Sitzung vom 8. müſſen wir doch für völlig unzulänglich die Regelung in bezug auf die Diſſedenten erklären, wenn ſie lediglich darin beſteht, daß auf dieſem Kirchhof ein Block zur Verfügung geſtellt wird. Herr Bürgermeiſter Matting führte aus, daß der Magiſtrat an das Königliche Konſiſtorium der Provinz Bran⸗ denburg zwei Fragen gerichtet hat; die eine Frage betrifft die Vertehrsverhältniſſe, die Herſtellung der Verbindungen nach Stahnsdorf: die zweite Frage lautet: ob die in der Mitteilung vom 24. April 1909 enthaltene Beſtätigung des Ausweiſes einer Parzelle für Andersgläubige auch wirklich den Charakter einer dauernden Einrichtung trage, die verbürge, daß die Einrichtung dauernd beſtehen bleibe, und daß ſie unter denſelben Bedingungen beſtehen bleibe, was den Tarif und ſonſtige Geſichtspunkte an⸗ betrifft, wie für evangeliſche Mitbürger. Von der zufriedenſtellenden Beantwortung dieſer beiden Fragen hat der Magiſtrat ſeine weitere Stellungnahme zu dem Projekt eines Kom⸗ munalfriedhofs abhängig gemacht. Meine Herren, danach wollte alſo der Magiſtrat von der weiteren Verfolgung des Projekts eines Kommunalfriedhofs Abſtand nehmen, wenn erſtens die Frage nach der Herſtellung von beſſeren Ver⸗ bindungen befriedigend beantwortet wird, und wenn zweitens dauernd Gewähr geleiſtet wird für die Bereitſtellung eines Blocks für Andersgläubige. Angenommen, die Verbindungen ſeien be⸗ friedigend, und man könnte ſich über die Über⸗ windung der Entfernung hinwegſetzen, ſo können doch die Andersgläubigen, die ihre Angehörigen beſtatten wollen, keineswegs damit zufrieden ſein, daß ihnen ein Block angewieſen wird. In keiner Weiſe iſt durch die Anweiſung eines beſonderen Blockes die Gewähr dafür gegeben, daß die Be⸗ ſtattung auch in einer würdigen und angemeſſenen Weiſe vor ſich gehen kann. In keiner Weiſe iſt durch die Frage des Magiſtrats das Konſiſtorium ge⸗ bunden oder verpflichtet, die Beſtattung Anders⸗ gläubiger würdig vor ſich gehen zu laſſen. In keiner Weiſe angedeutet hat der Magiſtrat, wie das Konſiſtorium ſich zu der Frage — ich will mal ſagen: der Friedhofspolizei ſtellen will, wie es ſich ſtellen will zu der Frage der Reden, die bei der Beſtattung auf dieſem Blocke gehalten werden. Eine würdige Form der Beſtattung kann darin nicht erblickt werden, wenn der Verſtorbene voll⸗ kommen ſtumm in die Erde gelegt wird, wenn möglichſt ſchnell das Grab zugeſchaufelt wird und der Friedhofsaufſeher mit peinlicher Sorgfalt darauf zu achten hat, daß nur ja niemand von den An⸗ gehörigen auch nur ein Wort dem Verſtorbenen in die Gruft nachruft. Wir haben es ja ſchon er⸗ lebt, daß das bloße Ausſprechen des Satzes: „Fahre wohl!“ von den Friedhofsbehörden als das Halten einer Rede betrachtet wurde, daß daraufhin eine Anzeige bei der Staatsanwaltſchaft erfolgte und daß Beſtrafungen wegen derartiger „Reden“, die zu halten unzuläſſig ſei, erfolgt ſind. Wir müſſen doch unbedingt verlangen, daß, wenn die Stadt Charlottenburg erklären ſoll, ſie ſei mit einer ſolchen Regelung der Beſtattung von Diſſidenten einverſtanden, dann die volle Gewähr dafür ge⸗ geben werden muß, daß nicht die engherzigſte Be⸗ vormundung ſeitens der kirchlichen Behörden gegen⸗ über den Leidtragenden geübt wird. Wir müſſen verlangen, daß vollkommene Gewähr