3 44 angetreten, als der Magiſtrat für die ſeinigen. Herr Stadtv. Wilt hat behauptet, der Unternehmer habe den Tarif nicht eingehalten. Erſtens iſt der Unternehmer nach den Submiſſionsbedingungen uns gegenüber zum Einhalten von Tarifen nicht verpflichtet; zweitens ſind die Tarife, die Herr Stadtv. Wilk bezeichnet hat, offenbar die Tarife für Berlin und Charlottenburg. Hier iſt aber feſtgeſtellt worden, daß für dieſen Unternehmer dieſe Tarife nicht in Frage kommen. (Zuruf bei den Sozialdemotraten.) — Nach den Ausführungen des Herrn Stadtrats Seydel iſt das zweifellos nicht der Fall. — Es bliebe die Frage übrig, ob der Unternehmer verpflichtet geweſen wäre, nach den Tarifbedingungen den Neunſtundentag einzuhalten. Selbſt wenn es der Fall wäre, daß das tarifmäßig für Spandau zuträfe, ſo bleibt doch beſtehen, daß eine derartige Ver⸗ pflichtung der Stadtgemeinde gegenüber nach den gegenwärtigen Submiſſionsbedingungen nicht vor⸗ liegt. Ich weiß alſo nicht, zu welchem Zwecke wir hier weiter verhandeln ſollen. Nun könnte die Möglichkeit beſtehen, daß man beabſichtigt, der Magiſtrat ſolle unter keinen Um⸗ ſtänden einem derartigen Unternehmer Vorſchub leiſten durch Verlängerung der Friſt. Kein Menſch hat behauptet, daß die Friſt bereits zugunſten des Unternehmers verlängert worden ſei. Es wird ſich finden, ob der Bau rechtzeitig fertiggeſtellt werden wird und Konventionalſtrafen eingefordert werden ſollen. Wenn etwa die Deputation eine Kon⸗ ventionalſtrafe wegen des Streits niederſchlagen ſollte, dann wäre der Zeitpunkt gekommen, wo die Stadtverordnetenverſammlung fragen könnte: weshalb hat ſie das getan? Meine Herren, ich möchte wirklich bitten, für den Augenblick von weiteren Verhandlungen Abſtand zu nehmen und den Verlauf der Angelegenheit abzuwarten. Stadtv. Wöllmer: Ich möchte nicht in die Einzelheiten einſteigen, ſondern bloß folgendes konſtatieren. Die Behauptungen des Herrn Kollegen Wilk und des Herrn Kollegen Hirſch widerſprechen ſich einigermaßen. Herr Kollege Wilk bezeichnete den Unternehmer als einen Lohndrücker, und Herr Kollege Hirſch ſtellte ausdrücklich feſt, daß der Unternehmer den tarifmäßigen Lohn bezahlt habe. (Stadtv. Hirſch: Für Zimmerer!) — Für Zimmerer. — Herr Stadtrat Seydel geht noch darüber hinaus und erklärt, daß der Unter⸗ nehmer noch über den tarifmäßigen Lohn, nämlich 75 „„, wenn ich ihn recht verſtanden habe, an die Zimmerer bezahlt habe. Freilich hat er nicht die tarifmäßig hier geltende neunſtündige Arbeitszeit eingehalten. Aber ſelbſt dann würden ſich die Ar⸗ beiter immer noch beſſer ſtehen — ſo habe ich die Ausführungen des Herrn Stadtrats Seydel ver⸗ ſtanden —, wenn ſie bei zehnſtündiger Arbeit 72 „ erhalten als bei neunſtündiger Arbeit 75 . Wenn Herr Kollege Wilk dem Magiſtrat vorwirft, daß er einſeitig informiert ſei, ſo trifft dieſer Vor⸗ wurf in nicht geringem Maße auf die Kollegen Wilk und Hirſch zu. Ich bin auch der Anſicht des Herrn Bürgermeiſters: ich weiß nicht, wohin wir heute treiben ſollen, welches das Ziel der Debatte iſt. Wir unſererſeits —ich glaube, im Namen meiner Freunde ſprechen zu dürfen — erklären