288 Sitzung vom 23. Juni 1909 2. April 1902, als der Bau des neuen Krankenhauſes geklagt. Dazu kommen, wie auch der Herr Vorred⸗ unternommen war, wurde von der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung ein Beſchluß betreffs dieſes neuen Krankenhauſes gefaßt, der 5 Punkte enthält. Uns intereſſiert jetzt nur der Punkt 5, welcher lautet: Der Magiſtrat wird ferner erſucht, darauf Rückſicht zu nehmen, daß bei der Eröffnung des neuen Krankenhauſes der Verpflegungs⸗ ſatz auf mindeſtens 2,50 ℳ pro Kopf erhöht wird. Dieſe Reſolution hatte, wie der Herr Vorredner ſchon erwähnte, eine Diskuſſion hauptſächlich zwiſchen den Liberalen und Sozialdemokraten einerſeits und auf der andern Seite der damals größten Fraktion der Unpolitiſchen zur Folge. Für dieſe Reſolution ſtimmte von den Liberalen nur ein einziger; es war der damalige Stadtv. Heyſe. Die Sozialdemokraten ſtimmten geſchloſſen dagegen. Außerdem ſtimmte von den Unpolitiſchen noch Herr Kollege Gredy dagegen. (Zuruf: Freie Vereinigung!) — Na ja, freie Vereinigung. — Die Reſolution wurde trotzdem angenommen. Der Magiſtrat brachte dann die Vorlage, ſie kam, nachdem eine lebhafte Verhandlung vorhergegangen war, am 20. Januar, 1904 zur Abſtimmung. Der Magiſtrat hatte beantragt, die Verpflegungsſätze in der dritten Klaſſe in folgender Weiſe zu erhöhen: für hieſige Erwachſene auf 2,50 ℳ, für Kinder unter 12 Fahren auf 2 ℳ, für auswärtige Kinder auf 2,50 ℳ; für die erwachſenen Auswärtigen ſollte der Satz von 3 ℳ bleiben. Hierüber fand eine längere Diskuſſion ſtatt. Dabei zeigte ſich ſchon, daß ein größerer Prozentſatz der Liberalen geneigt war, den Anträgen des Magiſtrats zuzuſtimmen, und es ſtellte ſich in der Tat bei der namentlichen Ab⸗ ſtimmung, die ſtattfand, heraus, daß 8 Liberale für und 8 Liberale gegen die Erhöhung ſtimmten. Die Hälfte hatte alſo ſchon umgeſchwenkt. Nun wird nach 5 Jahren ſchon wieder eine weitere Erhöhung beantragt; es wird beantragt, für Einheimiſche, ſowohl für Kinder wie Erwachſene, den Preis auf 3 ℳ, für Auswärtige auf 3,50 vom 1. Oktober ab und für Gemeinden ohne Gegenleiſtung auf 5 ℳ ſofort zu erhöhen. Der Magiſtrat begründet dieſe Erhöhung außer mit den erhöhten Betriebskoſten und dem Hinweis auf die Erhöhung in anderen Kommunen durch folgende Worte: Für die Erhöhung ſpricht ferner der Um⸗ ſtand, daß das Fortbeſtehen der bisherigen geringen Sätze einen vermehrten Andrang zu unſeren Krankenhäuſern zur Folge haben würde, was nicht im Intereſſe der Stadt⸗ gemeinde liegt, da ſchon jetzt die Unter⸗ bringung der Patienten zeitweiſe Schwierig⸗ keiten bereitet hat. Dieſer Furcht hat ja auch der Herr Vorredner Aus⸗ druck gegeben. Meine Herren, denken Sie denn gar nicht daran, daß die Verbreitung von Krank⸗ heiten gerade durch die Unbemittelten erfolgt und daß ſie am meiſten dann erfolgt, wenn dieſe Un⸗ bemittelten nicht in den Krankenhäuſern behandelt werden? Deshalb iſt es ein Grundzug der heutigen modernen Hygiene, die unbemittelten Kranken ſoviel wie möglich in Krankenhäuſern zu verpflegen, wo eine Ausbreitung von anſteckenden Krankheiten beſſer verhütet werden kann. Es wird ja ſo oft über die ſchlechten hygieniſchen Zuſtände der Wohnungen ner erwähnt hat, jetzt die