290 gehabt hat. Sehr richtig! Er fragt ſich nur, ob wir Beteiligten. daraus für unſere Krankenhäuſer Folgerungen ziehen ſollen. Dann wären wir noch ſchlimmer als die Agrarier! Die Agrarier nehmen das Geld nur von den Geſunden, während wir im Begriffe ſind, es von den Kranken zu nehmen. Ich möchte doch bitten, das reiflich zu bedenken und eine ſolche Vorlage rundweg abzulehenn, die ſich der ganzen agrariſchen Politik, die der Herr Referent ſo entſchieden verurteilt, würdig anpaßt. Der Herr Referent meinte, man könnte, wenn die Lebensmittelpreiſe wieder billiger würden, die Verpflegungsſätze rückwärts revidieren. Meine Herren, wenn die Lebensmittel überhaupt wieder billiger werden und wir mit dem Antrage kämen, die Verpflegungsſätze wieder herabzuſetzen, dann, ich bin überzeugt, wären der Herr Referent und ſeine Freunde die erſten, die über den Antrag zur Tagesordnung übergehen würden. Während früher eine beträchtliche Anzahl der Liberalen wenigſtens ſozial noch ſo vorgeſchritten geweſen iſt, daß ſie mit uns gegen die Erhöhung der Krankenpflege⸗ ſätze ſtimmte, hat heute der Herr Referent im Namen ſeiner Fraktion die Erhöhung der Pflege⸗ ſätze befürwortet. Wir haben alles Intereſſe daran, dieſen Wandel in den Anſchauungen der Liberalen einmal feſtzuſtellen, und einmal feſt⸗ zunageln, welche Herren es diesmal fertig bringen, dieſer Vorlage des Magiſtrats ihre Zuſtimmung zu geben. Aus dieſem Grunde werden meine Freunde namentliche Abſtimmung über die Vor⸗ lage des Magiſtrats beantragen. (Sehr gut! bei den Liberalen.) — Ja, meine Herren, das iſt durchaus notwendig, daß die Namen der Herren, die fort und fort der Bevölkerung neue Laſten auferlegen und nichts weiter für ſie übrig haben als ſchöne Redens⸗ arten, hier feſtgenagelt werden. Ob es ihnen angenehm iſt oder nicht, iſt uns gleichgültig. Steckbriefe ſind niemals angenehm. Nun noch ein Wort in bezug auf die Kranken⸗ kaſſen. Herr Kollege Stadthagen ſagt: ach Gott, die Krankenkaſſen können das ja zahlen, das iſt nicht ſo ſchlimm; und der Herr Referent wies auf die neue Vorlage hin, die im Reiche in Ausſicht ſtehe, auf die Reichsverſicherungsordnung, die ſich ja noch nicht einmal zu einer Vorlage für den Reichs⸗ tag verdichtet hat. Erſtens wiſſen wir noch nicht, ob dieſe Vorlage Geſetz wird, wir wiſſen noch gar nicht, ob die Arbeitgeber die Hälfte oder ein Drittel oder die ganzen Beiträge zahlen. In Wirklich⸗ keit ſind es aber doch die Arbeiter, die die Ver⸗ ſicherungsbeiträge zahlen; die Arbeitgeber ver⸗ ſtehen es ſehr wohl, das, was ſie an Verſicherungs⸗ beiträgen zahlen, den Arbeitern wieder abzunehmen, indem ſie die Arbeitslöhne kürzen. Graf Poſa⸗ dowsky hat im Reichstage ganz unumwunden erklärt, daß die Verſicherungsbeiträge als ein Teil des Lohnes zu betrachten ſind. Im Effekt kommt es alſo darauf hinaus, daß die Arbeitnehmer und nicht die Unternehmer die Verſicherungsbeiträge ganz zahlen. Deshalb iſt es ganz unangebracht, zu ſagen, es iſt nicht ſo ſchlimm, daß die Krankenkaſſen be⸗ aſtet werden, denn dazu tragen die Arbeitgeber a auch bei. Infolgedeſſen iſt es auch ganz gleichgültig, daß der Magiſtrat in der Vorlage ſich noch rühmt, daß er nicht Knall und Fall die Sätze erhöht hat, ſondern ſo gnädig iſt, bis zum 