340 Ausſicht nimmt, daß unſer Antrag hier angenommen werden könnte Bürgermeiſter Matting: Ich kann nur be⸗ ſtätigen, daß der Magiſtrat die Geſichtspunkte, die Sie neulich hier entwickelt haben, bei dieſer Vorlage zugrunde gelegt hat. (Stadtv. Hirſch: Dann ſoll ſich der Magiſtrat auf uns ſtützen! — Heiterkeit.) (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magi⸗ ſtrats, wie folgt: Der Entſendung eines Vertreters zu der im September 1909 in Wien ſtattfindenden Generalverſammlung des „Vereins für So⸗ zialpolitit“ wird zugeſtimmt. Die erforder⸗ lichen Mittel ſind dem Dispoſitionsfonds zu entnehmen.) 0 Vorſteher Kaufmann: Punkt 20 der Tages⸗ ordnung: Vorlage betreffend Beſchaffung eines Grund⸗ ſtocks für eine hochbautechniſche Bücherei. Druckſache 212. (Die Beratung wird eröffnet und geſchloſſen. Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Zur Beſchaffung eines Grundſtockes für eine hochbautechniſche Bücherei werden 4000 ℳ bewilligt, die dem Dispoſitionsfonds zu entnehmen ſind.) Punkt 21 der Tagesordnung: Antrag der Stadto. Hirſch und Gen. betr. Streit⸗ punkte beim Waſſerwerksbau. — Druckſache 213. Der Antrag lautet: 9 Die Stadtverordnetenverſammlung wolle beſchließen: Den Magiſtrat um Erhebungen über die Ur⸗ ſachen der bei dem Neubau des Charlotten⸗ burger Waſſerwerks auf den Nonnenwieſen zwiſchen den Arbeitern und der ausführenden Firma ausgebrochenen Differenzen und um Mitteilung des Ergebniſſes der Erhebungen zu erſuchen. Antragſteller Stadtv. Hirſch: Meine Herren, ich bedaure es lebhaft, daß ich jetzt beinahe um die Mitternachtſtunde Ihre Zeit noch in Anſpruch nehmen muß. Aber die Angelegenheit, um die es ſich handelt, ſcheint mir doch für die dabei in Frage kommenden Arbeiter von ſo großer Be⸗ deutung zu ſein, daß ich die Vorgänge wenigſtens in kurzen Zügen ſchildern muß. Es handelt ſich hier wieder einmal um einen Fall, bei dem Differenzen zwiſchen Arbeitern und Unternehmern ausgebrochen ſind, und zwar zwiſchen Arbeitern und denjenigen Unternehmern, die ſeitens der Stadt mit der Herſtellung der Arbeit betraut waren. Das iſt das Bedauerliche, daß ſolche Diffe⸗ renzen natürlich nicht auf die Arbeiter und Unter⸗ nehmer ſelbſt beſchränkt bleiben, ſondern daß ſie immer eine gewiſſe Rückwirkung auch auf die eigentliche Auftraggeberin, die Stadt, ausüben. Sitzung vom 30. Juni 1909 Bei dem Neubau der Charlottenburger Waſſer⸗ werke auf den Nonnenwieſen ſind im ganzen 29 Zimmerleute beſchäftigt geweſen. Obwohl die Arbeitszeit nach dem zwiſchen den Organiſationen vereinbarten Tarife im Sommer 9 Stunden be⸗ tragen ſoll, hat die Firma Reinke & Co., der der Bau übertragen iſt, die Zimmerleute 11 Stunden hindurch beſchäftigt, auch Sonntags und Himmel⸗ fahrt hat ſie die Arbeit der Zimmerleute in Anſpruch genommen und hat außer den 11 Stunden ſogar manchmal noch weitere Überſtunden machen laſſen. Die Vertreter der Organiſation der Arbeiter wurden bei der Firma vorſtellig. Darauf trat inſofern eine Anderung ein, als 3 Tage hindurch nur 10 Stunden gearbeitet wurde. Da der Bau angeblich eilte, ſollten die Zimmerer wieder 11 Stunden arbeiten. Als alle Verſuche, wenigſtens die zehn⸗ ſtündige Arbeitszeit durchzuſetzen — Sie ſehen hieran, daß die Arbeiter zum Entgegenkommen bereit waren —, fruchtlos blieben, hörten die Leute eines Sonnabends, am 5. Juni, nachmittags um 5 Uhr einfach auf. Am Montag kamen ſie wieder, und es wurde ihnen nun geſagt: wer heute nicht bis abends 6 Uhr arbeitet und am Dienstag um 6 Uhr früh wiederkommt — d. h. alſo die von der Firma vorgeſchriebene, mit dem Tarif nicht in Einklang ſtehende Zahl von Stunden arbeitet —, der wird entlaſſen. Darauf beſchloſſen die Arbeiter am 7. Juni, den nächſten Tag überhaupt nicht wieder zu kommen. Dieſem Vorgehen der Zimmerer ſchloſſen ſich ſämtliche Bauarbeiter, Zementierer, Einſchaler uſw. an. Ich betone hier ausdrücklich, daß der tarif⸗ mäßige Lohn für die Zimmerer bezahlt wurde. Nur die tariflich vereinbarte Arbeitszeit wurde nicht innegehalten. Es wurde verlangt, daß die Zimmerer länger arbeiteten, und zwar mit Rückſicht darauf, daß auch die Zementierer länger arbeiten. Nun erhielten die Zementierer, deren Lohn laut Tarif 55 bzw. 50 Pfennig beträgt, nur einen Durch⸗ ſchnittslohn von 43 Pfennig. Um wenigſtens ein einigermaßen einträgliches Einkommen zu haben, haben ſie ſich zu Überſtunden herbeigelaſſen, und dieſem Vorgehen mußten ſich nun wohl oder übel auch die Zimmerer anſchließen. Es wird mir von den Arbeitern, die dort tätig waren, — ich habe mit einer Reihe von Arbeitern geſprochen mitgeteilt, daß ein geregeltes Arbeitsverhältnis überhaupt nicht beſtand. Kein Arbeiter wußte, wann er des Abends nach Hauſe kam. Ebenſo Aure. die Arbeiter über die Behandlung lebhafte Klage. Meine Herren, die Firma Reinke & Co. ſagt, ſie ſei nicht im Verbande der Arbeitgeber und brauchte deshalb den Tarif nicht inne zu halten. Gewiß, die Firma iſt nicht Mitglied des Arbeit⸗ geberverbandes. Aber wenn wir ihr von der Stadt einen Bau übertragen, dann ſollte doch die Stadt, auch wenn die Firma nicht Mitglied des Arbeitgeber⸗ verbandes iſt, darauf dringen, daß ſie die tariflich vereinbarten Bedingungen innehält; denn nur bei Innehaltung dieſer Bedingungen haben wir die Garantie, daß keine Differenzen ausbrechen, und daß die Arbeit zur Zufriedenheit beider Teile erledigt wirdgd. K11utf4 11 11 Rtk2a Nun ſagt die Firma weiter, der Tarif für Groß⸗Berlin komme für ſie gar nicht in Frage; denn das Werk werde ja auf Spandauer Gebiet errichtet. Meine Herren, das iſt eine ſehr große Streitfrage. Gewiß liegt der Neubau zufällig