364 Bemerkungen zu ſeinem Nachbar machte. Da erhob ſich der Schüler und antwortete in heftigem Tone, er habe nicht geſprochen. Das wiederholte ſich ein paarmal, ſo daß der Lehrer endlich ſagte: „Gehen Sie auf 10 Minuten aus der Klaſſe und kommen Sie dann wieder herein.“ Er kam aber nicht wieder, und als der Lehrer aus der Klaſſe herauskam, ging er mit einem Lächeln im Geſicht an ihm vorbei. Da fragte ihn der Lehrer, warum er nicht wiedergekommen ſei; der Schüler rief wieder mit lauter Stimme, er habe ja gar nicht geſprochen. Jetzt ergrimmte der Lehrer über dieſen Trotz; er ſchreibt in ſeinem amtlichen Bericht darüber: Ich erhob die Hand zum Schlage, doch blitzſchnell durchflog mich die Überlegung, daß es doch wohl zu ſchnell gehandelt ſei, ich griff mit der andern Hand nach und ſchüttelte den Schüler mit beiden Händen an der Schulter. Das iſt der Vorgang. Am nächſten Tage gleich kam der Vater, um ſich zu erkundigen, was paſſiert wäre. Der Lehrer erklärte ohne Bedenken, daß es ihm leid getan habe, die Hand überhaupt an den Jungen gelegt zu haben; aber er ſei durch ſein Betragen ſo ſehr gereizt worden. Darauf gab mir der Vater zu — heißt es in dem Bericht —, er könne es begreifen, daß man durch das Betragen ſeines Sohnes ſo erregt werden könne, habe er doch ſelbſt vor kurzem ſeinem Sohne eine tüchtige Ohrfeige verſetzt, weil er es an der ſchuldigen Achtung gegenüber ſeiner Mutter habe fehlen laſſen. Dann erzählte er, er habe mit ſeinem Sohne am Abend vorher einen Spaziergang gemacht, da wäre dieſer ruhiger geworden und habe ſelbſt zugeſtanden, daß er ſich gegen den Lehrer vergangen habe. Die Unterhaltung mit dem Vater — ſagt der Lehrer — verlief durchaus ſachlich und ruhig; er fügt hinzu, daß nach dieſem Vorfall der Schüler Brück ein weſentlich beſſeres Betragen gezeigt habe. In den Zeitungen ſtand, daß er ihn als Religionslehrer verhöhnt habe. Das iſt nicht wahr, in der Re⸗ ligionsſtunde iſt das nie geſchehen, ſondern der Lehrer iſt der Meinung, es könnte ſich dieſe Auf⸗ faſſung nur auf den Vorfall vom 4. Juni beziehen. Die zweite Anfrage betrifft mich. In einer Zeitung ſtand, Brück wäre verhindert worden, zu mir vorzudringen, oder ich hätte ihn nicht vor⸗ gelaſſen. Das iſt nicht richtig. Die Schüler wiſſen, wo mein Amtszimmer iſt. Aber daß ich jeden Tag von Anfang bis zu Ende im Amtszimmer bin, iſt natürlich nicht anzunehmen. Ich habe auch noch andere Geſchäfte und habe auch noch Unterricht zu geben. Der Schüler iſt dorthin ge⸗ kommen, und ich bin nicht anweſend geweſen; da iſt er wieder weggegangen. Am nächſten Tage iſt der Vater des Schülers zu dem Lehrer gekommen und hat mit ihm verhandelt; damit war die Sache erledigt. Warum ſollte ich den Schüler noch einmal zu mir rufen? Der Vater hat mit dem Lehrer geſprochen und hat anerkannt, daß der Lehrer berechtigt geweſen wäre, über das Verhalten des Schülers in Zorn zu geraten. Die dritte Frage betrift den Profeſſor Keller. Profeſſor Keller iſt überhaupt nicht ein Mann, der die Schüler „herunterzumachen“ pflegt. Er be⸗ ſtreitet auch mit aller Entſchiedenheit, daß er den Schüler heruntergemacht habe, weil er einen Namen nicht gewußt habe. Er ſagt darüber: 4 Sitzung vom 8. September 1909 Wahrſcheinlich liegt folgender Vorfall dieſer Anſchuldigung zugrunde. Es war Livius⸗ lektüre, und der Schüler erhielt den Auftrag, einen kleinen Vortrag über den Inhalt des Geleſenen zur Wiederholung zu halten; dabei hat er an einer Stelle den Namen eines Reiteroberſten nicht gewußt und hat geſagt: der Name iſt mir entfallen. Darauf habe ich in ruhigem Tone geſagt: „Der Name gehört aber auch zur Wiederholung.“ Das iſt das „Heruntermachen“! Ferner ſagt er: Es iſt unmöglich, daß ich dem Schüler Scalla empfohlen habe, von der Schule abzugehen; denn er hat im Latein ſtets Genügendes geleiſtet. Es war alſo gar keine Gelegenheit vorhanden, zu ſagen: „Wenn Sie nichts Beſſeres zu leiſten vermögen, dann gehen Sie ab!“ Der Schüler hat ja Genügendes geleiſtet. Nun der Artikel im Berliner Tageblatt. Das Berliner Tageblatt ſtellt ſich gleich auf einen ſehr hohen Standpunkt und ſchreibt: „Die Gym⸗ naſiaſtentragödie. Aufklärung über die Mo⸗ tive.“ Im erſten Moment glaubte ich wirklich, man würde etwas finden zur Aufklärung. Aber was ſteht hier alles drin! Hier kommen wieder die unglückſeligen Betrachtungen über die Ver⸗ ſetzung: Brück ſtand vor der Verſetzung, da er ſich im Michaeliscötus befand. Er war in früheren Jahren ſchon zweimal ſitzen geblieben und wäre, falls er auch diesmal nicht verſetzt worden wäre, aus der Schule gewieſen worden. Meine Herren, das iſt falſch. Es gibt eine Be⸗ ſtimmung, wonach Schüler, welche zweimal ver⸗ geblich denſelben Kurſus durchgemacht haben, von der Anſtalt entlaſſen werden können, aber nur in dem Fall, daß das Lehrerkollegium einmütig iſt und der Direktor zuſtimmt; außerdem muß, wenn der Fall eintreten ſoll, den Eltern ein Viertel⸗ jahr vorher die Nachricht zugehen, daß ſo gehandelt werden würde. Nun habe ich von Anfang an, wenn ein Schüler ſich bis in die Sekunda empor⸗ gerungen hat, niemals dieſe Beſtimmung zur Anwendung bringen laſſen; ſie wird nur angewandt bei Schülern in den unteren Klaſſen, denen es Nutzen bringt, die Anſtalt zu wechſeln, oder in den mittleren, wenn es ſich zeigt, daß ſie für höhere Studien nicht geignet ſind. — Das mußte Brück wiſſen. Und nun ſteht hier: infolgedeſſen hätte ſich in Brück der Glaube entwickelt, er würde auch diesmal nicht verſetzt und aus der Schule gewieſen werden⸗ Ich habe ſchon ausgefühct, wie es mit den Ver⸗ ſetzungen ſtand. Das iſt alſo abſolut unzutreffend. Nun kommen die ſchlechten Aufſätze; was hier ſteht, wirkt zum Teil humoriſtiſch. Hier ſteht, Scalla hätte ſchlechte Aufſätze gemacht; Daß der Schüler aber auch im Deutſchen ſchlechte Arbeiten lieferte, war nicht ſein perſönliches Verſchulden — in dieſer Hinſicht hatte er die andern 11 Unterprimaner als Leidensgenoſſen auf ſeiner Seite. Ich möchte zunächſt bemerken, daß von der erſten Arbeit im Sommer von 12 Schülern einer eine gute Arbeit geliefert hat — und das war Scalla — (Bewegung)