392 die Verantwortung der Stadt Berlin zuzuſchieben. Berlin, heißt es, habe nur geringere Sätze ge⸗ nommen, und weil dem Lehrerbeſoldnugsgeſetze das Prinzip der Gewinnung möglichſt gleich⸗ artiger Beſoldungsverhältniſſe für jede Kategorie aller unter denſelben wirtſchaftlichen Verhältniſſen lebenden Lehrperſonen zugrunde liege, ſehe ſich die Regierung nicht in der Lage, den von uns be⸗ ſchloſſenen höheren Sätzen die Zuſtimmung zu erteilen. Meine Herren, ich habe es als Referent bei der Beratung unſerer Vorlage ſeinerzeit vermieden, mich mit den Beſchlüſſen der Stadt Berlin zu be⸗ ſchäftigen, und wenn ich heute daran Kritik übe, ſo werden Sie, ohne daß ich das näher zu begründen brauche, mir glauben, daß es ungern geſchieht, daß ich mich nur dem Zwange füge, der ſich aus der vorerwähnten Begründung des Regierungsbe⸗ ſcheides ergibt. Angeſichts dieſer Begründung darf ich es mir nicht verſagen, hier auszuſprechen, daß der Beſchluß der Stadt Berlin vom Standpunkt einer vernünftigen, einer liberalen Kommunal⸗ politik aufs lebhafteſte zu bedauern iſt. (Stadtv. Hirſch: Hört, hört! — Stadtv. Otto: Sehr richtig!) Meine Herren, auf der andern Seite müſſen wir uns jedoch darüber klar ſein, daß der Beſchluß der Stadt Berlin zwar dem Entſcheid der Königlichen Regierung einen Anlaß zur Ablehnung unſeres Beſchluſſes bietet, aber ke inen ſt ichhaltigen Grun d. Sie geſtatten mir, das kurz auseinander⸗ zuſetzen. Der Beſcheid der Königlichen Regierung ſpricht davon, daß das Lehrerbeſoldungsgeſetz auf dem Prinzip der Gewinnung gleichartiger Ver⸗ hältniſſe für wirtſchaftlich gleiche Kommunen be⸗ ruht. Ich will hier gar nicht näher darauf eingehen, daß man dieſes Prinzip bereits bei der Feſtſetzung der Gehälter für die höheren Lehrträfte außer acht gelaſſen hat. Es genügt, feſtzuſtellen, daß es ſich dabei überhaupt nicht um eine geſetzliche Be⸗ ſtimmung handelt, ſondern lediglich um Motive, die dem erſten Entwurf des Lehrerbeſoldungs⸗ geſetzes beigegeben waren. Wie derartige Motive allgemein keinerlei zwingende Kraft haben, ſo wird man ihnen verſtändigerweiſe eine ſolche Kraft am wenigſten im vorliegenden Falle beilegen dürfen, wo es ſich um das Verhältnis der Stadt Berlin zu den Berliner Vororten handelt. Denn, meine Herren, wenn ſelbſt dieſes Prinzip anderweitig durchgeführt werden könnte, gerade für Berlin und ſeine Vororte ſcheitert die Möglichkeit ſeiner Durch⸗ führung an den poſitiven Beſtimmungen des Ge⸗ ſetzes. Das Geſetz ſelbſt räumt Berlin eine Sonder⸗ ſtellung ein, welche die dortige Lehrerſchaft nament⸗ lich in zwei außerordentlich erheblichen Punkten bevorzugt. Denn einmal wird in Berlin das Wohnungsgeld für die Penſion voll angerechnet, während in der Provinz, zu der Charlottenburg bekanntlich gehört, nur der Durchſchnittsſatz eingeſetzt wird. So ergibt ſich, daß, würden wir und Berlin die gleichen Gehaltsſätze haben, hieraus nach vierzig⸗ jähriger Dienſtzeit für die Berliner Lehrer ein Vor⸗ ſprung von über 200 ℳ, für die Rektoren ein Vor⸗ ſprung von über 238 ℳ ſich ergeben würde gegenüber unſern Lehrern und Rektoren. Zweitens werden in Berlin die Alterszulagen in ihrem Höchſtſatze ſchneller erreicht als in den andern Städten der Monarchie, wiederum auf Grund ausdrücklicher Beſtimmung des Geſetzes. Unter dieſen