Sitzuug vom 30. Juni 1909 werten Nachdruck betrieben werden konnte. Das fiel zufällig mit dem Beginn der Arbeitsnieder⸗ legung zuſammen. Der Unternehmer hat aller⸗ dings geſagt, daß es ihm durchaus nicht unangenehm wäre, daß die Leute weggegangen wären; denn infolge der nicht rechtzeitigen Lieferung der Zeich⸗ nungen von ſeiten der Stadt wäre er doch nicht in der Lage geweſen, mit voller Kraft zu arbeiten, er hätte womöglich einen Teil der Arbeiter für eine gewiſſe Zeit entlaſſen müſſen. Alſo die Dar⸗ ſtellung des Herrn Stadtv. Hirſch iſt inſofern irrtümlich, als er glaubt, der Unternehmer habe den Streik begrüßt, weil er dadurch der Auflage einer Vertragsſtrafe wegen Arbeitsverzögerung zu entgehen hoffte, während tatſächlich eine vom Unternehmer zu vertretende Verzögerung da⸗ mals noch nicht vorlag; die Verzögerung iſt damals vielmehr durch die Schuld der Auf⸗ traggeberin, der Stadtgemeinde, entſtanden, und der Unternehmer kann deshalb dafür nicht herangezogen werden. Welche Verzögerungen durch den Streik ſelbſt entſtanden ſind, ob da eine Schadenserſatzforderung berechtigt iſt, alles das wird geprüft werden, wenn der Bau fertig iſt. Wir werden dann, wie in allen anderen Fällen, objektiv zu unterſuchen haben, ob wir von dem Rechte, Schadenserſatz zu verlangen, Gebrauch machen müſſen oder nicht. Stadtv. Wilk: Meine Herren, ich faſſe mich ganz kurz. Ich habe ſeinerzeit die Ehre gehabt, dem Ausſchuſſe anzugehören, der ſich mit der Vor⸗ beratung der Vorlage über dieſe am Waſſerwerk zu errichtenden Gebäude zu befaſſen hatte. Ich ſtand ſeinerzeit noch unter dem Eindruck der Verhand⸗ lungen eines anderen Ausſchuſſes, der ebenfalls ſtädtiſche Arbeiten zu vergeben hatte, des Aus⸗ ſchuſſes für die Vergebung der Fuhrleiſtungen, wo man dem mindeſtfordernden Unternehmer den Zuſchlag erteilte. Auf Grund dieſes Eindrucks hatte ich in dem Ausſchuß, der ſich mit dieſer Frage der Waſſerwerke beſchäftigte, die Anregung ge⸗ geben, man möge doch bei der Vergebung dieſer Arbeiten darauf hinwirken, daß der Unternehmer verpflichtet würde, die mit den Gewertſchaften vereinbarten Löhne zu zahlen. Es wurde mir damals von ſeiten der Herren Magiſtratsvertreter eine ausweichende Antwort gegeben, ſo daß man nicht recht klar daraus werden konnte. Wir haben aber heute die Tatſache zu verzeichnen, daß meine Befürchtung eingetreten iſt. Das kommt davon, wenn man ſich über die Leiſtungsfähigkeit der⸗ artiger Firmen und über ihr Verhältnis zu den Arbeitern nicht richtig informiert. Die Firma C. F. Reinke in Stettin, welcher der Zuſchlag damals erteilt wurde, iſt beſonders in Bauarbeiter⸗ kreiſen als Lohndrückerin bekannt. Die Firma hält den Tarif nicht inne. Sie zahlt den Arbeitern am Waſſerwerk Löhne von 43 bis 45 „; nach dem Tarif hätte ſie an Zementarbeiter 50 bis 55 §, zahlen müſſen. Für Einſchaler zahlt ſie jetzt 50 bis 55 „, nach dem Tarif müßte ſie 62,5 zahlen. Für Zemen⸗ tierer zahlt ſie jetzt 60 bis 62,5 § und hätte nach dem Tarif 72,5 zu zahlen. Sie ſehen alſo, meine Herren, der Tarif wird von der Firma keineswegs eingehalten. Nun hat Herr Stadtrat Seydel angeführt, daß die Leute die Arbeit ohne Angabe eines Grundes niedergelegt haben. Ich beſtreite das. Wenn Herr Stadtrat Seydel ſich darüber informieren wollte, 343 