Sitzung vom 25. Auguſt 1909 353 Meine Herren, hier liegt des Rätſels Löſung: die Materie außerordentlich ſchwierig wäre, und zwiſchen dem erſten und zweiten Briefe des Oberbürgermeiſters Wilde hat man dieſe Er⸗ kundigungen im Miniſterium der öffentlichen Arbeiten angeſtellt, und jetzt ſah man, daß der ganze Vertrag, den man mit uns ſchließen wollte, unter dieſen Umſtänden für Schöneberg höchſt ungünſtig werden könnte, und nun benutzte man die formale kleine Lücke, die unſere Anderung ge⸗ geben hatte, nicht nur, um aus dieſem Vertrage herauszukommen, ſondern um gleichzeitig uns den Krieg zu verkünden und zum Kadi zu laufen. Meine Herren, ich bin Kaufmann, und derartige Situationen ereignen ſich im kaufmänniſchen Leben häufig; aber zwiſchen Firmen, die ſich reſpektieren, pflegt man dann gewöhnlich anders zu verfahren; (ſehr richtig!) man pflegt mit vollſter Offenheit vorzugehen und zu ſagen: wir haben die Möglichkeit, aus dem Vertrage herauszukommen, wir benutzen ſie nicht, aber ihr müßt das einſehen, wir wollen den Vertrag verändern und über die 100 m einen neuen Vertrag machen. Ich bin überzeugt: die Einigung, die wir heute erſtreben, hätte ſich damals in wenigen Stunden erreichen laſſen. (Sehr richtig!) So wäre iſch vorgegangen, meine Herren; ich glaube, auch viele andere. Nun aber hat Schöne⸗ berg dies Vorgehen nicht beliebt, ſondern, wie geſagt, es hat die Klage auf Ergänzung unſerer Zuſtimmung eingereicht und, wie Sie aus der Vorlage erſehen, mit dieſer ſeiner Klage auch zunächſt einen Erfolg erzielt. Meine Herren, ich muß auf dieſes Ergän⸗ zungsverfahren wenigſtens auf die äußere Form desſelben wieder etwas eingehen, wenn ich hier auch in den juriſtiſchen Fragen nicht dilettieren will. Meine Herren, ich habe bereits vorhin erwähnt, daß dem Charlottenburger Magiſtrat nur fünf Tage Zeit gelaſſen wurden, um auf dieſe umfangreiche Denkſchrift von Schöneberg zu erwidern. Von dieſen fünf Tagen war ein Tag ein Sonntag, ein Tag der Eingangstag, ſo daß im ganzen nur drei Tage übrig blieben — und das zu einer Zeit, wo beide Bürgermeiſter, der Dezernent, der Syndikus abweſend waren, wo der Stadtbaurat die Geſchäfte des Magiſtratsdirigenten leitete, der aber, wie Sie wiſſen, wenige Tage vorher vom Urlaub zurückgekehrt war und deswegen mit dieſen letzten Dingen nicht ſo vertraut war, wie er es ſonſt mit dem Laufe der Begebenheiten iſt. Trotz alledem, obgleich proteſtiert wurde gegen dieſes Verfahren und darauf verwieſen wurde, daß dieſe kurze Zeit durchaus nicht der Billigkeit ent⸗ ſpräche, blieb es dabei, und man mußte in dieſer kurzen Zeit die Antwort verfaſſen. Meine Herren, ſie iſt verfaßt worden, und ſie iſt, glaube ich, auch g ſehr gut verfaßt worden. Aber trotz alledem hätte eine ganze Reihe von Dingen, die ich Ihnen hier vortrage, und die ſich in ſpäteren Schrift⸗ ſtücken auch finden, doch noch eingehender aus⸗ einandergeſetzt werden können, als es in diefer kurzen Zeit möglich war. Auf Einladung des Bezirksausſchuſſes fand am 16. Juli noch eine Konferenz ſtatt, eine Kon⸗ ferenz, von der eigentlich die neuen Einigungs⸗ verhandlungen datieren. Es wurde vom Dele⸗ gierten