Sitzung vom 30. Juni 1909 geringſte Schuld trifft. alle getan, was wir tun konnten; die Verhältniſſe ſind eben ſtärker geweſen als der Wille. Meine Herren, durch den Beſchluß der Stadt⸗ verordnetenverſammlung anläßlich der Etats⸗ beratungen, einen Urnenhain zu errichten, ſind wir bezüglich der Leichenverbrennung ein Stückchen vorwärts gekommen. Vielleicht zieht der Magiſtrat in Erwägung, ob es im Hinblick auf die möglicher⸗ weiſe bevorſtehende — wenn auch nur fakultative — Einführung der Leichenverbrennung not⸗ wendig iſt, ein ſo gro ßes Terrain für unſeren Friedhof anzukaufen als urſprünglich beab⸗ ſichtigt war. Natürlich werden ſich die kirchlichen Behörden nach wie vor mit aller Energie gegen die auch nur fakultative Einführung der Leichen⸗ verbrennung ſträuben; denn die Orthodorie iſt ja jedem Fortſchritt abhold, um ſo mehr, da es ihr ja evtl. auch an den Geldbeutel geht. Bei dieſer Gelegenheit will ich aber nicht unterlaſſen, meinem Bedauern darüber Ausdruck zu geben, daß die Bedeutung der Kir⸗ chenwahlen ſo wenig gewürdigt wir d. Große politiſche Parteien ſtehen mit Gewehr bei Fuß und laſſen die ort ho⸗ doxen Mehrheiten ruhig weiter wirtſchaften. Wenn die koloſſale Macht der ſchwarzen Herr⸗ ſchaften eingeſchränkt werden könnte, ſo würden uns und anderen viele Kämpfe erſpart bleiben, und manches würde leicht erreicht werden, was zurzeit unmöglich iſt. Jedenfalls möchte ich aber nemens meiner Freunde nochmals den Wunſch ausſprechen, daß der Magiſtrat n a ch wie vor bemüht ſein möge, uns einen eigenen Friedhof zu ſchaffen. Allerdings iſt es außerordentlich ſchwierig — das müſſen wir alle zugeben —, dieſen Wunſch zu erfüllen; aber wir wollen das beſte hoffen. (Sehr richtig!) Stadtv. Gebert: Meine Herren, wenn geſagt worden iſt, es ſei aktenmäßig nur ein Fall zur Kenntnis gelangt, ſo will ich betonen, daß es bereits zwei Fälle ſind. Mir iſt auch der Name genannt worden. Der eine Fall betrifft das Mädchen im Alter von 13 Jahren, in dem zweiten Falle handelt es ſich um einen gewiſſen Röttker, einen Diſſidenten, und ein dritter Fall betrifft einen gewiſſen Fenzte. In 44— Fällen iſt die Zurückweiſung erfolgt, weil die Luiſenkirchengemeinde in ihren Statuten — der beſte geſchäftsmäßige Ausdruck wäre ja: in ihrem Preiskurant eine Beſtimmung hat, wonach die Beerdigung von Perſonen, die nicht zu der Gemeinde gehören, ſogenannten Nichtparochianen, bedeutend teurer iſt als die Beerdigung von Ge⸗ meindemitgliedern. Das iſt ſchon ein unglücklicher Zuſtand. Die Luiſengemeinde kann ja im all⸗ gemeinen hier in Charlottenburg Trumpf auf⸗ bieten. Sehr intereſſant iſt es, ſich das Regiſter à la Tietz oder Wertheim durchzuleſen. Man muß ſtaunen, wie dieſe Geſellſchaft es verſteht, von den Toten reſp. den Angehörigen der Verſtorbenen für die Veranſtaltung des Begräbniſſes Geld ein⸗ zuheimſen. Die Gemeinde hat ein wunderſchönes Motto, welches heißt: Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauſes und den Ort, da deine Ehre wohnet — notabene wenn du Geld haſt. Der Herr Bürgermeiſter führte an, daß die Bewegung um Errichtung eines Gemeindefried⸗ Wir haben 333 hofs im Jahre 1904 eingeſetzt habe. Aus den Akten geht hervor, daß bereits