Sitzung vom 30. Juni 1909 eine Anderung der Bauordnung. Ich möchte Ihnen die Details, dis ſich auf dieſe Bauordnungsänderung beziehen, heute nicht mitteilen. Es iſt aber nach meinem Dafürhalten nicht möglich, die Anderung der Bauordnung herbeizuführen, wenn nicht gleich⸗ zeitig eine Anderung der Fluchtlinien des Reichs⸗ kanzlerplatzes ſtattfindet. Das eine kann ich ſagen: die Anderung der Bauordnung zielt ab auf eine Beſeitigung der Bauwiche. Dieſe Beſeitigung der Bauwiche wird zweifellos dazu beitragen, die Geſchloſſenheit des Platzeindruckes zu er⸗ höhen. Nach der gegenwärtig gültigen Bau⸗ ordnung iſt eine Bebauung mit drei Stock⸗ werken zuläſſig, und durch eine qualifizierte land⸗ hausmäßige Bebauung werden 4 Stockwerke ge⸗ baut werden können, und der Ausbau des Dach⸗ geſchoſſes iſt zuläſſig. Dieſe Form der Bebauung wird ſchon durch ein Gebäude veranſchaulicht, das am Reichstanzlerplatz ſteht. Meine Herren, Sie brauchen nur dorthin zu gehen und ſich das an⸗ zuſehen. Fragen Sie ſich ſelbſt, wenn derartige Gebäude mit einem Bauwich von 5 m oder bei doppeltem Bauwich 10 m nebeneinander aufgeſtellt ſind, was das für eine Verunſtaltung des Platzes herbeiführen muß. (Sehr richtig!) Abgeſehen von dieſer rein aus der Geſtaltung des Reichskanzlerplatzes ſich ergebenden Rückſicht, die uns zwingt, die Fluchtlinie zu ändern, kommt aber noch ein Moment hinzu, das uns veranlaßt, die Anlage anders zu geſtalten. Wir haben nämlich die Abſicht, die Reichsſtraße achſial zum Reichs⸗ kanzlerplatz durchzuführen. Die Verhältniſſe des Bebauungsplanes auf dem Gelände, das wir vom Fiskus erworben haben, werden ſehr weſentlich beeinflußt von dieſer Anderung, die wir Ihnen heute unterbreiten. Ich bin feſt davon überzeugt, daß der Widerſpruch, der von ſeiten des Herrn Stadtv. Freund und ſeinen Freunden geltend ge⸗ macht worden iſt, nicht mit dieſer Schärfe geltend gemacht worden wäre, wenn wir in der Lage ge⸗ weſen wären, den ganzen Plan vorzulegen. Wir mußten den Teilplan vorlegen, weil Baugeſuche vorhanden ſind und wir die Baugeſuche fördern müſſen und fördern möchten. Wir haben aber den Herren im Ausſchuß Gelegenheit gegeben, zu ſehen, wie wir die Reichsſtraße fortſetzen wollen, und es iſt da auch von Herrn Stadtv. Freund anerkannt worden, daß das eine ganz weſentliche Verbeſſerung des Bebauungsplanes darſtellt. Meine Herren, wir dienen alſo hier nicht bloß den öffentlichen Intereſſen, ſondern wir dienen auch den Intereſſen der Ausgeſtaltung der Terrains, die wir dort beſitzen. Ich gebe zu, die Vorteile der Anderung haben in allererſter Linie die Anlieger. (Stadtv. Stein: Na alſo!) Es iſt auch unſere Abſicht, die Anlieger zu den Koſten heranzuziehen. Den Beſchluß aber ſo zu faſſen, wie Herr Stadtv. Stadthagen es vorſchlägt, iſt einfach unmöglich. Wir können keine bedingte Fluchtlinienfeſtſetzung vornehmen und auf Grund einer ſolchen bedingten Fluchtlinienfeſtſetzung ein Verfahren einleiten. Wenn wir nicht die Zeit in den Ferien vertrödeln wollen, ſo muß ſchon jetzt beſchloſſen werden, und zwar in dem von uns vor⸗ geſchlagenen Sinne, nach welchem die Ausführung des Fluchtlinienplans neu vorbehalten werden ſoll. Wenn Ihnen ſpäter die Ausführung des Flucht⸗ linienplanes zu