Sitzung vom 8. September 1909 an die Adreſſe einer größeren Anzahl namentlich genannter Lehrer richten, und man könnte nun der Meinung ſein, dieſer Beſcheid vom 6. auf einen Bericht vom 2. habe noch nicht Gelegenheit gehabt, die ganz neuerdings erörterten Tatſachen zu prüfen, und ſei infolgedeſſen heute noch nicht als erſchöpfend anzuſehen. Infolgedeſſen habe ich Gelegenheit ge⸗ nommen, heute vormittag noch im Provinzial⸗ ſchulkollegium perſönliche Informationen einzu⸗ holen, und ich kann beſtätigen, daß das Königliche Provinzialſchulkollegium durch ſeinen Präſidenten den Inhalt dieſer Verfügung auch den neueſten, uns jetzt erſt bekannt gewordenen Mitteilungen gegenüber vollinhaltlich aufrecht erhält, mit dem ausdrücklichen Bemerken, daß in keiner Hinſicht nicht einmal ein Zuſammenhang, geſchweige denn ein Verſchulden der Schule an dieſen beiden un⸗ glückſeligen Vorgängen hat konſtatiert werden können. Die Charlottenburger Preſſe hat ſich nun natürlich mit ganz beſonderem Recht neuerdings dieſer Angelegenheit angenommen. In der „Neuen Zeit“ finden wir unter dem heutigen Datum des 8. September eine Erörterung der Angelegenheit, die beſtimmte Fragen ſtellt: 1. Iſt es richtig, daß ein Lehrer des Real⸗ gymnaſiums, ein Profeſſor, den jungen Brück vor zwei Monaten geohrfeigt hat? Dieſe Frage iſt zu verneinen. Eine Ohrfeige iſt dem jungen Brück von dem hier in der Zeitung ge⸗ nannten Profeſſor nicht verabfolgt worden. 2. Hat Brück, als er ſich beſchweren wollte, zunächſt vergeblich verſucht, bei Herrn Di⸗ rektor Dr Hubatſch vorgelaſſen zu werden? Auch dieſe Darſtellung entſpricht nicht den Tat⸗ ſachen. Der junge Brück hat allerdings verſucht, den Herrn Direktor zu ſprechen, fand die Tür ver⸗ ſchloſſen, hat ſich dann wieder wegbegeben und iſt nicht wiedergekommen. Am nächſten Tage hat inzwiſchen ſein Vater die Angelegenheit durch mündliche Ausſprache mit dem Profeſſor erledigt, und es iſt infolgedeſſen keine Veranlaſſung geweſen, der Angelegenheit irgendwelchen weiteren Fort⸗ gang zu geben, zumal ſie nach keiner Richtung danach angetan war und in ihrem Ausgange vor allen Dingen nicht den Charakter trug, als ob man irgendwie hätte vermuten können, daß ſie eine derartige Entſchließung in dem jungen Brück hätte zur Tat reifen laſſen können. Die dritte Frage lautet: Iſt es ſchließlich zutreffend, daß ein anderer Lehrer des Realgymnaſiums, gleichfalls ein Profeſſor, den jungen Scalla — an dem⸗ ſelben Tage, an welchem dieſer Selbſtmord beging — „heruntergemacht“ hat, weil er ſich im Lateinunterricht auf einen Namen nicht beſinnen konnte? Iſt Scalla von dem⸗ ſelben Profeſſor empfohlen worden, von der Schule abzugehen, wenn er nichts Beſſeres zu leiſten vermöge? Meine Herren, die dieſer dritten Frage zugrunde liegende Tatſache iſt zunächſt von vornherein ſo wenig präziſiert, ſie deutet ſo wenig Gravierendes an, ſtützt ſich auf ſo wenig konkrete Vorwürfe, daß man eine beſtimmte Antwort darauf zu er⸗ teilen gar nicht in der Lage iſt. Sie enthält daher, ſelbſt wenn ſie bejaht werden ſollte, ſo wenig, das zu der Feſtſtellung Veranlaſſung geben könnte: dieſer Vorgang hat in dem unglückſeligen jungen Manne den Entſchluß zu der Tat hervorgerufen, 361 daß man füglich unter Verzicht auf eine beſtimmte Antwort darüber hinweggehen kann. Es wird wohl jedem von Ihnen in Erinnerung ſein, daß er einmal bei einer ſchlechten Leiſtung von einem Lehrer Bemertungen auch des Inhalts zu erfahren bekommen hat: „Was ſitzen Sie denn hier unnütz Ihre Zeit ab, tun Sie doch etwas Beſſeres!