uns durch die Ausführungen des Magiſtrats für befriedigt und halten damit den Antrag für erledigt. Sitzung vom 30. Juni 1909 Vorſteher Kaufmann: Ich möchte mir zu bemerken erlauben: der Antrag lautet, es ſollen Erhebungen angeſtellt werden. Dieſe Erhebungen ſind angeſtellt worden, und ihr Ergebnis iſt Ihnen mitgeteilt worden. Ob Sie das befriedigt oder nicht, dem Wortlaut des Antrags iſt Genüge ge⸗ ſchehen. Wenn Sie irgend welche Folgerungen daraus ziehen wollen, ſo müſſen Sie einen neuen Antrag an uns gelangen laſſen. Der Antrag ſelbſt iſt damit wohl erledigt. Ich würde auch bitten, das Thema nicht über den Antrag hinaus auszudehnen. Herr Kollege Wilt hat vorhin neue Dinge hinein⸗ geworfen, die nicht direkt in Verbindung mit dem Antrage ſtehen. Stadtv. Wilt: Ich möchte nur darauf hin⸗ weiſen, in was für eine unangenehme Lage die Gewerkſchaften kommen, wenn derartige tarif⸗ untreue Unternehmer von der Stadt beſchäftigt werden. (Unruhe.) Etwa 500 m von den ſtädtiſchen Waſſerwerken entfernt errichtet beiſpielsweiſe die Firma Siemens und Halske irgend welche Baulichkeiten, wo eben⸗ falls Zementierer und Einſchaler beſchäftigt ſind. Die Leute erhalten nun den tarifmäßigen Lohn. Was werden die Berliner Unternehmer ſagen? Die werden erklären: draußen am Nonnendamm wird für die Stadt Charlottenburg ein Gebäude errichtet, und da braucht der Unternehmer den Lohn nicht zu bezahlen. — Ich wollte das bloß anführen, um darzutun, zu welchen unangenehmen Begleiterſcheinungen das in Arbeiterkreiſen, be⸗ ſonders in Gewerkſchaftskreiſen, führen muß. Borſteher Kaufmann: Ich bitte, mich nicht mißzuverſtehen; ich will keine Korrektur Ihrer Ausführungen eintreten laſſen. Sie ſprachen aber von tarifuntreuen Unternehmern, und ſoviel ich vorhin verſtanden habe, ſind die Unternehmer überhaupt nicht in ein Tarifverhältnis mit den Arbeitern eingetreten, ſondern ſtehen außerhalb der Tarife. Alſo tarifuntreu können ſie nicht ſein, weil ſie nicht Kontrahenten dieſes Tarifs geweſen ſind. Sie haben auch wohl nur ſagen wollen, daß die Unternehmer ſich den Tarifuſancen der anderen Unternehmer nicht angeſchloſſen haben. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Antragſteller Stadtv. Hirſch (Schlußwort): Meine Herren, man kann geteilter Meinung darüber ſein, ob unſer Antrag durch die bloße Ausſprache erledigt iſt oder nicht. Ich würde ihn für erledigt betrachten, wenn tatſächlich der Magiſtrat un⸗ parteüſch objektive Erhebungen angeſtellt und das Ergebnis dieſer Erhebungen mitgeteilt hätte. Das hat der Magiſtrat nicht getan. Er hat einſeitig die Unternehmer gefragt, hat aber nicht den anderen Teil gehört, (Stadtv. Wöllmer: Ebenſo wie umgekehrt!) und er iſt infolgedeſſen nicht imſtande geweſen, uns eine objektive Auskunft zu geben. — Herr Kollege Wöllmer ruft mir zu, wir hätten um⸗ getehrt nur die Arbeiter gefragt. Gewiß, meine Herren; wir haben nämlich gar nicht die Möglichkeit, die Unternehmer zu fragen. Der Magiſtrat hat aber die Möglichkeit, Vertreter der Arbeiter zu befragen. Ich habe auch von vornherein betont, daß es ſich nur um Angaben der Arbeiter handelt.