Sitzung vom 23. Juni 1909 — Ich will das gleich beweiſen. Herr Stadtv. Vogel war Mitglied der Krankenhausdeputation und hat die Gründe des Magiſtrats richtig ge⸗ würdigt; ſoviel ich weiß, war er auch nicht dagegen bei der Abſtimmung. So wie ich ihn verſtanden habe, ſprach Herr Stadtv. Vogel zugunſten der Magiſtratsvorlage. Er ſagte nach meinen Notizen: er ſpräche im Intereſſe der Unbemittelten; wir müßten das Intereſſe der Unbemittelten und der in den Krankenkaſſen Verſicherten wahrnehmen. Ich bitte gegenüber den Ausführungen des Herrn Stadtv. Hirſch, daß die allerſchwerſte Belaſtung der Unbemittelten eintreten würde, ſich die Zahlen tlarzumachen; es laſſen aus dem Verwaltungs⸗ berichte ſich zahlenmäßige Schlüſſe ziehen. Es wird ſich um eine Mehreinnahme von rund 100 000 ℳ bei dieſer Erhöhung handeln. Dieſe Mehreinnahme bringt nicht die unbemittelte Be⸗ völkerung auf; denn ein großer Teil aller Er⸗ krankten, über 25%, wird ja von der Armenver⸗ waltung den Krankenhäuſern überwieſen. Dieſe Koſten trägt die Stadt, und um dieſe Summe vermindert ſich dann auch die Einnahme der Stadt. Es hat ſich, wie der Herr Berichterſtatter aus⸗ geführt hat, auch gar nicht darum gehandelt, der Stadt Mehreinnahmen zuzuführen; die Un⸗ bemittelten werden überhaupt nicht dadurch ge⸗ troffen. Allerdings tritt eine Mehrbelaſtung der Krankenkaſſen ein, eine bedauerliche Mehrbelaſtung, aber ihre Höhe bewegt ſich in einem ſo geringen Prozentſatz, der weit übertroffen wird durch die Belaſtung, die z. B. eine Influenza hervorrufen wird. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Die Influenza iſt nicht zu vermeiden!) — Die Influenza iſt nicht zu vermeiden, dieſe Mehrbelaſtung der Krankenkaſſe iſt aber auch nicht zu vermeiden. Denn wenn wir uns dem Vorgehen der andern Städte nicht angeſchloſſen hätten, ſo würden unſere Krankenhäuſer in eine große Über⸗ füllungsnot kommen, und es würde dann die Ge⸗ ſundheit unſerer Stadt geſchädigt werden, dann erſt würde gerade das eintreten, was der Herr Stadtv. Vogel befürchtet. (Sehr richtig!) Denn es würden nach einem einfachen phyſi⸗ kaliſchen Geſetz von allen Städten der Umgebung die Kranken nach Charlottenburg zuſtrömen, (Lachen bei den Sozialdemokraten) und die für unſere Einwohner beſtimmten Betten würden von ihnen in Beſchlag genommen werden, und Mangel würde eintreten für die Char⸗ lottenburger Kranken. (Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Ich bitte Sie, die Vorlage aus den hier ange⸗ führten Gründen anzunehmen gerade im Intereſſe der Geſundheit unſerer Bevölkerung. (Bravo!) Stadtv. Bogel 1: Meine Herren, daß ich ein Befürworter der Vorlage ſein ſoll — das hat wohl Herr Stadtrat Dr Gottſtein allein aus meinen Worten herausgehört. Was zunächſt den Vor⸗ wurf betrifft, ich hätte in der Krankenhausdepu⸗ tation für die Erhöhung geſtimmt, ſo iſt das ent⸗ ſchieden ein Irrtum. Ich habe geſagt: dieſe Ab⸗ ſtimmung iſt nur eine vorläufige, es wird von der Annahme im Plenum abhängen, ob dieſe neuen Sätze eingeführt werden. Ich habe damals aus⸗ 291 drücklich erklärt, daß