaus umſieht, bald möglich ſein wird, dieſen Kampfparagraphen aus der Welt zu ſchaffen und überall gleichmäßige und einheitliche Sätze auf⸗ zuſtellen. Ich empfehle die Annahme der Vorlage ohne Ausſchußberatung. Stadtv. Bogel 1: Meine Herren, die Ver⸗ pflegung im alten Krankenhauſe, ehe das neue fertig gebaut war, koſtete in der erſten Klaſſe für Hieſige 10 ℳ, für Auswärtige 12 ℳ pro Tag, in der zweiten Klaſſe für Hieſige 5 ℳ, für Auswärtige 6 ℳ, in der dritten Klaſſe für einheimiſche Kinder 1,50 ℳ, für Erwachſene 2 ℳ, für auswärtige Kinder 2 ℳ und für auswärtige Erwachſene 3 ℳ. Am