hohe Koſten zu verurſachen ſcheint, oder wenn es nicht glückt, die Anlieger in dem Maße 307 heranzuziehen, wie wir es beabſichtigen, dann können Sie immer noch erklären: unterlaßt gefälligſt die förmliche Feſtſetzung des Flucht⸗ linienplanes, die Ausführung des Gemeindebe⸗ ſchluſſes unterbleibt. In dieſem Sinne iſt die Ziffer 2 zu verſtehen. Dieſe Ziffer bedeutet nichts anderes: die Koſten ſind den Anliegern aufzuerlegen, vor der förmlichen Feſtſtellung der Fluchtlinien iſt ein beſonderer Gemeindebeſchluß über die Ausführung des Fluchtlinienplanes herbeizuführen. Die Ab⸗ änderung der Fluchtlinien können Sie nicht von der Bedingung der Koſtentragung abhängig machen denn dann können wir den Fluchtlinienplan nicht aufſtellen. Das iſt nicht möglich, das iſt ein Wider⸗ ſpruch in ſich ſelbſt. Sie müſſen heute infolgedeſſen unbedingt beſchließen und können nur unbedingt den Magiſtrat dahin vinkulieren, daß wir vor der förmlichen Feſtſetzung einen Gemeindebeſchluß über die Ausführung des Fluchtlinienplanes herbei⸗ führen, und dann können Sie erklären: der Flucht⸗ linienplan wird nicht ausgeführt, die Regulierung unterbleibt. Meine Herren, wir müſſen auch mit den Anliegern verhandeln; wir wiſſen nicht, wie die Verhältniſſe liegen: wir müſſen doch für die poſitiven Verhandlungen eine Grundlage haben, müſſen wiſſen, in welchem Zeitpunkt wir zu der Publikation der Bauordnung ſchreiten können, die eine Veränderung der Bauweiſe am Reichskanzler⸗ platz herbeiführt. Ich möchte Sie deswegen bitten, den Anträgen des Ausſchuſſes zuzuſtimmen. Stadtv. Gredy: Meine Herren, über Bau⸗ ordnungen und Bebauungspläne kann man ſehr viel ſprechen und ſehr verſchiedener Meinung ſein. Wer ſich vor einem Jahre erlaubt hätte, den Be⸗ bauungsplan, wie er von unſerer Tiefbauverwaltung ſeinerzeit feſtgelegt wurde, zu kritiſieren und ihn als ſchlecht und verkehrt hinzuſtellen, dem wäre es ſchlecht gegangen, der würde von dem Herrn Magiſtratsdirigenten hart angelaſſen worden ſein, und zwar mit Recht. Nun hat ſich das auf einmal alles geändert. Ich wundere mich eigentlich, daß hier vor der Offentlichkeit noch niemand von dem Ding geſprochen hat, auf das es mir ſehr weſentlich anzukommen ſcheint, und das auch merkwürdiger Weiſe hier in dem Saale nicht zu ſehen iſt, nämlich von dem großen Plan, den die Hochbauverwaltung gemacht hat, und auf dem der Reichskanzlerplatz mit einem großen monumentalen Mittelbau ausgeſtattet erſcheint. Stellen Sie ſich vor, meine Herren, alle Blumen, alle Roſen, alle Palmen werden verſchwunden ſein, und auf dieſem Platze wird eine Ruhmeshalle, eine Sieges⸗ halle, Schlachtenhalle oder etwas derartiges ſtehen. (Heiterkeit.) Dieſe Gefahr laufen Sie, wenn Sie die Umänderung genehmigen. Aber nicht allein die Gefahr, daß etwas hin⸗ kommt, deſſen etwaige Schönheit man jetzt nicht beurteilen kann, ſondern auch die Gefahr, daß Sie 3 bis 5 Millionen dafür zahlen müſſen. Denn wer ſoll ſich im ganzen Reiche dafür finden, eine ſolche Ruhmeshalle zu bezahlen? Da wird man ſagen: das muß die reiche Stadt Charlottenburg tun. Mir ſcheint es nach dem Projekt, das dem Ausſchuſſe vorgelegen hat, nur darauf anzukommen, dieſe Ruhmeshalle dort zu plazieren. (Widerſpruch am Magiſtratstiſch.)