Sitzung vom 30. Juni 1909 geht der Sommer darüber hin, und in der Park⸗ verwaltung wie in der Straßenreinigung iſt eigent⸗ lich nur im Sommer Gelegenheit, dieſe Leute zu beſchäftigen. In der Parkverwaltung vielleicht auch zu anderer Zeit, aber dieſe Verwaltung hat nur geringe Mittel zur Verfügung. In der Haupt⸗ ſache kommt die Straßenreinigung in Frage: bei ihr wird bei weitem der größte Teil beſchäftigt. Die Straßenreinigung hat aber Mittel nicht zur Ver⸗ fügung; ſie kann alſo vor Bewilligung derſelben nichts veranlaſſen. Eine Vertagung um zwei Monate iſt demnach ſo gut wie eine Ablehnung. Meine Herren, es handelt ſich um einen Ver⸗ ſuch. Bei der nächſten Etatsberatung werden wir entweder neue Mittel beantragen für dieſes „intereſſante ſozialpolitiſche Experiment“ oder nicht, bzw. Sie können die Mittel bewilligen oder nicht. Ich möchte Sie doch bitten, die Vorlage, wenn Sie ihr überhaupt ſympathiſch gegenüberſtehen, heute zu genehmigen. Daß Herr Stadtv. Hirſch dagegen ſein würde, das war vorauszuſehen aus ſeiner Stellungnahme in der gemiſchten Deputation für die Arbeitsloſen⸗ fürſorge gegenüber den Notſtandsarbeiten. Es handelt ſich ja beinahe um genau dasſelbe Problem. (Zuruf des Stadtv. Zietſch.) — Schön, Sie waren Vertreter der ſozialdemo⸗ kratiſchen Fraktion. Wir haben jedenfalls genau dieſelben Ausführungen in der Deputation wie heute von Herrn Stadtv. Hirſch gehört. Im übrigen hat ſich Herr Stadtv. Hirſch auch im Plenum in dieſem Sinne geäußert: ich glaube, daß auch aus ſeinem Munde ſchon gehört zu haben. Zweierlei iſt nicht richtig: erſtens, daß wir voll⸗ ſtändig wertloſe Arbeiten machen, und zweitens, daß wir die Arbeiten nur machen laſſen, um die Armendirektion zu entlaſten. Nein, dieſer Vorlage liegt ein bedeutſames ethiſches Moment zugrunde: es ſoll ſolchen Leuten die Möglichkeit gegeben werden, durch ihre Arbeit etwas, wenn es auch relativ noch ſo unbedeutend iſt, ſelbſt zu verdienen, um ihnen die Inanſpruchnahme von Armenmitteln ſo lange wie möglich zu erſparen. Das iſt der ſpringende Punkt. Ich möchte bitten, das nicht zu verkennen und die Sache noch heute zu erledigen. Stadtv. Wöllmer: Meine Herren, ich glaube, daß wir den Ausführungen des Herrn Bürger⸗ meiſters zuſtimmen können, daß wir einſtweilen ruhig im Sinne dieſer Ausführungen die Vornahme derartiger Notſtandsarbeiten akzeptieren und dieſes vom Herrn Kollegen Hirſch als Spielerei bezeichnete Experiment ruhig riskieren können. Da Herr Kollege Hirſch ſelbſt keinen großen Wert auf die Ausſchußberatung legt, ſondern von vornherein die Vorlage abzulehnen wünſcht, ſo bitte ich ihn, den Antrag auf Ausſchußberatung zurückzuziehen. Ich glaube, wir werden bereit ſein, die Vorlage auch ohne Ausſchußberatung anzunehmen. