294 nicht zu der Überzeugung gekommen ſind, daß ſolche Veranſtaltungen leere Demonſtrationen ſind und Gelegenheit für die betreffenden Beamten und Delegierten bieten, ſich eventuell vergnügte Tage machen zu können. Wenn von dem preußiſchen Miniſter der Wert von Kongreſſen im allgemeinen angezweifelt wurde, dann kann der Miniſter niemals einen Kongreß für öffentliche Geſundheitspflege dabei im Auge gehabt haben; es dürfte ſich viel⸗ mehr um ganz andere Veranſtaltungen handeln, die auch unter dem Namen Kongreß umherlaufen, die aber mit ernſtlichen Beratungen nichts zu tun haben, deren Aufgaben nur darin beſtehen, in feſtlichen Vergnügungen uſw. an die Offentlichkeit zu treten. Wenn es ſich aber um einen Kongreß handelt wie der, auf den ſich die Vorlage des Magiſtrats bezieht, dann müſſen wir doch ganz entſchieden dagegen Verwahrung einlegen, daß vielleicht ein ſolcher Kongreß mit vielen anderen Vergnügungskongreſſen und Veranſtaltungen anderer Art in ein und dieſelbe Reihe geſtellt werden ſoll. Die Kongreſſe für öffentliche Geſund⸗ heitspflege haben, wenn ich recht unterrichtet worden bin, ſich ſeit geraumer Zeit jede feſtliche Veranſtaltung, jeden feſtlichen Empfang und jedes Feſteſſen, alles, was nicht mit dem ernſten 3weck der Verſammlung in unmittelbarem Zuſammen⸗ hang ſteht, verbeten. Man kann nicht ſagen, daß die Delegierten einer Stadt, die dorthin geſandt werden, die Delegationszeit vielleicht benutzen, um ſich mit Vergnügungen in der fremden Stadt die Zeit zu vertreiben. Ich würde es ſehr bedauern, wenn gerade die Herren der liberalen Fraktion, die ſonſt bei jeder Gelegenheit die ſoziale Pflicht der Stadt Charlottenburg zu unterſtreichen bemüht ſind, bei einer ſo wichtigen Frage wie der dieſes Kon⸗ greſſes, der wichtige Fragen der Städte zu be⸗ handeln berufen iſt, in dieſem Falle verſagten. Hier die Sparſamkeit üben zu wollen, ſcheint uns mit dem Sparen an ganz verkehrter Stelle an⸗ gefangen zu ſein. Wenn Sie ſparen wollen, gibt es Spargelegenheiten nach dieſer oder jener Rich⸗ tung hin übergenug. Wenn irgendetwas bei dieſer Magiſtratsvor⸗ lage zu Bedenken Anlaß geben könnte, ſo wäre es der Umſtand, daß nur Herren des Magiſtrats an dieſer Delegation beteiligt ſind, daß man im Magiſtrat nicht mit der Abſicht umgeht, es auch jemandem aus der Stadtverordnetenverſammlung zu ermöglichen, den Beratungen des Kongreſſes in Zürich beizuwohnen. Es mag im Magiſtrat der Grundſatz gelten, daß in allererſter Linie der Magiſtrat als verwaltende Körperſchaft berufen ſei, die Delegation zu vollziehen, d. h. Mitglieder aus ſeiner Mitte zu Kongreſſen uſw. zu delegieren. Aber gerade dieſer eine Fall des meines Erachtens ganz unangebrachten Widerſpruchs des Herrn Kollegen Holz dürfte auch im Magiſtrat die Über⸗ zeugung aufkommen laſſen, daß es notwendig iſt, daß Herren aus der Stadtverordnetenverſammlung Gelegenheit haben, ſolchen Kongreſſen beizuwohnen. Dann würden ſie nicht in die fatale Notwendigkeit kommen, die Nützlichkeit und Notwendigkeit einer ſtärkeren Beſchickung dieſer Kongreſſe durch eine Stadt anzuzweifeln und in Frage zu ſtellen. Ich kann namens meiner Freunde erklären, daß wir, ohne uns mit der Art, nach welcher die Kongreßdelegation zuſammengeſetzt werden ſoll, einverſtanden