334 Lichtenberg, Lichterfelde, Marien⸗ Niederſchöneweide, Niederſchön⸗ hauſen, Nikolasſee, Oberſchöneweide, Pankow, Plötzenſee, Reinickendorf, Rixdorf, Roſenthal, Schmargendorf, Schöneberg, Stralau, Tegel, Tempelhof, Treptow,“ Weißenſee und Wilmers⸗ dorf. Wenn dieſe kleinen Gemeinden und dieſe Städte — wir finden ja darunter Gemeinden neueren Datums — ſich einen Gemeindefriedhof geſchaffen haben, dann muß man ſich doch eigent⸗ lich wundern, daß eine ſo alte Stadt wie Char⸗ lottenburg ſich noch keinen Friedhof hat ſchaffen können. Ich glaube wohl, daß es ſeinerzeit im Intereſſe der kirchlichen Gemeinden lag, in Char⸗ lottenburg einen Gemeindefriedhof nicht auf⸗ kommen zu laſſen. Die Luiſenkirchengemeinde hat vor etlichen Jahren einen großen Überſchuß von ca. 75 000 ℳ gemacht. Den letzten Geſchäfts⸗ bericht vom Jahre 1908 habe ich noch nicht zur Hand; aber es iſt doch ſicher anzunehmen, daß die Luiſengemeinde wieder einen gewaltigen Schnitt gemacht hat. Wie man es treibt, um diejenigen Perſonen, die aus der Landeskirche austreten, gruſelig zu machen, geht ja daraus hervor, daß von ſeiten der Kirchengemeinde dem Betreffenden Flugblätter zugeſandt werden, oder daß jemand in der Wohnung erſcheint und ſagt: hör mal, wenn du aus der Kirche ausſcheideſt, dann kannſt du nicht auf unſerm Kirchhof begraben werden, bedenke daher, was du tuſt, Charlottenburg hat keinen Gemeinde⸗ friedhof uſw. Das ſind doch meines Erachtens unangebrachte oder, beſſer geſagt, unfaire Agita⸗ tionen, die da getrieben werden. Nun noch eins. Als in demFall Fenzte der Ver⸗ ſtorbene nach 4 Tagen noch nicht beerdigt war, lief einer der Verwandten zur Polizeibehörde, aber dieſe ſagte: was geht uns das an, warum tretet ihr denn aus der Landeskirche aus, wartet nur, bis die Zeit herum iſt! Das iſt der Beſcheid, den die Polizei erteilt hat. Meine Herren, iſt denn der Diſſident nicht genau ſolch Menſch wie derjenige, der jeden Tag zu ſeinem lieben Herrgott betet? Iſt es nicht genau ſo notwendig, daß er beerdigt wird wie der ſchlimmſte Frömmſte? (Heiterkeit.) Da iſt kein Unterſchied, ſie ſind alle Menſchen, und die Stadtgemeinde muß dafür ſorgen, daß alle, ob Jude, Heide oder Chriſt, unter die Erde tommen. Ebenſo muß dem Wunſche, ein Krema⸗ torium in Charlottenburg zu bauen, Rechnung getragen werden. Dieſer Wunſch iſt ſchon r⸗mal hier vorgebracht worden. Unſer Kollege Stadt⸗ hagen hat ſpeziell bei der Etatsberatung die Frage angeſchnitten; ſein Wunſch ging dahin, daß ſo ſchnell wie möglich ein Gemeindefriedhof geſchaffen würde. Ich erinnere mich genau, daß es der Kollege Stadthagen war, der dieſen Wunſch bei der Etats⸗ beratung zur Geltung⸗ brachte. Meine Herren, Sie ſehen, daß die Verhältniſſe ſo, wie ſie jetzt liegen, nicht mehr weiter gehen tönnen. Wir müſſen aber auch dann, wenn die Regierung uns einen Knüppel zwiſchen die Be ine wirft, verſuchen, uns über die Regierung hinweg⸗ zuſetzen, und müſſen unſeren Standpunkt als Stadt⸗ kommune geltend machen. Dazu werden wir ſelbſt⸗ verſtändlich in den Säckel hineingreifen müſſen. Ich möchte Ihnen nur einmal ausmalen, was ge⸗ ſchehen wird, wenn in Charlottenburg eine Epidemie Britz, Lankwitz, dorf⸗Südende, ausbricht, wo über den üblichen Prozentſatz von 3 Sterbefälle zu verzeichnen ſind.! Berichterſtatter, Toten hinaus Sitzung vom 30. Juni 1909 Dann werden wir in eine ganz gewaltige Kalamität geraten. Die Kirchengemeinden in Charlottenburg werden ſich alles das abwimmeln, was ſie ab⸗ wimmeln können. Es ſteht ja auch ausdrücklich in dem Büchelchen drin, daß in erſter Linie Mit⸗ glieder ihrer Gemeinde inbetracht kommen. So liegen alſo die Dinge. Ich möchte den dringenden Wunſch ausſprechen, daß ſich der Magiſtrat nicht länger mit dem — ſagen wir mal: Larifaribeſcheide der Regierung zufrieden gibt, ſondern uns endlich mit einer Vorlage kommt, daß wir einen Ge⸗ meindefriedhof hier in Charlottenburg bekommen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Ich glaube verſtanden zu haben, Herr Kollege, daß Sie den Ausdruck gebrauchten: die Regierung wirft uns einen Knüppel zwiſchen die Beine. Ich bezeichne dieſen Ausdruck als gänzlich unpaſſend; er iſt un⸗ parlamentariſch. Es iſt ein Schlußantrag eingegangen. Stadt. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Ich beantrage, über den Schlußantrag namentlich ab⸗ zuſtimmen. Borſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Zunächſt muß der Schlußantrag unterſtützt werden. Es müſſen 10 Mitglieder den Antrag ſtellen. (Zuruf: Wer ſteht auf der Rednerliſte?) Auf der Rednerliſte ſtehen noch Dr Borchardt und Vogel 1. 4 (Der Schlußantrag wird genügend unterſtützt.) Es iſt namentliche Abſtimmung beantragt worden. Ein Antrag auf namentliche Abſtimmung muß nach der Geſchäftsordnung ſchriftlich ein⸗ gereicht werden. (Stadtv. Hirſch: Kommt noch!) Es müſſen 10 Unterſchriften ſein. (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Wir erklären uns alle dafür!) Die Geſchäftsordnung ſchreibt ausdrücklich vor: Auf namentliche Abſtimmung kann ſtets bis zur Aufforderung zur Abſtimmung an⸗ getragen werden; ſie muß erfolgen, wenn mindeſtens 10 Mitglieder ſchriftlich darauf antragen. Wir müſſen ſchon die Geſchäftsordnung innehalten. Stadtv. Hirſch: Ich ziehe den Antrag zurück. Aber das nächſte Mal kommt er ſicher! (Bravo! und Heiterkeit.) (Der Antrag auf Schluß der Beratung wird an⸗ genommen.) Borſteher Kaufmann (den Vorſitz über⸗ nehmend): Meine Herren, ich bitte Sie dringend, da dieſe Angelegenheit, in der doch ziemlich ber⸗ einſtimmung in der Stadtverordentenverſammlung herrſcht, nur theoretiſch behandelt werden kann — Anträge können ja daran nicht geknüpft werden —, daß wir in der Tagesordnung weiter fortſchreiten und uns bei der vorgeſchrittenen Zeit möglichſt kurz faſſen. Es iſt noch eine längere Tagesordnung u erledigen. Ich richte an diejenigen Herren die Ausſchüſſe beantragen, die