326 Erhöhung der Verpflegungsſätze berieten, die Li⸗ beralen allerdings in ihrer Mehrheit bereits für die Erhöhung der Pflegeſätze geweſen ſind. Einige Herren von den Liberalen hat es freilich gegeben, die mit uns gegen die Erhöhung ſtimmten, und von dieſen Herren ſitzen ja auch noch einige wenige heute in unſerer Mitte. Ich hoffe, daß wenigſtens die paar Liberalen mit uns gemeinſam ſich auf den⸗ ſelben Standpunkt wie in früheren Jahren ſtellen und gegen die Vorlage ſtimmen werden. Herr Kollege Stadthagen hat ſich auf einen ganz ähnlichen Standpunkt geſtellt wie Herr Kollege Frentzel. Auch er beſtritt die von uns vorgetragene Theorie, daß die Arbeiter ſchließlich die Beiträge zu den Krankenkaſſen zahlen, und fügte hinzu: wenn unſere Anſichten durchgehen, d. h. wenn die Koſten für die Krankenhäuſer nicht erhöht werden, dann müßte man ſchließlich dazu übergehen, mehr Steuern zu erheben. Ja, meine Herren, wir be⸗ ſtreiten gar nicht, daß die Ausgaben der Stadt auf irgendeine Weiſe gedeckt werden müſſen. Aber die 75 000 ℳ, um die es ſich bei dieſer Vorlage handelt, abzüglich der Koſten, die die Armenver⸗ waltung dadurch ſpart, oder vielmehr die 37 500 ℳ, da ja die Koſten nur für das halbe Etatsjahr über⸗ haupt in Betracht kommen, ſpielen in unſerm Etat gar keine Rolle, die waren auch im Etatsvoranſchlage gar nicht vorgeſehen. Sollte der Magiſtrat trotzdem bereits mit dieſen 37 500 ℳ gerechnet haben, ſo würde ich das doppelt bedauern; denn das würde im Grunde genommen nichts anderes heißen, als daß man von den Armſten der Armen, von den Kranken, die wirklich nicht imſtande ſind, die Koſten zu zahlen, auf indirekte Weiſe Beiträge nimmt, um die Reicheren von den Steuern zu entlaſten. Herr Kollege Stadthagen, ich habe niemals ein Hehl daraus gemacht, daß ich grundſätzlich dafür bin, daß die ganzen Ausgaben der Gemeinde durch direkte Steuern aufgebracht werden ſollen, und ſelbſt auf die Gefahr hin, daß Sie dann über 100 % bezahlen würden, und daß alle Ihre Freunde mit Ihnen aus Charlottenburg auswandern — was an und für ſich noch gar nicht ſo ſchlimm wäre —, (Heiterkeit) ſelbſt auf die Gefahr hin würde ich für eine Er⸗ höhung der Zuſchläge zur Einkommenſteuer ſtimmen. Jedenfalls wäre ein ſolcher Weg tauſendmal beſſer als der Weg, den Sie hier wieder beſchreiten wollen: der Weg einer Belaſtung der Minderbemittelten. Meine Herren, recht charatteriſtiſch war noch ein Ausſpruch, der, wenn ich nicht irre, von Herrn Dr Frentzel gefallen iſt. Er ſagte, der Unternehmer, der die Gebühren nimmt, die wir nehmen, wäre in wenigen Jahren bankerott. Ich möchte zunächſt, bevor ich darauf eingehe, Herrn Kollegen Dr Frentzel fragen, ob er vielleicht auch wieder zugibt, daß dieſer Ausſpruch falſch iſt. (Heiterkeit. — Stadtv. Dr Frentzel: Nein, er iſt richtig!) Das iſt eben der grundſätzliche Unterſchied zwiſchen uns und Ihnen. Sie ſcheinen auf dem Standpunkt zu ſtehen, daß die Krankenhausverwaltung den Betrieb ſo leiten muß, wie der Inhaber eines Ge⸗ ſchäfts ſeinen Betrieb leitet. Wenn Sie auf dieſem Standpunkt ſtehen, dann wundere ich mich nur, daß Sie nicht die vollen Koſten und noch einen Unternehmergewinn von den Kranken heraus⸗ ziehen; das wäre dann nur die logiſche Kon⸗ ſequenz. Wir aber ſagen uns: wir dürfen die kaufmänniſchen Grundſätze auf keinen Fall Sitzung