308 Ich kann nicht einſehen, Fragen auf dem Rieſenplatz für eine Bedeutung haben ſollen, ob z. B. die Bauwiche eingehalten werden oder nicht! Wenn Sie an dem einen Ende des Platzes ſtehen, ſo ſind die Bauten am andern Ende ſo weit entfernt von Ihnen, daß Sie ſich gar keinen Begriff von ihnen machen können. Sie können ſie kaum mit dem bioßen Auge erkennen; es iſt ganz einerlei, ob da vier⸗ ſtöckige Mietskaſernen nebeneinander ſtehen oder ob hin und wieder ein Bauwich vorhanden iſt. Es wird Ihnen aber vielleicht nicht gefallen, wenn Sie eine Art von Gefängnismauern um ſich haben. Ich glaube, wenn Sie die Sache rein äſthetiſch auffaſſen und ſich nicht lediglich von den Herren Bauſachverſtändigen leiten laſſen, (Heiterkeit) werden Sie zu einem korrekteren Urteil gelangen. Ich will mich gern von unſeren Architekten beein⸗ fluſſen laſſen, ſoweit es nur immer möglich iſt; dann will ich aber auch noch den Rat von anderen Architekten hören. Denn unſere Herren ſind doch immer durch die Neigungen des Magiſtrats be⸗ fangen. Wenn der Magiſtrat einem unſerer Architekten ſagt: mach einmal einen Platz, auf den ich ein großes Monument ſtellen kann, — ſo hat dieſer damit eine gebundene Marſchroute. Ich halte alſo die Sache für ſehr bedenklich. Ich glaube, es ſind noch viele Fragen zu beant⸗ worten, und es iſt recht unangenehm, daß uns das Meſſer an die Kehle geſetzt und uns geſagt wird: ihr müßt das heute annehmen. Das können wir nicht. Ich bitte Sie, die Magiſtratsvorlage rundweg abzulehnen. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, die Herren Gegner der Vorlage operieren meiner Anſicht nach mit Argumenten, die durchaus nicht überzeugend ſind. Vor allen Dingen malen ſie hier ſchwarz mit Zukunftseventualitäten, von deren Verwirklichung vorläufig gar nicht die Rede iſt. Sachen, die auf irgendeinem Plan einmal eingezeichnet worden ſind, gehören doch nicht ohne weiteres zur Vorlage. Derartige Sachen müſſen Ihnen vor der Ausführung doch unter allen Umſtänden beſonders vorgelegt werden, Sie werden ſich darüber zu entſcheiden haben, und zwar nicht nur unter dem Geſichtspunkte der Mittelbewilligung, ob Sie den Plan, was die bauliche, architektoniſche Ausgeſtaltung betrifft, an⸗ nehmen wollen oder nicht. Was Herr Stadtv. Gredy mit den Worten gemeint hat: wir oder Sie ſollen ſich rein von äſthetiſchen Geſichtspunkten beeinfluſſen laſſen und nicht allzu ſehr dem Rate und den Gutachten der Architekten folgen, das verſtehe ich nicht. Als ob das ein Gegenſatz wäre, die Aſthetit und der Rat oder die Sachkenntnis der Architekten! Eine der wichtigſten Aufgaben der Architekten iſt doch eben, neben zweckdienlichen und ſonſtigen wirtſchaftlichen Geſichtspunkten auch die Aſthetit zur Geltung zu bringen. Zweifellos iſt gerade in der vorliegenden Frage der Geſichtspunkt der Aſthetik nicht zu unterſchätzen und beſonders von den Architekten betont worden. Neben dem Geſichtspunkt der Aſthetik und neben den techniſchen Geſichtspunkten, die der Stadtv. Harniſch erwähnt hat, kommt aber meiner Anſicht nach als Drittes mit der gleichen Bedeutung noch in Frage: der Geſichtspunkt der Hygiene. Sitzung vom 30. Juni 1909 was alle die kleineren Daß dieſe Bauwiche, dieſe Luftſchleuſen, die jetzt entſtehen