Umſtänden kann der Sitzung vom 22. September 1909 Standpunkt, den die Königliche Regierung in ihrem Schreiben einnimmt, als begründet gewiß nicht betrachtet werden. Und, meine Herren, wie ſieht es nun mit den Wirkungen dieſes Beſcheides aus? Er hat meiner Überzeugung nach Wirkungen tiefgehendſter Art, ebenſo hinſichtlich des Anſehens der geſamten preußiſchen Lehrerſchaft wie hinfichtlich der Rechte der Selbſtverwaltung. Ich erinnere Sie daran, daß die Lehrer⸗ ſchaft ſeit langen Jahren einen heftigen Kampf um die Gleichſtellung mit den Sekretären der all⸗ gemeinen Landesverwaltung führt. Der Anſpruch, der von der Lehrerſchaft in dieſer Beziehung erhoben worden iſt, hat die Anerkennung großer Parteien in Preußen gefunden. Er iſt von keiner Partei geradezu ablehnend behandelt worden. Es iſt der Lehrerſchaft ja nicht gelungen, dieſen Anſpruch zur geſetzlichen Durchſührung zu führen. Aber was ihr gelungen iſt, das war ſcheinbar, daß wenigſtens die höchſte Ortszulage, die in dem Ent⸗ wurf des Lehrerbeſoldungsgeſetzes mit 50 vorgeſehen war, auf 900 ℳ erhöht worden iſt. Nun, meine Herren, wenn dieſe Höchſtortszulage über⸗ haupt irgendeine praktiſche Bedeutung haben ſoll, dann unterliegt es doch gar keinem Zweifel, daß die Lehrer erwarten mußten und erwarten durften, daß ſie in Städten wie Charlottenburg, Schöneberg und Wilmersdorf, daß ſie in den teuerſten Groß⸗ ſtädten der Monarchie dieſe Höchſtzulage erhalten. Indem jetzt die Königliche Regierung dieſe Höchſt⸗ ſätze nicht bewilligt, indem ſie wieder auf die vom preußiſchen Geſetzgeber abgelehnten Höchſtſätze der urſprünglichen Regierungsvorlage zurückgeht, tut ſie nichts anderes, als auf dem Wege der Ver⸗ waltung dasjenige zu vernichten, das der Geſetz⸗ geber der preußiſchen Lehrerſchaft hat gewähren wollen. Meine Herren, der andere, vielleicht noch tiefer greifende Geſichtspunkt, den wir hier zu würdigen haben, iſt der Eingriff in die Rechte der Selbſtverwaltun g. Wir wiſſen alle, mit welcher Begeiſterung im vorigen Jahre das Jubi⸗ läum der Städteordnung gefeiert wurde, und wie die Vertreter der Regierung ſich dabei nicht genug darin tun konnten, die Bedeutung der Selbſt⸗ verwaltung anzuerkennen und ihre Rechte zu ſichern. Demgegenüber iſt es ein ſchlimmer Wider⸗ ſpruch, wenn hier die Königliche Regierung den Standpunkt einnimmt, daß unſerer Stadt gewiſſer⸗ maßen keine Rechte und alle Pflichten zukommen ſollen, daß ihr die Staatszuſchüſſe genommen ſind und auf der andern Seite ihr vorgeſchrieben wird, wie ſie aus den Mitteln der ſtädtiſchen Bürger⸗ ſchaft ihre Lehrerſchaft bezahlt, man ſich hinein⸗ miſcht in Beſchlüſſe, die ſich innerhalb des Geſetzes halten, und die ſich weiter zweifellos und unbeſtritten halten innerhalb der Leiſtungskraft der Kommune Charlottenburg. (Sehr richtig!) Meine Herren, dieſe Geſichtspunkte die Wah⸗ rung des Anſehens der Lehrerſchaft und die Wah⸗ rung der Rechte der Selbſtverwaltung — ſind ſo wich⸗ tig und ſo bedeutungsvoll, daß wir meiner Meinung nach alles tun müſſen, um eine Reviſion des Be⸗ ſcheides der Königlichen Regierung zu erreichen. Nun, meine Herren, will ich mit einigen Worten auf die Vorlage des Magiſtrats eingehen. Um zunächſt den letzten Abſatz vorwegzunehmen, ſo iſt der Magiſtrat der Anſicht, daß wegen der Ab⸗