zu erklären, für die Vorlage des Magiſtrats ſtimmen werden. Sitzung vom 23. Juni 1909 Stadtv. Holz: Meine Herren, über die Art der Zuſammenſetzung hat, glaube ich, nur der Chef der Verwaltung zu beſtimmen; alſo trotz ſeiner freundlichen Zuſtimmung wird Herr Kollege Zietſch es vielleicht erleben, daß gerade diejenigen nicht entſandt werden, die er entſandt zu ſehen wünſcht — oder er kann es wenigſtens erleben. Intereſſant iſt mir bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Zietſch, zu ſehen, was man alles parteipolitiſch ausnutzen kann. Eine Frage, wie dieſe, wo ich eigentlich in den Gründen mit Herrn Kollegen Zietſch und ſeinen Freunden einver⸗ ſtanden bin, wird dahin ausgenutzt, daß er ſich in Gegenſatz zu meinen Freunden ſtellt, indem er ſagt, es wäre eine ſoziale Pflicht, dieſen Kongreß zu beſchicken. Habe ich das beſtritten? Ich habe durch⸗ aus nichts dagegen, daß der Magiſtrat aus Gründen der Kontinuierlichkeit ein Mitglied auf dieſen Kongreß ſchickt, obwohl ich nicht von der Not⸗ wendigkeit ſo durchdrungen bin wie Herr Kollege Zietſch, weil ich aus meinen praktiſchen Erfahrungen, ganz entſprechend den Ausführungen des Herrn Miniſters, weiß, daß, abgeſehen von den repräſen⸗ tativen Veranſtaltungen, abſolut nicht das auf den Kongreſſen geleiſtet wird, was Herr Kollege Zietſch glaubt. Denn das, was dort geleiſtet wird, lieſt man ſpäter gedruckt ebenſo ſchön; das unterliegt gar keinem Zweifel. Wenn ich meinen Antrag mit Sparſamkeit begründe, daß wir nur ein Mitglied entſenden, meine Herren, ſo, glaube ich, müſſen Sie als Sozialdemokraten mir vor allen Dingen zuſtimmen; (Stadtv. Zietſch: Warum?) denn Sie haben ebenſo wie wir die Pflicht, für das Sparen zu ſorgen, wenn Ihre Wähler auch kaum von der Ausgabe betroffen werden. Wenn ich auf die Ausführungen des Herrn Bürgermeiſters zurückkommen ſoll, ſo meine ich, daß ſeine Gründe nicht zutreffen. Er hat kaum etwas angeführt, was meine Gründe entkräftet. Er hat auf das Wohnungsweſen hingewieſen. Ich gehöre ſelbſt der Deputation für die Geſundheits⸗ pflege an, die ſich ſeit Jahren bemüht, das Woh⸗ nungsamt zu errichten, und die Herren, die mit mir in der Deputation ſind, wiſſen, daß wir ein ſo ungeheures Material angeſammelt haben, ein dickes Aktenſtück, daß wir endlich, um aus dem Material herauszukommen, es zu einer Vorlage an die Stadtverordnetenverſammkung verdichten wollen. Deshalb meine ich, daß es nicht notwendig iſt, mehr als eine Perſönlichkeit zu dem Kongreß zu entſenden, mehr zu entſenden als dasjenige Mitglied, welches notwendig iſt, um über die Wohnungsfrage und alles das, was dort zur Erörterung gelangen wird, uns aufzuklären. Wenn jemand aus der Stadtverordnetenverſammlung oder aus der Bürgerſchaft ſonſt Intereſſe daran hat, dorthin zu reiſen, ſo kann er es auf ſeine eigenen Koſten tun. Ich bitte, zu beſchließen, nur ein Mitglied von der Stadt aus zu entſenden. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, der Erlaß, der in Preußen und im Reiche ergangen iſt— ſoweit ich mich erinnere, ſogar im Reiche zuerſt —, enthält ja gewiß vieles ſachlich Richtige. Es iſt nicht zu bezweifeln, daß auf Kongreſſen auch viel getafelt wird, viele Vergnügungen ſtattfinden. Daß aber bei den Vergnügungen nicht auch für