ich die Abſtimmung nicht für definitiv nehmen kann. Wenn dann Herr Kollege Dr Stadthagen und ebenſo Herr Stadtrat Dr Gottſtein erklärt haben, wenn wir von der Erhöhung abſehen, dann werden die Kranken von den Nachbargemeinden nach Charlottenburg herüberkommen, ſo iſt gerade dasſelbe geſagt worden, als wir beantragten, ein Aſyl für Obdachloſe und ein Familienhaus hier zu errichten. Da hieß es: ja, dann kommt die ganze Bagage, das ganze Geſindel alles nach Charlottenburg. Ganz dasſelbe Schema, dieſelbe Redensart iſt es hier! Ich gebe ja Herrn Stadtrat Dr Gottſtein zu, daß prozentual die kleinen Handwerker, die nicht in Krankenkaſſen ſind, mehr getroffen werden als die Arbeiter, die in Krankenkaſſen ſind. Da fällt eben die Laſt mehr auf die Krankenkaſſen ſelbſt und dann indirekt mehr auf die Mitglieder der Krankenkaſſen. Aber gerade für Leute, für die kleinen Handwerker, die nicht in den Krankenkaſſen ſind — und deren gibt es ſo ungeheuer viele, die vielleicht früher einmal darin waren, die wegen Arbeitsloſigkeit ausgetreten und dann nicht wieder eingetreten ſind — wenn Sie gerade deren Intereſſen wahrnehmen wollen, dann wäre es Ihre Pflicht, für die Annahme unſeres Antrages zu ſtimmen. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Berichterſtatter Stadtv. Dr. Frentzel (Schluß⸗ wort): Meine Herren, wenige Worte nur! Herrn Kollegen Stadthagen möchte ich bemerken, daß ſein Idee, die Krankenhausſätze nach dem Steuer⸗ zettel, ſie auch ſelbſt in der erweiterten Form, die Herr Kollege Hirſch angeregt hat, nach dem Ein⸗ kommen zu bemeſſen, zunächſt etwas Beſtechliches hat. Ich möchte aber doch auch bemerken, daß auch das Einkommen nicht immer den richtigen Index für die wirkliche Wohlhabenheit, das heißt für das, was man eventuell übrig hat, abgibt; da kommen die ganzen Familienverhältniſſe in Betracht. Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Vogel 1 möchte ich bemerken, daß ſeine Betrach⸗ tungen über die 2. und 1. Klaſſe einer gewiſſen guten Begründung auch nicht entbehren. Aber ich ſtelle mich auf den Standpunkt des Herrn Kollegen Stadthagen, daß augenblicklich die Löſung dieſer Frage deswegen nicht in Angriff genommen werden kann, weil wir eine eigentliche 1. und 2. Klaſſe gar nicht haben. Kommt aber ein Haus mit 1. und 2. Klaſſe, ſo werden wir auch dieſe Geſichtspunkte, die der Vorlage zugrunde liegen, noch einmal prüfen und eventuell auf die Kranken 1. und 2. Klaſſe in Anwendung zu bringen haben. Widerſprechen muß ich Herrn Kollegen Vogel darin, daß durch die Erhöhung der Sätze die Volks⸗ geſundheit zurückgehen könnte. Es könnte das nur geſchehen, wenn weniger Kranke das Kranken⸗ haus aufſuchen. Demgegenüber ſteht die Er⸗ fahrung, daß ſeit der Erhöhung der Krankenhaus⸗ ſätze im Jahre 1904 eine ſtändig höhere Belegung der Krankenhäuſer als die ſteigenden Ziffern der Einwohnerſchaft ſtattgefunden hat. Nun komme ich zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Hirſch. Er hat allgemein unſerer Verſammlung den BVorwurf gemacht: ſie läuft allgemein den Gemeinden nach, wo ſie etwas