416 Sitzung vom 20. Oktober 1909 Alſo ſo Hals über Kopf kann die Angelegenheit Magiſtrat mitzuteilen, daß für die Folge dieſer jedenfalls nicht geregelt werden, und wir würden über die Petition hinausgehen, wenn wir die Dispoſitionen des Magiſtrats heute durchkreuzen wollten, indem wir ihm den Wunſch übermitteln, daß er nun auf Koſten der Stadt die Regulierung des Nonnendamms in die Wege leitet, ganz gleich, wie ſich die Siemens und Halske⸗Werke dazu ſtellen. Der Wunſch des Petitionsausſchuſſes iſt jedenfalls, zum Ausdruck zu bringen, daß wir die ſchlechten Zuſtände als vorhanden anerkennen, und daß der Magiſtrat ſeinerſeits alles tun möge, was in ſeinen Kräften ſteht, um die Wegefrage zu löſen. (Die Verſammlung acch den Antrag des Stadtv. Wilk ab und beſchließt nach dem Antrage des Petitionsausſchuſſes, die Petition 1 dem Magiſtrat als Material zu überweiſen.) Vorſteher Kaufmann: II. Petition des Haus⸗ und Grund⸗ befitzervereins von 1903 berr. Müllabfuhr. Berichterſtatter Stadtv. Sellin: Meine Herren, es handelt ſich hier um eine Petition des Haus⸗ und Grundbeſitzervereins von 1903. Der⸗ ſelbe legt auf das allerentſchiedenſte gegen die zurzeit beſtehende Müllabfuhr Verwahrung ein; er verurteilt jede Monopolwirtſchaft und erklärt den ſtädtiſchen Müllabfuhrbetrieb für unrationell und viel zu teuer. Die Petenten halten die ganze Veranſtaltung für einen Eingriff in die Rechte des Haus⸗ und Grundbeſitzerſtandes und ver⸗ langen, die Müllbeſeitigung dem Hausbeſitzer zu überlaſſen. Der Magiſtrat hat auf dieſen Angriff am 2. Juli geantwortet und hat die Angriffe zurückgewieſen. Wir haben uns hier im Plenum ja des öfteren über die Müllabfuhr unterhalten. Wir ſind kontraktlich mit der Geſellſchaft ver⸗ bunden. Aus allen dieſen Gründen empfiehlt Ihnen der Ausſchuß Übergang zur Tagesordnung, und ich empfehle Ihnen, dieſen Antrag anzunehmen. Stadtv. Liſſaner: Meine Herren, ich bin entgegengeſetzter Anſicht. Ich bin der Anſicht, daß gar keine Angriffe in der Petition enthalten ſind, ſondern einfach nur die Deklaration, daß die neue Müllordnung den Hausbeſitzern große Laſten auferlegt, und daß man ſich über die Laſten beklagt, und zwar, weil man glaubt, daß der Satz der jetzigen Belaſtung von 0,8 % vom gemeinen Nutzungswert für die Folge wahrſcheinlich noch geſteigert werden dürfte, während er jetzt ſchon für die kleinen Beſitzer zwiſchen 100 und 150 % mehr beträgt als früher, wo der Hausbeſitzer allein über ſein Müll disponieren konnte; größere Beſitzer allerdings haben noch größere Laſten, wie ja auch zugegeben wird. Die Petenten ſetzen nun auseinander, daß wahrſcheinlich bei der Lage der Geſellſchaft „Dreiteilung“ auch der Vertrag mit derſelben innerhalb abſehbarer Zeit einer Modifikation bedürfen wird, und ſie geben dem Magiſtrat die Momente zur Kenntnis, die in den Kreiſen der Hausbeſitzervereine über dieſe neue Verordnung herrſchen. Ich glaube, meine Herren, es iſt das gute Recht eines jeden Beſitzers, der durch eine neue Steuer, durch eine neue Laſt beſchwert iſt, ſich darüber zu beſchweren und dem Beſchwerde möglichſt Abhilfe geſchaffen und wieder auf