352 die Bemerkungen unſerer Herren Dezernenten darin finden, ſo werden Sie ſogleich bemerken, daß darin eine ganze Reihe von Behauptungen aufgeſtellt ſind, die durchaus unhaltbar ſind. Die Tendenz dieſes Schreibens iſt die — wie Herr Stadtrat Profeſſor Jaſtrow, der mangels anderer Kräfte uns vor dem Bezirksausſchuß vertreten mußte, ausgeführt hat —: der Vertrag trüge den Charakter einer societas leonina; ich möchte ſagen: der Vertrag iſt geſchildert als einer, den jemand mit dem Knüppel in der Hand einem ohnmächtig Daliegenden abgerungen hat, nicht als ein ſolcher, der in langen Verhandlungen zuſtande gekommen iſt. Es wird uns zunächſt der Vorwurf der Ver⸗ ſchleppung gemacht, den inzwiſchen die Vertreter Schönebergs zurückgezogen haben. Ich habe Ihnen bereits ausgeführt, daß die Schwierigkeit der Materie ſelber, vor allem aber die ſtets wechſeln⸗ den Projekte der Schöneberger Gemeinde die länger dauernden Verhandlungen veranlaßt haben. Das iſt auch vor dem Bezirksausſchuß von dem Herrn Magiſtratsaſſeſſor Dr Kayſel und Herrn Stadtbaurat Gerlach zugegeben worden: es iſt durchaus richtig, daß Charlottenburg mit tunlichſter Beſchleunigung, mit Ernſt und Eifer ſtets dieſe vorliegenden Projekte bearbeitet hat und aus eigenſtem Intereſſe dahin geſtrebt hat, ein de⸗ finitives Reſultat zuſtande zu bringen. Meine Herren, die Differenzpunkte, um die es ſich handelt, ſind meiner Meinung nach ganz und gar irrtümlich dargeſtellt. Ich habe Ihnen bereits ausgeführt, daß es die Schöneberger Stadt⸗ verordnetenverſammlung war, die Abänderungen gemacht hat, und nicht wir. Es wird die Streichung des § 17 Abſ. 6, die von der Schöneberger Stadt⸗ verordnetenverſammlung vorgenommen iſt, als eine Kleinigkeit hingeſtellt, die in keiner Weiſe uns hätte beeinfluſſen dürfen, irgendwelche Anderungen vorzunehmen, und die übrigen Beſtimmungen des Vertrages, der, wie Sie ja wiſſen, ſich nicht allein mit dieſen Untergrundbahnprojekten befaßte, ſon⸗ dern die Beſeitigung eines alten Streites wegen des ſchwarzen Grabens und eine Grenzregulierung vorſah, und der, ſoweit die Untergrundbahn in Betracht kam, die Abtretung der Schöneberger Wieſen vorſah, werden ſo dargeſtellt, daß man ſich nur wundern kann, daß Schöneberg dieſen Vertrag überhaupt hätte unterſchreiben können. Was die Schöneberger Wieſen angeht, ſo wird ihre Ab⸗ tretung als ein Opfer beſchrieben, das für Schöne⸗ berg mehrere Millionen wert wäre. Nun, ein jeder weiß, daß der Wert der Schöneberger Wieſen in dem liegt, was Charlottenburg einmal daraus machen wird, und da Schöneberg alles wieder⸗ bekommt, was es irgend einmal darauf aufge⸗ wendet hat, ſo kann von einem Opfer meiner Meinung nach überhaupt nicht geredet werden. Es wird ferner der Straßenregulierungsvertrag ſo kritiſiert, als ob wir ihn nur gemacht hätten, um uns Vorteile zu ſichern, und nur ganz nebenbei findet ſich die Bemerkung, daß der Straßenregu⸗ lierungsvertrag im Intereſſe der Allgemeinheit, der Anwohner gemacht wird, die ſowohl Schöne⸗ berger wie Charlottenburger ſind. Und dann ver⸗ geſſen die Herren ganz bei der Kritik dieſer Vor⸗ ſchläge, daß eine ganze Reihe von dieſen Vor⸗ ſchlägen, die ſie abfällig kritiſieren, von