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Berichterſtatter Stadtv. Hirſch (Schlußwort): Meine Herren, es freut mich, daß der Herr Bürger⸗ meiſter von vornherein der Überzeugung war, daß ich der Vorlage ablehnend gegenüberſtehen würde, Damit hat der Herr Bürgermeiſter zu⸗ gegeben, daß ich mir wenigſtens konſequent geblieben bin. Ich habe mich nämlich gewundert, 337 dieſe Vorlage an einen Ausſchuß verweiſen, ſo daß verſchiedene Herren aus der Verſammlung; und zwar nicht etwa von einer Fraktion, ſondern von verſchiedenen Fraktionen, zu mir ſagten: Sie werden doch für die Vorlage ſein — und ganz erſtaunt darüber waren, als ich ihnen erklärte, daß ich einer ſolchen Vorlage nicht zuſtimmen würde. Das beweiſt doch, daß die Herren Kollegen meine Anſchauung nicht ſo richtig verſtanden haben wie der Herr Vertreter des Magiſtrats. Der Herr Bürgermeiſter ſagt, es ſei nicht richtig, daß vollſtändig wertloſe Arbeiten gemacht werden würden. Ja, ich glaube doch, daß das richtig iſt; denn in der Vorlage heißt es: es ſollen Arbeiten bei der Straßenreinigungsverwaltung verrichtet werden, und zwar Arbeiten, die bisher überhaupt nicht oder wenigſtens in dem heute vorgeſehenen Um⸗ fange nicht verrichtet worden ſind. Wenn Sie ſich die Akten durchſehen, werden Sie finden, daß die Arbeiten, um die es ſich handelt, nach einem Schreiben der Deputation für Straßenreinigungs⸗ und Feuerlöſchweſen vom 7. Februar in der Haupt⸗ ſache darin beſtehen, daß der Hundeſchmutz, Papier uſw. von den Promenaden entfernt werden. (Zuruf: Doch ſehr notwendig!) — Eine ſehr notwendige Verrichtung, meine Herren, aber ich frage Sie: iſt das bisher in Char⸗ lottenburg nicht geſchehen? Das können doch un⸗ möglich die Arbeiten ſein, die bisher nicht verrich⸗ tet worden ſind. (Heiterkeit.) Ich wollte nur auf dieſen Widerſpruch zwiſchen den Akten und der Begründung der Vorlage hin⸗ weiſen. Der Herr Bürgermeiſter hat das ethiſche Moment hervorgehoben. Ich bin der letzte, der beſtreiten wollte, daß es weit beſſer iſt, man ver⸗ ſchafft denen, die noch arbeiten können, Arbeit, als daß man ſie der Armenverwaltung überweiſt. Gerade meine politiſchen Freunde ſtehen ja auf dem Standpunkte, daß ſie lieber alles andere tun als ſich an die Armenverwaltung wenden. Aber wenn jemand noch imſtande iſt, für die Geſellſchaft, in dieſem Falle für die Stadt Charlottenburg, nützliche Arbeiten zu verrichten, dann ſoll man ſie von ihm verrichten laſſen zu den Arbeitsbedin⸗ gungen, zu denen man ſonſt Arbeiter anſtellt, das heißt: man ſoll ihn anſtändig dafür entlohnen. Man ſoll in ihm aber nicht das Gefühl hervorrufen, daß es ſich ja doch nur um Arbeiten handelt, die man ihm aus Gnade und Barmherzigkeit anweiſt. Wenn ſich dies Gefühl in dem beſchränkt Erwerbs⸗ fähigen regen wird, dann iſt das ethiſche Moment, auf das Sie ſo großen Wert legen, vollſtändig in den Hintergrund gerückt. 2 . 4 (Stadtv. Zietſch: Sehr richtig!) Handelt es ſich jedoch um Perſonen, die tatſächlich nichts mehr erwerben können, die alſo zu unter⸗ ſtützen eine Pflicht der Armenverwaltung iſt, dann ſoll man auch nicht herumexperimentieren, ob ſie vielleicht noch zu einem Zehntel oder einem Fünftel erwerbsfähig ſind, ſondern dann ſoll man von jeder Beſchäftigung Abſtand nehmen und ihnen die geringe Unterſtützung der Armenverwaltung geben. Man ſoll alſo ſtreng ſcheiden: auf der einen Seite die Armen, die tatſächlich nicht arbeiten können — ich ſpreche nicht von denen, die nicht wollen —, auf der anderen Seite diejenigen, die noch imſtande ſind, zu arbeiten, nur keine Arbeit haben; un) wenn man den letzten Arbeit verſchafft, dann ſoll