Sitzung vom 23. Juni 1909 3 Perſonen ſo dringend notwendig? Mein Zweifel an der Notwendigkeit wird beſonders verſtärkt durch den Ihnen allen bekannten in den Zeitungen mehrfach beſprochenen ausgezeichneten Erlaß des Miniſters des Innern und der Finanzen vom 16. April d. I. betr. die Reiſetätigkeit der Beamten, welcher ſich namentlich über die Einſchränkung der Dienſtreiſen zu Kongreſſen ſo ſchön ausſpricht, daß ich nich's Beſſeres tun kann, als Ihnen aus dieſem Erlaß einen Satz vorzuleſen: Eine beſondere Beſchränkung wird die Beſchickung von Kongreſſen, Verſammlungen und ähnlichen Veranſtaltungen erfahren müſſen. Derartige Veranſtaltungen haben ſich in letzter Zeit ſehr erheblich vermehrt, und ganz beſonders hat die Zahl der zu ihr entſandten Beamten zugenommen. Der Nutzen der Teilnahme der Beamten an dieſen Veranſtaltungen iſt im allgemeinen nur ge⸗ ring. Mit der zunehmenden Häufigkeit hat ſich ihr durchſchnittlicher Wert und der Gehalt deſſen, was auf ihnen geboten wird, nicht erhöht. Ihre feſtliche, mehr auf die Dar⸗ bietung von Vergnügungen gerichtete Seite, iſt vielfach ganz unverhältnismäßig aus⸗ gebildet. Bei allen angezogenen Veranſtal⸗ lungen aber werden die wohlvorbereiteten Vorträge, mit denen die ſachlichen Verhand⸗ lungen eingeleitet zu werden pflegen, durch⸗ weg nachher dem Druck übergeben und ent⸗ gehen daher dem ſich für den Gegenſtand intereſſierenden Beamten nicht; dagegen führt die freie Distuſſion auf den Verhandlungen meiſt nur in ſehr geringem Maße zu einer wirklichen Bereicherung der Erfahrungen. Als eigentlicher Wert bleibt ſomit regelmäßig für die Teilnehmer nur die ſogenannte per⸗ fönliche Fühlungnahme und der private Gedankenaustauſch. Ihre Bedeutung muß aber in den meiſten Fällen zweifelhaft er⸗ ſcheinen, da das unruhige Durcheinander von Arbeit und Zerſtreuung nur ſelten Be⸗ ziehungen entſtehen läßt, die einen ernſten, nachhaltigen Meinungsaustauſch geſtatten. Auch bei der an die Verſammlungen häufig angeſchloſſenen Beſichtigung wird den daran teilnehmenden Beamten die Gelegenheit zur eingehenden Information durch die große Zahl der übrigen Teilnehmer nur verkürzt. Aus dieſen Gründen weſentlich komme ich mit dem Erlaß zu dem Ergebnis, daß die Teilnahme der Beamten an Kongreſſen möglichſt eingeſchränkt werden muß. Es iſt notwendig, auf das minutiöſeſte zu prüfen, ob die Teilnahme in dienſtlichem In⸗ tereſſe der Beamten ſo dringend notwendig iſt. Ich glaube, wir können uns allen dieſen Gründen anſchließen. Wir ſind übrigens, abgeſehen von den grundſätzlichen Bedenken im vorliegenden Falle nicht dagegen, daß der Magiſtrat insbeſondere auf Grund ſeiner Mitgliedſchaft und auf Grund der Tatſache, daß dort intereſſante Gegenſtände zur Beratung kommen, jemanden aus dem Schoße des Magiſtrats entſendet. Aber ich glaube, wenn wir nun einmal in der Ara der Sparſamkeit leben, iſt es doch wirklich dringend notwendig, wenn es ſich auch um eine nicht ſo bedeutende Summe handelt — es handelt ſich um 850 ℳ, die gefordert werden —, daß wir in einem ſolchen Falle dem Verlangen Rechnung tragen und, wie ich namens der Mehrheit meiner Freunde beantrage, nur eine 293 Perſon