ihnen ſelber gemacht worden ſind: z. B. die Hergabe der Schöneberger Wieſen, ferner in der Beleuchtungs⸗ Sitzung vom 25. Auguſt 1909 frage dasjenige, was definitive Vertragsform an⸗ genommen hatte. Und dann frage ich Sie nur eins: wie wäre es möglich, daß der geſamte Ma⸗ giſtrat von Schöneberg wirklich einen ſolchen Ver⸗ trag annimmt und gutheißt, der ſo ungünſtige Be⸗ dingungen für dieſe Stadt enthält? und wie wäre es endlich möglich, daß eben dieſer Magiſtrat einen ſolchen Vertrag der Stadtverordnetenverſammlung dieſer Stadt zur Annahme aufs wärmſte empfiehlt? Ich weiß nicht, ob die Schreiber ſich darüber klar geworden ſind, welch herbe Kritik ſie eigentlich hier über ihren eigenen Magiſtrat fällen, und zu welcher Rolle ſie ihre Stadtverordnetenverſamm⸗ lung verurteilen. Meine Herren, aus allen dieſen Gründen, die dort angeführt werden, läßt ſich abſolut kein Bild machen, warum denn nun auf einmal der Schöne⸗ berger Magiſtrat ſo feindſelig gegen uns vor⸗ gegangen iſt und das Ergänzungsverfahren be⸗ antragt hat. Aus dieſen Gründen, die in dem Schriftſtück enthalten ſind, mimmermehr. Man muß alſo nach anderen Gründen ſuchen. Und da iſt zunächſt einmal eine Spur, die mich leitet, und die ich in den Akten gefunden habe: das iſt die Ausſage des Stadtbaurats Gerlach vor dem Be⸗ zirksausſchuß. Da heißt es: Es iſt uns alſo der Wink gegeben worden, daß wir doch unter allen Umſtänden dafül ſorgen ſollten, daß der Paragraph aus dem großen Vertrage, den wir mit Charlottenburg abzuſchließen im Begriffe waren, verſchwinde. Wir waren dicht vor der Einigung; aber die Beſeitigung dieſes Paragraphen hat uns doch in letzter Stunde, nachdem uns der Wink gegeben wurde, ſehr am Herzen gelegen. Darauf iſt Charlottenburg nicht eingegangen, — was, nebenbei bemerkt, nicht richtig iſt, wie ich ſchon ſagte K und es blieb uns nichts anderes übrig, als das Ergänzungsverfahren einzuleiten, um bei der Löſung der großen Frage unabhängig zu ſein. Wer nun derjenige iſt, der dieſen bedeutſamen und großen Wink gegeben hat, wer in der Macht iſt, einen ſo großen Zeigefinger zu beſitzen, das weiß ich nicht. Darüber bin ich auf Vermutungen an⸗ gewieſen, und die möchte ich Ihnen hier nicht weiter produzieren. Es gibt aber noch einen andern Grund, der das Verhalten Schönebergs einigermaßen erklärlich macht, und dieſen Grund finden wir auch feſtgelegt ſowohl in dem Schreiben des Oberbürgermeiſters vom 30. Juni als auch in einem zweiten Schreiben desſelben Herrn. Es heißt da: Inzwiſchen hat eine Nachfrage, die wir geſtern im Miniſterium der öffentlichen Ar⸗ beiten gehalten haben — „geſtern“ iſt hier der 29. Juni — die Sachlage weſentlich verändert. Uns iſt mitgeteilt worden, daß für die drei Bahnen Dahlems, Wilmersdorfs und der Hochbahn eine grundſätzliche Zuſtimmung des Miniſters vorliege; daß ferner der Miniſter erklärt habe, er erblicke in der Verſtärkungslinie der Hoch⸗ bahngeſellſchaft aus der Kleiſtſtraße in die Nettelbeckſtraße eine Löſung des Konflikt⸗ zwiſchen den beteiſigten Gemeinden; er werde endlich, wenn von dem Unternehmer ein Antrag auf Genehmigung dieſer Trace ge⸗ ſtellt werde, auch zu dieſer Linie ſeine Zu⸗ ſtimmung erteilen. 2