ſchlechten wirtſchaftlichen Zuſtände, oft ungenügende Ernährung und in den meiſten Fällen ungenügende Desinfektion. In den Krankenhäuſern iſt dafür genügend geſorgt, nur ſie bieten Schutz gegen eine Verſchlechterung des allgemeinen Geſundheitszuſtandes. Eine weitere Folge der Erhöhung der Ver⸗ pflegungsſätze würde ſein, daß nicht allein weniger Private die Krankenhäuſer aufſuchen, ſondern auch die Krankenkaſſen nicht imſtande wären, ſo viele Patienten in die Krankenhäuſer zur Verpflegung zu geben, wie ſie es bisher getan haben. Die Wiedererlangung der Arbeitskraft würde dadurch verzögert, und die Armenverwaltung würde ent⸗ ſchieden mehr in Anſpruch genommen werden. Wir ſind in der erfreulichen Lage, gerade in der heutigen Vorlage eine Ausführung zu finden, daß der Zuſchuß an die Armenverwaltung im Vorjahre weſentlich geringer geweſen iſt, als die Einſtellung im Voranſchlag betragen hat. Wenn Sie aber den Krankenhäuſern die Möglichkeit nehmen, die Ar⸗ meren in genügender Zahl aufzunehmen, dann iſt es unausbleiblich, daß die Koſten der Armenver⸗ waltung wieder größer werden. Unſere Stadt hat das große Renommee, eine der geſündeſten in Deutſchland zu ſein. Wollen Sie es riskieren, daß dieſes Renommee durch die unausbleiblichen Folgen eingeſchränkter Krankenhauspflege ge⸗ ſchädigt wird? Ich glaube nicht, daß Sie das ver⸗ antworten können und daß Sie den Vorwurf, der dann Ihnen mit Recht gemacht würde, ertragen wollten. Deshalb werden Sie, denke ich doch, nicht nur für die Auswärtigen, wie der Herr Vor⸗ redner ſchon geſagt hat, ſondern auch für die ganze dritte Klaſſe den Satz nicht erhöhen. Die Ver⸗ pflegung der Kranken im Krankenhauſe iſt doch ſo weſentlich für die öffentliche Hygiene, daß man ſich da auf die Erhöhung der Betriebskoſten nicht ſtützen darf. Meine Herren, wenn Sie aber durchaus die Krankenkoſten erhöhen wollen, dann möchte ich Sie bitten, nicht bloß bei der dritten Klaſſe zu bleiben, ſondern auch die erſte und zweite Klaſſe zu erhöhen, die das im allgemeinen doch beſſer ertragen können. Ich ſtelle daher den Antrag, für den Fall, daß Sie durchaus die Sätze für die dritte Klaſſe erhöhen wollen, den Verpflegungsſatz in der zweiten Klaſſe für Hieſige auf 7 ℳ, für Auswärtige auf 8 ℳ, in der erſten Klaſſe für Hieſige auf 12,50 ℳ, für Aus⸗ wärtige auf 15 ℳ zu erhöhen. Es wäre mir aber lieber, wenn das nicht nötig wäre, wenn Sie über⸗ haupt von einer Erhöhung abſehen würden. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, wenn man die Frage der Kurgelder von all⸗ gemeinen Geſichtspunkten auffaßt, ſo wird man ſagen müſſen, daß eine Feſtſetzung beſtimmter Be⸗ träge unſeren heutigen ſozialen Anſchauungen über⸗ haupt nicht entſpricht. Ich gebe vollkommen den⸗ jenigen recht, die ſagen: beim Krankſein ſoll man nicht diejenigen, die ſich in ſchlechter Lage befinden, in eine beſonders ungünſtige Lage bringen. Ich ſtehe daher auf dem Standpunkt, daß man die Kurgelder in Verbindung bringen ſollte mit der Steuerleiſtung der Betreffenden. Dieſer Geſichts⸗ punkt iſt aber bisher im Deutſchen Reiche noch nicht durchgeführt worden und auch noch nicht in Kom⸗ munen durchgeführt worden. Alſo müſſen wir uns auf den Standpunkt ſtellen, dem wir bisher