vom 30. Juni 1909 auf den Betrieb eines öffentlichen Kranken⸗ hauſes übertragen. Das wäre der ſchlimmſte Fehler, den man machen könnte. Wenn Sie ſo fortfahren, wie Herr Kollege Frentzel es in Verbindung mit dem Magiſtrat anregt, dann werden Sie ſchließlich dahin kommen, daß die Verpflegungsſätze in den Krankenhäuſern, immer wieder weiter geſteigert werden, ſo daß ſchließlich die Stadt dabei noch ein gutes Geſchäft macht. Das wollen Sie doch alle nicht. Die Einwohner der Stadt, die in ein Kranken⸗ haus aufgenommen werden, ſind doch im Grunde genommen die Bemittelten nicht, ſondern es ſind die Minderbemittelten und der kleine Mittelſtand, für den Herr Kollege Stadthagen ſo eingetreten iſt. Wir ſagen uns, daß alle Schichten der Bevölkerung das Recht haben müßten, vollkommen unentgeltliche Verpflegung in den Krankenhäuſern zu erhalten. Die Mittel dazu werden auf alle Fälle aufgebracht werden müſſen. Es beſteht durchaus keine Gefahr, daß etwa die Stadt Charlottenburg an dieſen Ausgaben zugrunde geht. Nun ſagt der Herr Stadtrat: ja, wir müſſen doch aber Maßnahmen dagegen ergreifen, daß nicht die auswärtigen Kranken ſchließlich doch nach Charlottenburg kommen. Ich habe darauf ſchon hingewieſen und möchte nur noch ergänzend hinzufügen, daß man derartige Maßnahmen ſehr wohl treffen kann, auch ohne die Charlottenburger Einwohner zu belaſten. Wir haben einen ſolchen Ausweg im Jahre 1900 gefunden, haben damals ausdrücklich die Beſtimmung getroffen, wonach die Einwohner Charlottenburgs, auch wenn ſie aus⸗ wärtigen Krankenkaſſen angehören, ſowie die aus⸗ wärtigen Mitglieder Charlottenburger Kranken⸗ kaſſen von der Erhöhung nicht getroffen werden. Das war wenigſtens damals im Ausſchuß be⸗ ſchloſſen worden. Einen ſolchen Weg könnte man auch hier einſchlagen; man könnte ſagen, daß für die Einwohner Charlottenburgs die Erhöhung der Verpflegungsgrundſätze nicht gilt. Natürlich müßte man dann den Kaſſen gewiſſe Konzeſſionen machen, indem man weiter ſagte, daß man bei den Charlottenburger Kaſſen nicht genau darauf ſehen würde, ob nun zufällig das Mitglied der Kaſſe in Charlottenburg wohnt oder nicht. Man müßte alſo auch den Angehörigen der Charlottenburger Kaſſen, ſelbſt wenn ſie in einer Nachbargemeinde wohnen, die Möglichkeit einer billigeren Ver⸗ pflegung im Krankenhauſe geben. Man wird da⸗ gegen vielleicht wieder einwenden: dann werden alle Arbeiter Mitglieder der Charlottenburger Krankenkaſſe. Ich glaube, daß man im Ernſt auf einen ſolchen Einwand nicht einzugehen braucht. Die Gefahr liegt wahrhaftig nicht vor. Man könnte, wenn es Ihnen ernſtlich darum zu tun wäre, die Intereſſen der Charlottenburger Minderbemittelten, beſonders des kleinen Mittelſtandes zu wahren, ſehr wohl einen Ausweg finden. Ich bedaure, daß der Herr Referent nicht vor⸗ geſchlagen hat, die Vorlage einem Ausſchuß zu überweiſen. Wir hätten dann vielleicht doch die Möglichkeit gehabt, wenigſtens in dem geringen Umfange, wie ich es eben angedeutet habe, in letzter Stunde die Intereſſen der minderbemittelten Schichten zu wahren. Da der Herr Referent einen ſolchen Antrag nicht geſtellt hat, ſehe ich von der Stellung eines beſonderen Antrags ab. Denn der Antrag hat ja, da der Herr Referent gleich⸗ zeitig die Anſicht der Mehrheit der Stadtverord⸗ netenverſammlung vertreten hat, keinerlei Ausſicht