des Bezirksausſchuſſes anerkannt, daß in Ausſicht geſtellt, daß wahrſcheinlich am 20. nicht verhandelt werden könnte. Trotzdem traf am 19. die telegraphiſche Mitteilung ein, man ſollte an der Verhandlung am 20. teilnehmen. (Unruhe.) Der Stadtbaurat war durch die Geſchäfte als Magiſtratsdirigent ſehr in Anſpruch genomm en, und ſo kam es, daß Herr Stadtrat Jaſtrow und der Magiſtratsaſſeſſor Thurow die Stadt Char⸗ lottenburg vertreten mußten, eine Aufgabe, die für Herrn Stadtrat Jaſtrow nach ſeinen eigenen Mitteilungen ſehr undankbar war; (hört, hört!) denn er wußte nicht, was dort verhandelt werden würde. Man hat dort verhandelt und iſt nach zweiſtündiger Verhandlung zu einem für Char⸗ lottenburg ungünſtigen Ergebnis gekommen. Das ganze Verfahren hat alſo nicht länger als drei Wochen gedauert. Wenn, wie ich aus Erfahrung weiß, es bei einer ganz gewöhnlichen Klage vor dem Bezirksausſchuß nahezu zwei Jahre dauern kann, ehe ein Termin anberaumt wird, ſo muß ich in dieſer Beſchleunigung des Verfahrens jedenfalls einen Fortſchritt ſehen, (Heiterkeit) aber ich muß doch fragen, ob es richtig war, gerade in dieſer Frage einen Rekord an Schnell⸗ juſtiz aufzuſtellen, wie er ſo bald und ſo leicht nicht wieder übertroffen werden dürfte. (Bravo!) Ich bewundere auch die Herren vom Bezirksaus⸗ ſchuß, daß ſie in dieſer zweiſtündigen Beratung mit einer der ſchwierigſten Fragen, die augen⸗ blicklich die Juriſtenwelt beſchäftigt, fertig geworden ſind, nämlich mit der Frage: iſt in dem vorliegenden Fall Ergänzung, Enteignung oder vielleicht beides geboten? — eine Frage, über die die beiden ein⸗ zigen Kommentatoren, die exiſtieren, ſich ſehr ver⸗ ſchieden ausſprechen. Der eine ſpricht ſich poſitiv für die Anſicht Charlottenburgs aus, nämlich daß nur Enteignung, eventuell höchſtens Enteignung und Ergänzung zuläſſig ſei; der andere, unſer früherer Kollege Gleim, ſpricht ſich zum mindeſten nicht gegen die Anſicht Charlottenburgs aus, wenn er auch ſehr gewunden die allenfalſige Möglichkeit der Ergänzung bei der Anlage von Unterpflaſter⸗ bahnen zugibt, unter Bedingungen, die meines Er⸗ achtens für dieſes Projekt gar nicht vorliegen könn⸗ ten. Aber die Herren vom Bezirksausſchuß ſind doch in der Lage geweſen, ſich in dieſer kurzen Zeit ein Urteil zu bilden; ich kann ihnen zu dieſer Ent⸗ ſchlußfähigkeit nur gratulieren. 227 (Heiterkeit.) 42 14. Meine Herren, ich ſehe aus den Akten, daß unſer Magiſtrat die zunächſt möglichen Mittel er⸗ griffen hat: er hat gegen dieſes Erkenntnis des Bezirksausſchuſſes Proteſt beim Provinzialrat ein⸗ elegt und gebeten, die Entſcheidung des Bezirks⸗ ausſchuſſes aufzuheben; er hat aber gleichzeitig. um die Angelegenheit auf den Weg der ordent⸗ lichen Gerichte zu verweiſen, eine Feſtſtellungs⸗ klage beim Landgericht I1I angeſtrengt, für welche bereits für den 17. Auguſt ein Termin angeſetzt war; dieſer iſt infolge der inzwiſchen eingetretenen Vergleichsverhandlungen wieder aufgehoben worden. Man weiß nicht, was werden wird. Es könnte ſich ergeben, daß der Kompetenzkonflikt erhoben wird, und die vorgeſetzte Behörde, welche angerufen wird, entſcheidet, welche Inſtanz das