wer der ſchuldige Teil iſt, dann hätte er ſich nicht an die Unternehmer und den Polier, ſondern an die Arbeiter ſelbſt wenden müſſen. Zu dieſer Zeit hätten Sie Gelegenheit genug dazu gehabt. Min⸗ deſtens ſtanden 2 Streitpoſten immer vor der Tür, man brauchte nur einen heranzurufen und ihm zu ſagen: ſchickt euren Vertrauensmann, wir wollen mit dem Vertrauensmann verhandeln. Das iſt nicht geſchehen. Die Poliere nehmen einſeitig die Intereſſen des Unternehmers wahr. Aufgefallen iſt mir noch etwas, was mir auch die Streikenden mitgeteilt haben, nämlich die Ver⸗ wendung, die der ſtädtiſche Bauführer hierbei erfahren hat. Der eigentliche Bauleiter der Waſſer⸗ werke war zur Zeit beurlaubt, und man hatte an ſeine Stelle einen jungen Menſchen geſetzt, der, glaube ich, nur zur Probe eingeſtellt iſt. Der faßte ſeine Tätigkeit ſo auf, daß er ſich weniger mit dem Bau beſchäftigte, als mit der Beaufſichtigung der Streikpoſten. Er hat ſich nach Art der Buſchklepper hinter jeden Strauch gelegt und aufgepaßt, wo er einen Streikpoſten erwiſchen konnte; dann hat er den ſogenannten Spandauer Koſaken — ſo werden die Spandauer Gendarmen genannt — veranlaßt, den Mann zu verhaften. Wenn das die Tätigkeit eines ſtädtiſchen Bauführers iſt, dann würde es wirklich an der Zeit ſein, dieſen Herren ihre Be⸗ ſtimmung etwas klarer vor Augen zu führen. Weiter haben mir die Arbeiter mitgeteilt, daß die Ausführung der Arbeit in der allerunſorg⸗ fältigſten Weiſe geſchehen iſt, daß beiſpielsweiſe beim Zementieren nicht mit der richtigen Sorgfalt zu Werke gegangen iſt; man habe nicht die genügende Menge von Eiſen verwendet, um die Verbindungen zwiſchen dem Zement herzuſtellen. Ich kann das nicht mehr nachprüfen; die Leute, die dabei be⸗ ſchäftigt ſind, haben die Betreffenden darauf auf⸗ merkſam gemacht. Jedenfalls iſt die Firma auf das lebhafteſte an der Sache intereſſiert; ſie iſt eine von den⸗ jenigen Firmen, die immer die billigen Angebote machen, und ſie muß eben darauf bedacht ſein, möglichſt viel aus dem Geſchäft herauszuſchlagen. Es wäre wünſchenswert, wenn der Magiſtrat bzw. die Bauverwaltung ſich etwas näher mit dieſer Firma beſchäftigen würde. Ich habe ſelbſt Gelegen⸗ heit genommen, auch einmal nach dem Bauplatz zu gehen, nicht um mich irgendwie in die Streit⸗ verhältniſſe einzumiſchen, ſondern lediglich deshalb, weil ich früher in dem Ausſchuß geſeſſen habe, der ſich gerade mit dieſen Baulichkeiten zu beſchäft.gen hatte. Ich konnte ja als Laie nicht feſtſtellen, was richtig und was nicht richtig iſt. Jedenfalls iſt es außerordentlich zu bedauern, wenn mit einer ſolchen Firma gearbeitet wird, die die vertraglichen Be⸗ ſtimmungen, die ſich die Arbeiter unter großen Opfern erkämpft haben, nicht inne hält. Zur Ehre und zum Anſehen wird das der Stadt Charlotten⸗ burg nicht gereichen. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, ich bin nicht recht im klaren darüber, zu welchem Zweck und Ziel eigentlich dieſe Debatte führen ſoll. Es iſt zwar der Antrag eingebracht worden, der Magiſtrat ſoll Erhebungen veranſtalten. Die Er⸗ hebungen ſind aber inzwiſchen veranſtaltet worden, ſie ſind Ihnen mitgeteilt worden. Sie haben Sie nach vielen Punkten beſtritten; Sie haben aber für Ihre Behauptungen auch keinen beſſeren Beweis