am 25. Juni 1902 dem Magiſtrat aufgegeben worden iſt, ſich um die An⸗ lage eines Friedhofs zu bemühen. Am 3. Sep⸗ tember 1902 wurde eine Anfrage geſtellt, wie weit denn nunmehr dieſe Anregung gediehen ſei. Man hat eine Mitteilung von dem Magiſtrat erhalten: die Stadtverordnetenverſammlung hat ſie zur Kenntnis genommen. Am 12. September 1903 wurde der Beſcheid gegeben, daß ein Bericht noch nicht erſtattet werden kann, auch vorläufig keine Ausſicht auf eine Anderung der Lage vorhanden ſei. Am 19. Dezember 1903 iſt dann abermals von einer Mitteilung Kenntnis genommen worden, die auf Grund einer Anfrage erfolgte, daß eine beſtimmte Dringlichkeit für dieſe Angelegenheit nicht vorhanden ſei und auch Mittel für einen Ent⸗ wurf nicht zur Verfügung ſtehen. Dann folgen die Verhandlungen, die der Magiſtrat, wie der Herr Bürgermeiſter hier darlegte, vom Jahre 1904 ab gepflogen hat. Ich ſage mir nun: vom Jahre 1902 bis zum Jahre 1904 hätte doch die Angelegenheit ganz andere Formen ſchon annehmen können, da ja doch die Kirchhofsfrage nach den Akten, die ich durchgeſehen habe, ſchon im Jahre 1902 für Char⸗ lottenburg eine brennende war. Es mußten alſo unter allen Umſtänden die Geldmittel vorhanden ſein, um die Frage ſchneller in Fluß zu bringen. Daß die Regierung oder vielmehr der Regierungs⸗ präſident ziemlich lau in dieſer Geſchichte geweſen iſt, geht ja zur Genüge aus der Darlegung hervor. Wenn man die Antworten zu Gehör bekommt, die der Herr Bürgermeiſter verleſen hat, ſo glaubt man, in ein Kaſperletheater verſetzt zu ſein. Hier ein Brief, dort eine Anfrage — ſo geht es weiter. Ich bin der Meinung, wir müſſen ſelbſt energiſch Hand ans Werk legen und uns einmal über die Köpfe der Regierung hinwegſetzen, (Heiterkeit) indem wir einfach vorgehen. Die letzten drei Fälle haben in der Bürgerſchaft ungeheuer viel Staub aufgewirbelt; nicht nur in dem ſogenannten Mittel⸗ ſtande, bei den Klembügern, ſondern auch in den Kreiſen der beſſer Sttuierten iſt viel Unruhe her⸗ vorgerufen worden. Daher müßte der Magiſtrat energiſch vorgehen, er müßte jetzt zu x⸗beliebigem Gelde ein Gelände kaufen und einen Friedhof nach ſeinem Ermeſſen errichten. Der Klage, die ſich dann nachher entwickeln würde könnten wir ruhig entgegenſehen: es würde dann vor aller Welt der Beweis erbracht werden, daß es nicht der Magiſtrat war, der langſam geweſen iſt, ſon⸗ dern die Regierung, und daß wir es unter keinen Umſtänden bei den mißlichen Verkältniſſen hätten bewenden laſſen können. Was den Friedhof in Stahnsdorf betrifft, ſo iſt es richtig, daß der Leichentransport von Charlottenburg nach Stahnsdorf für die ärmere Bevölkerung mit ungeheuren Koſten verknüpft iſt. Damit werden wir auch wohl einem Fried⸗ hofe in Staaken rechnen müſſen. Es wird manch armer Tenfel nicht in der Lage ſein, ſeine lieben Anverwandten ſo beerdigen zu können, wie er es gern möchte. Aus dieſem praktiſchen Geſichts⸗ punkte heraus war es ſtets der Wunſch der Antrag⸗ ſteller, den Gemeindefriedhof ſo dicht wie möglich bei Charlottenburg zu haben. Es iſt bezeichnend, daß von 25 Gemeinden, die um Charlottenburg lerum liegen, alle außer drei Gemeindefriedhöfe beſitzen. Das ſind Berlin, Boxhagen⸗Rummelsburg,