Sitzung vom 8. umgedreht. Brück, der in der Oberſekunda war, an einer un⸗ heilbaren Krankheit gelitten habe. Das habe ich nicht geſagt; ich habe nur geſagt: der Schüler hat ſich eingebildet und es iſt in ihm zur Wahnidee geworden, er würde in eine unheilbare Krankheit verfallen. Das habe ich geſagt. Nach den Zeitungsnachrichten aber, die ver⸗ breitet worden ſind, muß die Schule unter allen Umſtänden verantwortlich gemacht werden. Was auch geſagt werden mag: daß die Verhältniſſe ſo lagen, daß in dem Schulleben die Motive zum Selbſtmord nicht geſucht werden können das hat alles nichts genützt; die Schule muß herhalten unter allen Umſtänden! Meine Herren, Sie werden es mir nachempfinden, wenn ich ſage: es iſt leicht und bequem, auf die Schule zu ſchimpfen und den Lehrern Böſes nachzuſagen; aber es muß doch in gerechter und ſachlicher Weiſe geprüft werden, (ſehr richtig!) ob die Vorwürfe begründet ſind oder nicht. Und dieſe Prüfung iſt geſchehen, und die Verfügung des Provinzialſchulkollegiums ſpricht die Anſtalt, die ich die Ehre habe zu vertreten, vollſtändig und nachdrücklich frei. (Bravo!) Ich habe die Verfügung des Provinzialſchulkolle⸗ giums, die mir zugegangen iſt und die mir die Erlaubnis gegeben hat, ſie weiter zu verbreiten, in Abſchrift noch heute an zehn Zeitungen geſandt, (ſehr gut!) um möglichſt bald in einer Reihe von Blättern die Entſcheidung meiner vorgeſetzten Behörde bekannt zu geben. Meine Herren, wenn irgend jemand vor allen anderen das Recht hat, einen Verdacht gegen die Schule auszuſprechen, ſo ſind es doch die Eltern; dieſe ſind doch die Berufenen dazu. Nun liegt hier der Fall ſo, daß die Eltern weder von Scalla noch von Brück irgendwie mit einem Verdacht die Schule getroffen haben, daß die Väter beide und die Mutter von Brück — die Mutter von Scalla iſt gelähmt, ſie kann nicht ausgehen — ſich mit dem größten Vertrauen und mit der größten Offenheit an uns gewandt haben, daß ſie uns freiwillig alles erzählt haben von dem häuslichen Leben, von der Beſchäftigung der Schüler außerhalb der Schule, von ihrer Lektüre, von der Muſik, und was ſie ſonſt getrieben haben. Dann möchte ich Ihnen einen Brief mitteilen, den der Vater von Scalla nach dem Begräbnis an den Ordinarius der Unter⸗ prima gerichtet hat: Hochgeehrter Herr Profeſſor! Von der Gruft meines guten lieben Sohnes zurück⸗ gekehrt, drängt es mich, Ihnen ſowie Ihren Herren Kollegen meinen und meiner An⸗ gehörigen tiefgefühlteſten Dank dafür aus⸗ zuſprechen, daß Sie meinem Sohn das Ge⸗ leit zu ſeiner letzten Ruheſtätte gegeben haben. Ebenſo herzlichſt danken wir den Sängern, die, wie wir annehmen, Mitſchüler meines guten Jungen waren, für den Geſang, der unſeren Herzen ſo wohlgetan hat. Wenn es überhaupt bei unſerm namenloſen Schmerz Troſt gibt, ſo iſt der der erſte, daß unſer gutes Kind ſich in ſeinem kurzen Erdendaſein die Liebe ſeiner Lehrer ſowie ſeiner Mitſchüler erworben hat. Meine ergebene Bitte, ſehr geehrter Herr Profeſſor, geht dahin, dies den Herren So z. B. ſoll ich geſagt haben, daß September 1909 363 Kollegen und den Mitſchülern meines Sohnes zur Kenntnis zu bringen. Verzeihen