“ — und ich muß ſagen, um hier gleich eine Betrachtung anzuknüpfen, die Art und Weiſe, wie die ganze Angelegenheit zu allgemeinen Angriffen gegen die Schule verwendet worden iſt, die zweifellos, wie Herr Stadtv. Otto ſchon feſtgeſtellt hat, mit der eigentlichen Tat abſolut nichts zu tun haben, ſcheint mir doch für eine erhebliche Übertreibung der ganzen Angelegenheit zu ſprechen. (Sehr richtig!) Meine Herren, wenn Sie ſich das alles zu⸗ ſammenſtellen, was von den beiden Selbſtmorden hier geſagt worden iſt, ſo gilt für den einen: er ſoll eine Ohrfeige bekommen haben — das iſt nicht wahr; er ſoll in der Chemie recht viele Schwierig⸗ keiten gehabt haben — zugegeben! Aber daraus, daß einem jungen Manne ein Nebenfach Schwierig⸗ keiten bereitet, dürfte ſich wohl ein normaler junger Mann ſicherlich nicht zu einer derartigen Tat ver⸗ leiten laſſen. (Sehr richtig!) 1 und was nun ſonſt nebenher geſagt iſt, daß der Chemielehrer mal geraucht haben ſoll, oder daß er mal den Eindruck gemacht haben ſoll — den Schülern natürlich —, was ſicherlich nicht den Tat⸗ ſachen entſpricht, als ob er nicht nüchtern geweſen ſei, — meine Herren, was hat das mit dieſem Vor⸗ gang zu tun? Auch nicht das Allermindeſte! . (Sehr richtig!) Nach meiner Erinnerung iſt über dieſen Fall in den Zeitungen nichts weiter enthalten. Wir können, ſoweit der Fall Brück in Frage ſteht, damit das Material als erſchöpft anſehen. Was nun den Fall Scalla anbetrifft, von dem es feſtſteht, daß er einer der beſſeren Schüler ge⸗ weſen iſt, ſo wird hier erſtens das „Heruntermachen“ als etwas erwähnt, was zur Beſchwerde gegen die Schule Veranlaſſung gibt, dann, daß ein Aufſatz⸗ thema gegeben worden ſei, das nicht angemeſſen geweſen ſei, das den Schülern Schwierigkeiten gemacht habe — was im übrigen auch nach den angeſtellten Ermittelungen durchaus nicht ſach⸗ gemäß dargeſtellt iſt —, und daß überhaupt die Leiſtungen in der Klaſſe in einigen Fächern, Deutſch und Geſchichte, in der letzten Zeit nicht befriedigend geweſen ſeien, daß die Klaſſe zurückgegangen ſei in ihren Leiſtungen. Das alles hat doch abſolut mit dem ganzen Fall Scalla, ſo traurig er iſt, nichts zu tun! Im übrigen hat, wie ich gleich mitteilen will — das hat ja für die Beurteilung der ganzen Sache immerhin eine gewiſſe Bedeutung — von keiner Seite — ich habe das heute im Provinzialſchul⸗ kollegium ausdrücklich beſtätigt erhalten ein Zuſammenhang der beiden Selbſtmorde unter⸗ einander feſtgeſtellt werden können. Es ſcheint, daß ein ſehr eigentümliches, zufälliges Zuſammentreffen hier vorliegt. Wenn ein wirk⸗ licher Zuſammenhang vorhanden wäre, ſo wäre es ja vielleicht gerechtfertigt, aus den Beziehungen, die die beiden jungen Leute in der Schule und durch die Schule zu einander bekommen haben, irgendeine Vermutung gegen die Schule herzuleiten. Von alledem iſt abſolut nichts der Fall.