die alten Verhältniſſe zurückgegangen werde. Es hätte genügt, den Herren mitzuteilen, daß vorläufig ein Vertrag auf 15 Jahre geſchloſſen iſt und der Beſchwerde nicht ohne weiteres abgeholfen werden könne. Bei dieſer Gelegenheit iſt aber auch zur Sprache gekommen, daß die Petenten der Anſicht geweſen ſind, daß die neue Ordnung der Müllabfuhr vom hygieniſchen Standpunkt außerordentlich nützlich iſt, aber nur inſofern nützlich, als ſie allgemein eingeführt iſt, als jeder Hausbeſitzer ihr unterworfen iſt. Nun hat ſich aber herausgeſtellt, daß eine große Anzahl von Befreiungen vorhanden iſt, und zwar teilen ſie ſich in zwei Teile ein. 59 Befrei⸗ ungen ſind für Villenbeſitzer und für Häuſer, die von einer oder zwei Parteien bewohnt ſind, und zwar Villen in der Ahornallee, Schillerſtraße, Weſtend, und die Beſitzer tragen die beſten Namen, es befindet ſich ſogar auch ein Stadtrat darunter, dem eigentlich die Müllordnung ganz genau be⸗ kannt ſein müßte. Wenigſtens ich habe nichts in derſelben herausfinden können — es ſollte mir leid tun, wenn mir nicht alles vorgelegt worden iſt — ich habe weder in der Müllordnung vom Mai 1906, noch in der Polizeiverordnung vom Auguſt desſelben Jahres irgend etwas finden können, daß die Müllordnung eine Befreiung rechtfertigt, außer für Fabriken, deren gewerbliche Abfälle nicht darunter fallen. Außerdem ſind noch 64 Fabriken befreit, die zum Teil Wohnhäuſer haben für ihre Arbeiter uſw., die auch tatſächlich geſondertes Müll haben.? Aber auch davon ſteht in der Müllordnung abſolut nichts. Es ſteht über⸗ haupt von dergleichen Befreiungen abſolut nichts in beiden Müllordnungen. Nun ſagen die Petenten: wenn die Herren in der Ahornallee und Schillerſtraße ihr Müll auf andere Weiſe erledigen, weshalb iſt es den andern Hausbeſitzern nicht ebenſo geſtattet, das ebenfalls auf die bisherige billigere Weiſe zu tun, als es jetzt geſtattet iſt? Alſo es wird die Frage aufgeworfen werden müſſen: iſt es dem Magiſtrat bekannt, daß dieſe Befreiungen vorgenommen worden ſind, obgleich die Müllordnung ſie gar nicht vorſieht? Das iſt der eine Teil, der materielle Teil dieſer Frage. Ich kann aber meine kurzen Ausführungen nicht ſchließen, ohne auch auf die formelle Seite der Frage einzugehen. Es ſteht hier in dem Reſümeebericht, unterzeichnet von Herrn Stadtv. Sellin: Der Magiſtrat hat die erhobenen Angriffe als unbegründet zurückgewieſen. Ja, meine Herren, wenn ich mich über eine Sache beſchwere als Bürger der Stadt und wende mich an die von mir gewählte Stadtverordnetenver⸗ tretung und ſetze auseinander, daß die Bevölkerung ſich beſchwert fühlt, — das ſind doch keine Angriffe! Genau ſo könnten Sie ſagen: der Stadtv. Liſſauer hat eben Angriffe auf den Magiſtrat erhoben. Das fällt mir gar nicht ein; ich halte mich nur ver⸗ pflichtet, dieſe Auseinanderſetzung, die der Grund⸗ beſitzerverein Ihnen gegeben hat, als Stadtver⸗ ordneten und Magiſtrat, zu unterſtützen und zu ſagen, daß ich nach meiner beſten Prüfung zu keinem andern Reſultat kommen kann, als daß dieſe letzten Beſchwerdepunkte vollſtändig be⸗ gründet ſind. Aber abgeſehen davon, meine