entſenden. Das wird vollſtändig genügen. Ich glaube, auch ſchon aus dem einen Grunde, weil bei einer derartigen Vertretung die Einheitlich⸗ keit vielmehr zur Geltung kommt, wenn nur eine Perſon kommt, als wenn mehrere Perſonen er⸗ ſcheinen. Und zu repräſentativen Zwecken wollen wir doch mehrere Perſonen nicht hinſenden. Ich bitte Sie daher im Namen der Mehrheit meiner Freunde: ſtimmen Sie zu, den Magiſtrat zu bitten, nur eine Perſon zu entſenden, und lehnen Sie die Vorlage ab. Bürgermeiſter Matting: Ich möchte zunächſt mitteilen, daß gerade bei den Tagungen des Kongreſſes für öffentliche Geſundheitspflege das Moment der Repräſentation vollſtändig aus⸗ geſchaltet iſt; es findet keine öffentliche Begrüßung oder ſonſtige Feſtlichkeit ſtatt. Die ganzen Ver⸗ handlungen ſind nur der ſachlichen Beratung gewidmet. Zweitens halte ich mich doch für verpflichtet, die Gründe, welche den Magiſtrat bewogen haben, gerade dieſen Kongreß in dieſem Jahre ſtärker zu beſchicken als früher, mit einigen Worten noch klarzuſtellen. Herr Stadtverordneter Holz iſt nicht auf die Gegen⸗ ſtände der Tagesordnung dieſes Kongreſſes ein⸗ gegangen. Ich möchte daher beſonders darauf hinweiſen, daß das Wohnungsweſen und die Organiſation der Wohnungsämter auf der Tages⸗ ordnung ſteht, und daß vor allen Dingen bei dieſer Gelegenheit die Züricher muſtergültigen Ein⸗ richtungen auf dieſem Gebiete beſichtigt werden ſollen. Meine Herren, wenn wir unſere Vor⸗ bereitungen für die Einrichtung des Wohnungs⸗ amtes von vornherein etwas weiter hätten aus⸗ dehnen wollen, ſo hätte es ſehr nahe gelegen, damals die Kommiſſion, die die Städte mit Woh⸗ nungsämtern beſichtigt hat, auch nach Zürich zu entſenden. Das ſoll nun bei dieſer Gelegenheit nachgeholt werden, inſofern als ein Vertreter dieſes Dezernats beſonders an dieſem Kongreſſe beteiligt wird. Im übrigen hat es bisher zu den dankens⸗ werten Gepflogenheiten der ſtädtiſchen Ver⸗ waltung gehört, dieſen Kongreß ſeiner hervor⸗ ragenden Bedeutung gemäß mit zwei Vertretern zu beſchicken, und es wird ſich empfehlen, darin teine Anderung eintreten zu laſſen, ſchon um die Kontinuität nicht zu verlieren. Meine Herren, es iſt doch ſehr viel wert, wenn man auf Kongreſſen von ſolcher Wichtigkeit durch die gleichen Vertreter fortlaufend vertreten iſt, damit dieſe Vertreter durch perſönliche Fühlungnahme dauernd auf dem laufenden bleiben über das, was auf dieſen Kongreſſen geſchieht. Es iſt gar kein Zweifel, daß nur ein Teil des Inhalts der Kongreßverhandlungen in dem Verhandlungsbericht wiedergegeben wird; die perſönlichen Beziehungen können durch dieſe Wiedergabe in keiner Weiſe erſetzt werden. Das ſind die Gründe, die den Magiſtrat beſtimmt haben. Sie mögen ſie billigen oder nicht, wenigſtens hielt ich mich für verpflichtet, ſie Ihnen noch einmal vorzutragen. Stadtv. Zietſch: Es tut uns leid, daß bei der erſten Gelegenheit, bei der die Herren von der liberalen Fraktion ſparen wollen, wir nicht mit⸗ machen können aus der einfachen Erwägung heraus, daß wir, ſo gut und nett der Erlaß des preußiſchen Miniſters gemeint ſein kann, Sparſamkeit zu üben, gerade bei der Beſchickung von Kongreſſen uſw.