werden, auch in hygieniſcher Beziehung unvorteilhaft wirken werden, das wird man, glaube ich, ohne weiteres annehmen können. Ja, meine Herren, das ſind nun Anſichten, von denen Sie mir ſagen werden: das hättet ihr vor Jahren, als ihr die Bauwiche feſtſetztet, ſchon vorausſehen können. Wenn von einem Sprung ins Dunkle die Rede ſein kann, ſo kann man es von dieſer Beſtimmung ſagen. Daß die Bauordunng, welche die Bauwiche feſtſetzte, eine derartige Ausgeſtaltung der Baublocks zur Folge haben würde, wie es ſich jetzt herausſtellt, konnte damals wirklich kein Menſch vorausſehen. Gerade dieſe Geſtaltung hat ſehr weſentlich mit dazu beigetragen, daß man zu der Erkenntnis gelangt iſt: ſo kann es nicht bleiben, es muß eine Umgeſtaltung herbei⸗ geführt werden. Wenn im übrigen auf die Bäume hingewieſen worden iſt, die unter Umſtänden die äſthetiſch unbefriedigend wirkenden Gebäude verdecken kön⸗ nen, ſo iſt es einmal doch ein ſehr ſchwacher Troſt, wenn wir uns damit behelfen ſollten, und zweitens gewähren derartige Bäume in keiner Weiſe die Sicherheit, daß die äſthetiſchen Schäden beſeitigt oder verdeckt werden. Sehen Sie ſich den Kur⸗ fürſtendamm an, der ſo viele äſthetiſch unſchöne Faſſaden enthält. Glauben Sie wirklich, daß die durch die Bepflanzung des Kurfürſtendamms verdeckt werden? Jeder Menſch zeigt auf die Faſſaden hin und ſagt: iſt es nicht traurig, daß der Kurfürſtendamm ſo mißgeſtaltet iſt? Und da ſtehen doch wahrhaftigen Gott Bäume genug! Das iſt doch kein Geſichtspunkt, der ins Gewicht fallen könnte, hier einfach zu ſagen: weil Bäume gepflanzt werden, haben wir es nicht nötig, für eine Ausgeſtaltung des Reichskanzlerplatzes durch För⸗ derung von äſthetiſch ſchönen Faſſaden zu ſorgen. Von dem wunderſchönen Reichskanzlerplatz iſt geſprochen und darauf hingewieſen worden, daß wir es nicht nötig haben, den Platz umzugeſtalten. Der Herr Syndikus hat bereits darauf hingewieſen, daß man den zukünftigen Reichskanzlerplatz nicht mit dem gegenwärtigen vergleichen kann. Der gegenwärtige Platz liegt vollſtändig frei, iſt un⸗ beeinflußt von jeder Einwirkung der baulichen Umgebung und wirkt natürlich — ſonſt hätte die Parkverwaltung ihre Sache ſehr ſchlecht gemacht unter dieſer Vorausſetzung ſo, wie er gärtneriſch ausgeſtaltet iſt, recht anziehend und ſympathiſch. Ob für alle Zutunft dieſe Ausgeſtaltung eine wirk⸗ lich äſthetiſche Befiedigung gewähren wird, iſt dagegen eine Frage, die man zurzeit weder mit Ja noch mit Nein ſicher beantworten kann. Aber mit dem augenblicklichen Zuſtande der Befriedigung darf man nicht darüber hinweggehen, daß Zuſtände eintreten, die eine Anderung erforderlich machen werden. Ich möchte nur noch einmal betonen — und deshalb habe ich mich zum Wort gemeldet —, daß der Magiſtrat auf die Annahme dieſer Vorlage außerordentliches Gewicht legt, lediglich deswegen, um die Unterlagen für die Weiterarbeit zu erhalten. Von dem Herrn Referenten ſowohl wie von Herrn Stadtv. Harniſch und dem Herrn Synditus iſt bereits darauf hingewieſen worden, daß die ganze Frage unter allen Umſtänden noch einmal Ihrer end⸗ gültigen Entſcheidung unterberitet werden wird. Es iſt daher kein Sprung ins Duntle, ſondern Sie geben mit Ihrem Beſchluß lediglich dem Magiſtrat