für die September 1909 371 Möglichteit eines würdigen Nachrufs auch bei Beſtattung ſolcher Leute gegeben werde, die der Kirche nicht angehören. Und wenn die Frage ſich nicht anders regeln ließe als durch Benutzung eines Blockes auf dem Stahnsdorfer Friedhofe, müßten wir mindeſtens von dem Magiſtrat ver⸗ langen, daß er ſeine an das Konſiſtorium gerichteten Fragen nach dieſer Richtung hin ausdehnt. Aber auch ſelbſt wenn die Fragen dahin aus⸗ gedehnt und zufriedenſtellend beantwortet würden, würde die Regelung uns nicht befriedigen. Denn wir können überhaupt nicht anerkennen, daß die Beſtattung auf einem beſonderen Block etwa unſeren Anſchauungen, nicht bloß den Anſchauungen von Diſſidenten, ſondern überhaupt den An⸗ ſchauungen modern empfindender Menſchen, auch ſolcher, die der Kirchengemeinde angehören, ent⸗ ſpricht. Wir meinen, daß modern empfindende Menſchen einen Unterſchied der Verſtorbenen nach ihrem Glauben überhaupt nicht als berechtigt an⸗ erkennen, ſondern daß verlangt werden muß, daß nicht geſondert nach dem Glauben die Leichen auf dem Friedhof beerdigt werden. Soviel zur Begründung unſeres Antrages, ſoweit er die Diſſidenten betrifft. Aber auch darüber hinaus können wir nicht anerkennen, daß ſelbſt bei zufriedenſtellender Be⸗ antwortung auch der erſten Frage, der Frage nach den Verkehrsverbindungen nach Stahnsdorf, eine angemeſſene Löſung der Friedhofsfrage für die Bewohner Charlottenburgs, auch die der Kirche angehörenden Bewohner Charlottenburgs, ge⸗ funden iſt. Die Entfernung iſt eben derartig groß, daß ſelbſt bei Herſtellung genügender und beſſerer Verbindungen, als ſie gegenwärtig beſtehen, ich will nicht ſagen: eine würdige Beſtattung unmöglich wird, jedenfalls aber unmöglich wird eine pietät⸗ volle Pflege der Gräber. Dazu iſt die Entfernung eben zu groß, und deshalb verlangen wir nach wie vor, daß der Magiſtrat ſich energiſch bemüht, dieſe Frage zu fördern und ein Terrain zu gewinnen, das für einen Gemeindefriedhof geeignet iſt. Freilich ſagte der Herr Bürgermeiſter in ſeiner Antwort am 30. Juni: er ſage den Leuten, die mit ſolchen Anforderungen an ihn heranträten, ſie ſollten ihm doch ein ſolches Terrain nachweiſen, der Magiſtrat finde kein angemeſſenes Terrain in der ganzen näheren — das Wort „näheren“ ſogar ſchon etwas ſehr weit gefaßt — Umgebung Char⸗ lottenburgs. Nun, meine Herren, ich bin nicht ſo außerordentlich lotal bewandert, um ein Terrain ohne weiteres nachweiſen zu können. Aber, meine Herren, dieſen Grund laſſe ich und können meine Freunde nicht gelten laſſen. Wir können es keines⸗ wegs für eine unbedingte Vorausſetzung unſerer Stellungnahme zu einem ſolchen Antrage erklären, daß wir imſtande ſind, ein ſolches Terrain nach⸗ zuweiſen, ſondern wir müſſen von dem Magiſtrat verlangen, daß er ſich weiter um ein ſolches Terrain bemüht, und ich werde mir auch nicht die Meinung imputieren laſſen, daß gerade Charlottenburg ſo außerordentlich andersartig gelegen iſt als alle andern Städte, auch von Groß⸗Berlin, daß gerade für Charlottenburg ſich ein Friedhof abſolut nicht finden läßt. (Stadtv. Bollmann: Die haben auch Stahnsdorf nicht!) — Ich habe den Zwiſchenruf nicht verſtanden. — Es handelt ſich darum, daß Stahnsdorf zu weit liegt. Wenn ich Herrn Kollegen Bollmann richtig