336 bringung einer Vorlage zur Schaffung eines Fonds zur Selbſtverſicherung vor. Meine Herren, ich kann den Standpunkt, den der Magiſtrat vertritt, nicht vollſtändig teilen. Meines Erachtens würde ſich die Selbſtverſicherung etappenweiſe viel leichter durchführen laſſen. Wir brauchen nicht auf einmal die ganze Selbſtverſiche⸗ rung übernehmen und haben auch nicht nötig, einen Fonds von 500 000 ℳm anzuſammeln; ſondern es ſcheint mir wohl angängig, daß die Stadt ſchon jetzt an die Stelle der beiden neu eingefügten Geſellſchaften tritt und Selbſtverſicherer eines Teils ihrer Mobilien und Immobilien wird. Bei der Wichtigteit der Vorlage ſchlage ich vor, ſie einem Ausſchuſſe von 11 Mitgliedern zu überweiſen, um volle Klarheit in dieſe Materie zu bringen. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung beſchließt nach dem Antrage des Bericht⸗ erſtatters die Überweiſung der Vorlage an einen Ausſchuß von 11 Mitgliedern und wählt zu Aus⸗ ſchußmitgliedern die Stadtverordneten Bollmann, Bergmann, Ewald, Dr Flatau, Haack, Mann, Dr Rothholz, Schmidt, Dr Stadthagen, Wilk und Zander.) Borſteher Kaufmann: Ich richte nochmals an die folgenden Herren Berichterſtatter — hoffent⸗ lich mit beſſerem Erfolge — (Heiterkeit) die Bitte, ſich namentlich da, wo Ausſchüſſe vor⸗ geſchlagen werden, recht kurz zu faſſen. Punkt 13 der Tagesordnung: BVorlage betr. Bewilligung von Mitteln zur Be⸗ ſchäftigung beſchränkt erwerbsfähiger Perſonen. — Druckſache 196. Berichterſtatter Stadtv. Hirſch: Meine Herren, ich werde dem Herrn Vorſteher den Beweis liefern, daß ich, obwohl nicht ſeiner Fraktion angehörig — — Borſteher Kaufmann (unterbrechend): Ich konſtatiere, daß ich zu keiner Fraktion gehöre! (Heiterkeit.) Berichterſtatter Stadtv. Hirſch (fortfahrend): — obwohl nicht der Fraktion angehörig, der der Herr Vorſteher früher angehört hat, (Heiterteit) doch ſeinem Wunſche beſſer Folge leiſten werde, Ich werde mich, da auch ich die Abſicht habe, die Über⸗ weiſung an einen Ausſchuß zu beantragen, ſehr kurz faſſen. Allerdings muß ich von vornherein erklären, daß ich den Antrag auf Ausſchußberatung nur ſchweren Herzens ſtelle, nur deswegen, weil ver⸗ ſchiedene Herren von andern Fraktionen die Aus⸗ ſchußberatung für notwendig halten. Perſönlüch hätte ich es lieber geſehen, wenn wir die Vorlage heute rundweg abgelehnt hätten. Es tönnte ſo ſcheinen, als ob es ſich hier um eine ſozialpolitiſche Maßnahme von weitgehender Bedeutung handelt. Ich ſtehe im Gegenteil auf dem Standpunkte, daß wir, wenn wir die Vorlage des Magiſtrats annehmen, keine ſozialpolitiſche Maßnahme treffen, ſondern gerade das Gegenteil davon. Allerdings gebe ich zu, daß der Magiſtrat nicht etwa dieſe Abſicht hat, ſondern daß er tat⸗ ich wollte nur auf eins hinweiſen. Sitzung vom 30. Juni 1909 ſächlich von dem Gedanken ausgeht, daß er mit ſeiner Vorlage den beſchränkt Erwerbsfähigen zu Hilfe kommt. Ich will bei der vorgerückten Zeit nicht anführen, was in andern Gemeinden — ab⸗ geſehen von Bielefeid gibt es ja noch eine ganze Reihe von Gemeinden, wo ähnliche Experimente gemacht worden ſind — damit erzielt worden iſt; ich möchte nur zwei ſchwere Bedenten vorbringen. Einmal habe ich große Furcht, daß wir, wenn wir der Magiſtratsvorlage Folge leiſten und zunächſt beſchränkt erwerbsfähigen Perſonen im ſtädtiſchen Dienſt beſchäftigen, dann auf dieſem Wege nicht Halt machen, ſondern immer weiter ſchreiten und genau ſo, wie es die Stadt Bielefeld getan hat, ſchließlich dazu übergehen werden, beſchränkt er⸗ werbsfähige Perſonen im Privatbetrieb unter⸗ zubringen. Meine Herren, dann machen wir dem Privatunternehmer ein Geſchenk, und nicht nur das, wir drücken damit gleichzeitig die Löhne der übrigen vollerwerbsfähigen Arbeiter herab. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die beſchränkt Erwerbsfähigen werden von der Privatinduſtrie mit Vorliebe angenommen werden. Die Privatunternehmer werden nament⸗ lich in Zeiten, wo großer Überfluß an Arbeits⸗ kräften beſteht, zu den vollerwerbsfähigen Perſonen ſagen: wenn ihr nicht zu denſelben Löhnen arbeitet wie die andern, verzichten wir auf euch. Das kann unmöglich die Abſicht des Magiſtrats ſein. (Zuruf vom Magiſtratstiſch: Iſt ſie auch nicht!) — Nun, ich bin vollkommen überzeugt, trotz des ſcharfen Gegenſatzes, in dem ich manchmal zum Magiſtrat ſtehe, daß er von einer derartigen Abſicht ſich nicht leiten läßt. Meine Herren, ich glaube auch nicht, daß wir durch dieſe Vorlage eine weſentliche Entlaſtung des Armenetats erzielen werden. Zunächſt iſt es ein ganz falſcher Standvunkt, wenn man Arbeiten ver⸗ richten läßt, die bisher nicht gemacht wurden, und die überflüſſig ſind. Wir würden dann Gelder für unproduktive Zwecke ausgeben, nicht aus dem Armenetat, ſondern aus irgendwelchen anderen ſtädtiſchen Fonds. Was wir alſo vielleicht an Armen⸗ mitteln ſparen würden, würden wir auf der andern Seite wieder zugeben. In Wirklichteit würde der Armenetat gar nicht entlaſtet werden; denn die Bezahlung der betreffenden Perſonen iſt ſo gering, daß ſie noch weiter die Unterſtützung der Armen⸗ verwaltung in Anſpruch nehmen würden. Es be⸗ ſteht die große Gefahr, daß auch der Lohn der anderen, vollerwerbsfähigen Arbeiter dadurch ge⸗ drückt wird, oder daß die Arbeiter dadurch arbeitslos werden und ſchließlich der Armenverwaltung anheimfallen. Meine Herren, es wurde in einer Berliner Zeitung die Vorlage als ein ſozialpolitiſch in⸗ tereſſantes Experiment bezeichnet. Ich muß ſagen, daß ich es nicht für ein ſozialpolitiſch intereſſantes Experiment halte, ſondern für eine Spielerei, und ich meine, Charlottenburg ſollte ſich für zu gut halten, ſich mit derartigen ſozialpolitiſchen Spiele⸗ reien abzugeben. . Das ſind die Gründe, aus denen ich eigentlich prinzipiell gegen die Vorlage bin. Nur aus Ent⸗ gegenkommen gegen die Herren von den anderen Fraktionen empfehle ich, die Vorlage einem Aus⸗ ſchuſſe von neun Mitgliedern zu überweiſen. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, Wenn Sie