Sie recht ſehr, daß ich dieſe Zumutung an Sie ſtelle; ich möchte indeſſen gern die Offent⸗ lichkeit vermeiden, damit dieſe für uns ſo betrübende Angelegenheit endlich aus der Welt kommt. Haben Sie herzlichen Dank im voraus und ſeien Sie meiner vorzüglichen Hochachtung uſw. verſichert. Der Vater des Scalla iſt heute vormittag bei mir geweſen, um noch einmal perſönlich für die Teilnahme zu danken, die wir in dieſen traurigen Tagen ihm bewieſen haben. Und er hatte noch einen zweiten Grund. Er erklärte: „Ich halte es für meine Pflicht, hier nochmals ausdrücklich zu betonen, daß mein verſtorbener Sohn ſich nie über ſeine Lehrer beklagt hat, und daß er niemals eine Beſchwerde über die Schule vor unſere Ohren ge⸗ bracht hat, und wenn er es zu mir nicht ausgeſprochen hätte, ſeiner Mutter — ſagte der Mann — würde er ganz ſicherlich alles geſagt haben, denn der vertraute er alles an, was er auf dem Herzen hatte; aber niemals hat mein Sohn ſich über irgend etwas beklagt oder beſchwert, auch über die Schul⸗ arbeiten nicht.“ In einer Zeitung ſtand: bis zwei Uhr hätte er gearbeitet, das iſt Unſinn; der Vater ſagte, höchſtens um 10 oder 11 Uhr ſei er zu Bett gegangen, um 9 Uhr ſei er gewöhnlich mit den Arbeiten fertig geweſen. Das kommt daher, weil er ein begabter Junge war. Kurz, der Vater wiederholte es mehrere Male und betonte es aus⸗ drücklich, daß kein Schatten eines Verdachtes gegen die Schule vorhanden wäre. Ich möchte noch hinzufügen, daß der andere Vater, Brück, in ſeiner öffentlichen Dankſagung in der Zeitung zum Schluß ſagt: Desgleichen danken wir aus bewegtem Herzen dem hochverehrten Lehrer⸗ kollegium, dem Sängerchor, den lieben Mitſchülern unſeres braven Kindes und allen, die ihn zur letzten Ruheſtätte geleiteten Alſo auch hier Achtung vor der Schule. Meine Herren, nun möchte ich auf einige Zeitungsartikel eingehen. Zunächſt hatte ich an⸗ genommen, daß die Fragen, die in der „Neuen Zeit“ formuliert waren, vielleicht in ähnlicher Weiſe hier geſtellt werden könnten. Herr Bürgermeiſter Matting hat ſchon dieſe einzelnen Punkte durch⸗ genommen; es iſt jedoch vielleicht gut, daß ich noch auf einzelnes eingehe. Der Punkt 1 betrifft einen Vorfall, der, wie ich betone, drei Monate alt iſt; er iſt am 4. Juni geſchehen. Da ſoll ein Lehrer den Schüler Brück geohrfeigt haben. Daß das nicht richtig iſt, hat der Herr Bürgermeiſter ſchon hervorgehoben. Ich möchte Ihnen aber die näheren Umſtände mit⸗ teilen; es iſt vielleicht zur Veranſchaulichung des ganzen Falles von Intereſſe. Meine Kollegen wiſſen genau, wie ich über Mißhandlungen von Schülern, über Ohrfeigen uſw. denke; ich habe ausdrücklich immer betont, daß ich ſolchen Fall ſtets an die große Glocke bringen und ſie nie in Schutz nehmen würde, wenn ſie ſich an Schülern vergriffen. Deshalb war es für mich ein Schlag ins Geſicht, als ich in der Zeitung las, es wäre eine Ohrfeige erteilt worden. Meine Herren, die Sache liegt nicht ſo. Es iſt folgendermaßen zugegangen: Alſo am 4. Juni war es, da ſah ſich ein Lehrer in einer Unterrichtsſtunde in der Oberſekunda ge⸗ nötigt, den Schüler Brück zu tadeln, weil er leiſe