Sitzung vom 20. Ottober 1909 Stadtv. Dr. Crüger: Meine Herren, der Antrag würde lauten: Der Magiſtrat wird erſucht, der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung eine Vorlage zu unter⸗ breiten, nach der das Ortsſtatut für Müll⸗ abfuhr eine Ergänzung erfährt, durch die der Anſchluß an die Müllabfuhr für alle Hausbeſitzer obligatoriſch gemacht wird. (Sehr richtig!) Wenn wir die Dringlichkeit des Antrages be⸗ ſchließen, ſo kann er ſofort zur Verhandlung ge⸗ bracht werden; es kann auch ſofort ein Ausſchuß eingeſetzt werden, dem der Antrag überwieſen wird. (Sehr richtig!) Vorſteher Kaufmann: Sie haben den An⸗ trag vernommen. Es iſt gleichzeitig der Antrag auf Dringlichkeit geſtellt; ich werde vor der Ab⸗ ſtimmung über die Dringlichkeit abſtimmen laſſen. (Andauernde Unruhe.) — Meine Herren, ich bitte um Ihre Aufmerkſam⸗ keit; es iſt ſonſt nichts zu verſtehen. Herr Kollege Dr Stadthagen verzichtet auf das Wort. Er hat folgenden Antrag eingebracht: Der Magiſtrat wird erſucht, eingehend zu erwägen, ob die zurzeit der Müllabfuhr nicht unterliegenden Hausbeſitzer zu Recht von der Müllabfuhrverpflichtung befreit ſind. Es ſind alſo zwei Anträge da. Ich nehme an, daß Sie auch für den zweiten Antrag die Dringlichkeit beantragt haben. (Zuſtimmung des Stadtv. Dr Stadthagen.) Ich werde, nachdem über den Antrag des Petitionsausſchuſſes abgeſtimmt worden iſt, dieſe beiden Anträge als ſelbſtändige Anträge zur Ab⸗ ſtimmung bringen und zunächſt die Frage der Dringlichkeit ſtellen; wird die Dringlichteit ab⸗ gelehnt, ſo werde ich beide Anträge auf die Tages⸗ ordnung der nächſten Sitzung ſtellen. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Berichterſtatter Stadtv. Sellin (Schlußwort): Meine Herren, nachdem jetzt die Anträge geſtellt ſind, iſt es nach meinem Dafürhalten endlich wohl klar geworden, daß die Frage der Befreiungen mit der Petition in keinem Zuſammenhange ſteht. (Sehr richtig!) Ich will aber nicht unterlaſſen, den Vorwurf, den Herr Kollege Liſſauer gegen den Ausſchuß zu er⸗ heben beliebt, energiſch zurückzuweiſen. Ich werde mir erlauben, die Petition zu verleſen. hören, daß Angriffe darin erhoben werden betr. das Syſtem der Müllabfuhr. Die heute in den Hohenzollernfeſtſälen zahl⸗ reich verſammelten Haus⸗ und Grundbeſitzer Charlottenburgs legen auf das allerentſchie⸗ denſte Verwahrung ein gegen die zurzeit be⸗ ſtehende ſtädtiſche Müllabfuhr. Sie venur⸗ teilen jede Monopolwirtſchaft und erklären den ſtädtiſchen Müllabfuhrbetrieb ſür un⸗ rationell und viel zu teuer. Sie halten die ganze Veranſtaltung für einen weiteren Ein⸗ griff in die Rechte des Haus⸗ und Grund⸗ beſitzerſtandes und verlangen, die Müll⸗ beſeitigung dem Hausbeſitzer zu belaſſen wie bisher. Denn nur durch freie Entfaltung der Kräfte und ohne jede Einſchränkung der Ge⸗ Sie werden aus der Petition heraus⸗ 425 werbefreiheit iſt ein wirtſchaftlich erſprieſ“ liches Leben für das Geſamtwohl wie für den einzelnen zu erreichen. Nach den gemachten Erfahrungen halten wir den Verſuch der Müllbeſeitigung in ſtädtiſcher Regie für vollſtändig mißglückt. Sie hat keine Vorteile gebracht, auch nicht einmal in geſundheitlicher Hinſicht. Sie unter⸗ ſcheidet ſich nur in der höheren Belaſtung und Einſchränkung der Rechte des haus⸗ und grundbeſitzenden Standes, der in ſeiner großen Mehrheit ſowieſo die ihm von Jahr zu Jahr immer mehr auferlegten ſchweren Laſten taum noch zu tragen imſtande iſt. Die Entſchädigung, welche der Magiſtrat mit der Dreiteilungsgeſellſchaft ſeinerzeit ab⸗ geſchloſſen hatte, betrug 1,30 pro Kopf und Jahr der Einwohnerzahl. Dieſer Betrag iſt aber heute auf 1,80 pro Kopf vom Magiſtrat erhöht worden. 222 Es beſteht nunmehr die Gefahr, daß die Gebühr, die ſich noch nach dem amtlichen Nutzungswert auf 0,8 ſtellt, nach und nach auf 1,30 bis 1,50 % hinaufgeſchraubt werden wird, wie man ja auch heute den Prozentſat von 2,40 auf 2,65 ℳ vom gememen Wert der bebauten Grundſtücke erhöht hat. Die Hausbeſitzer ſind aber keineswegs dazu da, die Verluſte der Geſellſchaft mit ihrem Gelde zu decken, und erſuchen deshalb den Magiſtrat und die Stadtverordnetenver⸗ ſammlung, die beſtehende Müllabfuhrver⸗ anſtaltung aufzuheben. Alſo, meine Herren, Sie ſehen, de eigentlich zu Unrecht mit der Petition worden iſt. daß die Frage verquickt (Sehr richtig!) Ich hatte nur in meinem Berichte erwähnt, daß der Magiſtrat die erhobenen Angriffe als un⸗ begründet zurückgewieſen hat. Meine Herren, es ſind gegen das Syſtem, das wir eingeführt haben, Angriffe erhoben worden. Die Frage der Befreiung einzelner hatte ich in der Sitzung aufgeworfen, weil ich mit den Kollegen Haack und Wilk der betreffenden Ver⸗ ſammlung, die in den Hohenzollernſälen ſtattfand, beigewohnt hatte. Es iſt mir verſtändlich, daß Herr Kollege Liſſauer eine andere Petition zu Geſicht bekommen hat, und es würde auch andern ver⸗ ſtändlich ſein, wenn ſie in der Verſammlung ge⸗ weſen wären. Ich mußte erklären, daß das ganze Verfahren dort auf mich als Mitglied des Petitions⸗ ausſchuſſes einen ſonderbaren Eindruck gemacht hat. Es iſt eine Wirtſchaft dort geweſen: (Heiterkeit) erſt wurde beſchloſſen, eine Petition an den Magi⸗ ſtrat abzuſenden; dann wurden Bedenken dagegen laut, daß man eine ſolche lange Petition abſenden ſollte, und der Vorſitzende, Baumeiſter Thöns, wurde beauftragt, die Petition zu ändern. Darauf habe ich erklärt: meine Herren, wenn Sie hier jemanden beauftragen, eine Petition nach ſeinem Gefühl zu ändern und einzureichen, dann haben Sie ſelbſt nicht petitioniert; (ſehr richtig!) 7 es macht auf mich als Mitglied des Petitions, ausſchuſſes einen ſonderbaren Eindruck, wenn Sie es dem Vorſitzenden überlaſſen, die Petition ab⸗ zuſchicken. Ich nehme an, daß es ſich um die Petition gehandelt hat, die nachher abgeändert