372 verſtanden habe, ſo weiſt er in ſeinem Zwiſchenruf auf Stahnsdorf hin. Stahnsdorf aber liegt eben zu weit, um eine pietätvolle Gräberpflege zu er⸗ möglichen. Deshalb müſſen wir verlangen, daß in einer angemeſſenen Nähe ein Gemeindefriedhof gefunden wird, und wir müſſen vom Magiſtrat verlangen, daß er ſeine Bemühungen in dieſer Richtung fortſetzt, nicht aber ſeine Stellungnahme von der Beantwortung ſeiner Fragen abhängig macht, wie er es am 30. Juni getan hat. Im übrigen möchte ich noch kurz darauf hin⸗ weiſen, daß in der Jungfernheide wahrſcheinlich Waldterrains noch zu finden ſind, die ſehr wohl zur Anlegung eines Friedhofes dienen können. Aber wie geſagt, in dieſe Detailfragen möchte ich mich nicht einlaſſen, ſondern ich erkläre es prinzipiell nicht für unſere Pflicht, von dieſer Vorfrage unſere Stellungnahme zu der Frage des Gemeindefried⸗ hofs abhängig zu machen, ſondern ich meine, die Stadtverordnetenverſammlung ſoll, wie ſie früher auf dem Standpunkt geſtanden hat, auch jetzt auf dem Standpunkte ſtehen, daß ein Gemeindefriedhof errichtet werden muß, und daß der Magiſtrat nicht Urſache hat, wegen des in Stahnsdorf errichteten Friedhofs von ſeinen Bemühungen um Errichtung eines Gemeindefriedhofs Abſtand zu nehmen. Ich hoffe nach dem Wortlaut des ſtenographiſchen Berichts der Rede des Herrn Kollegen Bollmann vom 30. Juni, daß auch die liberale Fraktion nach wie vor auf dieſem Standpuntkt ſteht, und daß daher unſer Antrag angenommen werden wird, ſo daß der Magiſtrat ſich nicht etwa auf einen Willen der Stadtverordnetenverſammlung für eine entgegen⸗ geſetzte Anſchauung berufen kann. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, daß die Diſſidentenfrage nicht ausſchlaggebend iſt für die Frage des Gemeindefriedhofs, das beweiſt die ganze Geſchichte der Frage des Gemeindefriedhofs; denn ſie iſt viele, viele Jahre hier erörtert worden, in der Stadtverordnetenverſammlung ſowohl wie im Magiſtrat, ehe die Diſſidentenfrage entſtanden iſt. Inſofern kann auch meine Auskunft von neulich nicht ſo mißverſtändlich aufgefaßt worden ſein, wie es nach den Worten des Herrn Stadtv. Dr Borchardt der Fall zu ſein ſcheint. (Stadtv. Bollmann: Sehr richtig!) Allerdings mußte ich mich zunächſt neulich auf dieſe Frage beſchränken; denn die Auskunft, die von mir verlangt wurde, ging ja eben davon aus, daß einem Diſſidentenkinde mehrere, viele Tage, bis eine Woche hindurch ein Begräbnis vorenthalten worden war. Infolgedeſſen trat natürlich anſchei⸗ nend die Diſſidentenfrage mehr in den Vorder⸗ grund. Ich betone deshalb noch einmal: der Ma⸗ giſtrat hat von Anfang an bis zum Schluſſe die Gemeindefriedhofsfrage als eine ganz allgemeine Frage, als eine Frage von allgemeinem kommu⸗ nalem Intereſſe behandelt und dem Stahnsdorfer Friedhofsprojekt mit den beiden bereits erörterten Vorbehalten nur, wenn ich ſo ſagen ſoll, kaute de mieux Stellung genommen in dem Sinne, daß er geſagt hat: es muß, wenn dieſe beiden Fragen befriedigend beantwortet werden können, damit ausgekommen werden da wir nichts Beſſeres an die Stelle ſetzen können! Nun muß ich allerdings gleich von vornherein hat ſchließlich zu h ſagen — um nochmals auf die Diſſidentenfrage einzugehen —: wenn Herr Stadtv. Dr Borchardt ſchon dann eine unbefriedigende Löſung der Sitzung vom 8. September 1909 Friedhofsfrage, wie