1. Oktober zu warten. Er meint, das wäre eine Rückſichtnahme gegen die Sitzung vom 23. Juni 1909 Meine Herren, über den Begriff Rückſichtnahme kann man verſchiedener Auffaſſung ſein. Die einen betrachten es als zarte Rückſicht, wenn man ſagt: warte noch ein Vierteljahr, dann werde ich dich abmurkſen. (Heiterkeit.) — Daß Sie weiter nichts als ein Lachen dafür übrig haben, das iſt auch recht charakteriſtiſch für die Herren Liberalen, die mmer ſo tun, als ob ſie etwas für das Volk übrig haben! Wenn der Magiſtrat wirklich auf die Beteiligten Rückſicht nehmen will, dann darf er überhaupt mit einer derartigen Vorlage nicht kommen. Ich bedaure es lebhaft, daß man hier die Intereſſen der Volks⸗ geſundheit beiſeite läßt und ſich auf den Stand⸗ punkt ſtellt, daß die Höhe der Verpflegungsſätze in Krankenhäuſern im Grunde genommen bemeſſen wird nach dem Selbſtkoſtenpreiſe. Meine Herren, ſo handelt ein Kaufmann; der überlegt ſich genau: was koſtet mich die Ware, und was habe ich infolge⸗ deſſen zu verlangen? So darf aber nicht eine Stadt⸗ verwaltung handeln, die auf den Ruhm ſozial⸗ politiſcher Einſicht etwas hält. Ich bedaure es lebhaft, daß der Magiſtrat in dieſem Jahre bereits wieder mit einer derartigen Vorlage gekommen iſt. Allzu große Hoffnung, daß ſie abgelehnt wird, habe ich ja nicht. Aber, meine Herren, wir werden wenigſtens durch die namentliche Abſtimmung die Namen der Herren feſtſtellen, die es über ſich gewinnen, in dieſem Moment, wo die Bevölkerung von allen Seiten aufs ſchwerſte bedrückt wird, auch ihrerſeits der Charlottenburger Bevölkerung neue Laſten aufzubürden. Stadtrat Dr. Gottſtein: Ich kann Herrn Stadtv. Hirſch in dem einen Punkte zuſtimmen, daß man die Feſtſetzung der Krankenhauskoſten nicht lediglich nach dem Geſichtspunkte der Selbſt⸗ koſten vornehmen darf. Denn die Überführung der Patienten in die Krankenhäuſer dient geſund⸗ heitlichen Zwecken. Wir müſſen uns beſtreben, wie Herr Stadtv. Vogel ſchon ausgeführt hat, einen beträchtlichen Bruchteil der Fälle von an⸗ ſteckenden Erkrankungen in die Krankenhäuſer überzuführen im Intereſſe der geſamten Be⸗ völkerung, und die Vorteile, die wir aus dieſem Vorgehen erzielen, ſind unter Umſtänden ſo er⸗ heblich, daß ſie ſich aufwiegen laſſen gegenüber den Zuſchlägen, die wir zu den Selbſtkoſten in den Krankenhäuſern zu tragen haben. Das aber ohne weiteres zugegeben, muß ich doch Einſpruch dagegen erheben, daß Herr Stadtu. Hirſch die Magiſtratsvorlage als ſchlecht bezeichnet Zutreffend iſt es allerdings, wie der Herr Bericht⸗ erſtatter Stadtv. Dr Frentzel ſchon ausgeführt hat, daß ſowohl in der Krankenhausdeputation als im Magiſtrat wir es als bedauerlich empfunden haben, eine derartige Vorlage der Stadtverordneten⸗ verſammlung machen zu müſſen. Denn es iſt immer bedauerlich, die Krankenhauskoſten erhöhen zu müſſen. Die Gründe hat der Herr Berichterſtatter ſehr richtig ausgeführt. Herr Stadtv. Hirſch hat in der Hervorhebung der Tatſache, daß unſere ärmeren Bevölkerungs⸗ klaſſen durch unſere Vorlage aufs ſchwerſte be⸗ laſtet ſeien, ſich auf die Ausführungen des Herrn Stadtv. Vogel berufen. So wie ich Herrn Stadtv. Vogel verſtanden habe, war er ein Befür⸗ worter der Magiſtratsvorlage. (Stadtv. Vogel 1: I bewahre!)