wir ſie unter keinen Umſtänden dulden dürfen, glaubt annehmen zu ſollen, wenn die Frage der Kirchhofspolizei, wie er ſie erörtert hat, hier, ſoweit Diſſidenten in Frage kommen, nicht in ſeinem Sinne entſchieden werde, ſo wird allerdings der Stahnsdorfer Friedhof oder die Regelung dort immer in dieſem Sinne unbefrie⸗ digend ſein. Denn nach den Informationen, die ich bisher eingezogen habe, kann gar kein Zweifel darüber ſein, daß der Stahnsdorfer Friedhof ein kirchlicher Friedhof iſt mit allen denjenigen Be⸗ ſchränkungen, die damit nun einmal verbunden ſind, das heißt alſo mit anderen Worten, daß Reden am Grabe uſw. nur dem Geiſtlichen geſtattet oder ſonſt mit beſonderer Genehmigung der Kirch⸗ hofspolizei zuläſſig ſind, daß auch Aufſchriften z. B. auf Grabſteinen uſw. der Genehmigung der Kirchhofspolizei unterliegen, und da wir nun einmal hier konfeſſionell getrennte kirchliche Fried⸗ höfe haben, daß auch eine derartige Scheidung nach der kirchlichen Zugehörigkeit eintreten wird. Ich habe allerdings Friedhöfe geſehen, und zwar in Städten, wo eine ſehr ſtarke Spannung der beiden Hauptkonfeſſionen, der katholiſchen und der evangeliſchen, beſteht, wo man nichtsdeſtoweniger den Standpunkt des Herrn Dr Borchardt, den ich durchaus teile, anerkannt hat, daß auf dem Friedhofe dieſe Trennung aufhört, indem die Katholiken und die Evangeliſchen in einer Reihe nebeneinander beerdigt werden, wie es eben der Zufall bringt. Aber wir haben es hier mit einem zunächſt rein evangeliſchen Friedhof zu tun, und wenn man nun hier den Gegenſatz zwiſchen Evangeliſchen und Diſſidenten zieht, ſo wird man gegenüber der Kirchhofspolizei es wahrſcheinlich nicht erreichen können, daß dieſe Unterſcheidung aufgegeben wird. Das vorweg über die Diſſidentenfrage. Ich glaube alſo, um das noch einmal zu betonen, nicht, daß die Frage, die Herr Stadtv. Dr Borchardt hier geſtellt hat, ſo werde gelöſt werden können, daß ſeine Wünſche in dieſer Hinſicht werden befriedigt werden können. 8 Wenn man nun aber von dieſen in kirchlichem Sinne extremen Wünſchen abſieht, ſo entſteht die Frage: iſt es möglich, ſich mit dem Stahnsdorfer Friedhofsprojekt auszuſöhnen? Und da muß man eben wohl oder übel die Frage ſtellen: kann man etwas Beſſeres an die Stelle ſetzen? Wir haben uns ehrlich Mühe gegeben, ein beſſeres Gelände zu bekommen, d. h. ein Gelände, das zunächſt einmal näher liegt. Die Frage der Nähe iſt natürlich ſehr relativ. Sie wird bedingt durch die Frage der Zugänglichteit, durch die Frage der Verkehrs⸗ verbindungen, und da iſt ſelbſtverſtändlich ein Gelände, das 5 km weiter liegt, unter Umſtänden ſehr viel näher, wenn es regelmäßigere und ſichere Verkehrsverbindungen hat als ein 5 km näheres Gelände, welches gar keine Zufahrtsverbindungen at. Aus dieſem Geſichtspunkt haben wir allerdings feſtſtellen müſſen, daß, wie jetzt die Verhältniſſe ſich geſtaltet haben, die Verbindungen nach dem Stahnsdorfer Friedhof immerhin ſo geregelt zu werden ſcheinen — die Projekte ſind allerdings noch nicht zur Durchführung gelangt , daß wir die Frage, ob wir etwas Beſſeres werden ſchaffen tönnen, werden verneinen müſſen. Wir werden unter allen Umſtänden ein Gelände werden wählen müſſen, daß wenigſtens in einer Entfernung bis hinter Spandau liegen wird; es iſt bisher keinerlei Angebot an uns herangetreten, das ein näheres,