428 Überweiſungen zur Krumme⸗ Spreeſtraße bzw. Lützowſtraße, ferner die Einrichtung fliegender Klaſſen ſeien Maßregeln, welche nicht im ent⸗ fernteſten Abhilfe ſchafften. Der Stadtbezirk Martinikenfelde weiſe über 800 ſchulpflichtige Kinder auf, abgeſehen von mehreren hundert katholiſchen Kindern, welche die Berliner Schulen beſuchen und dort Schulgeld bezahlen. Die Kinder müßten zum großen Teil früh um 7 Uhr in der Schule ſein. Der Weg dorthin ſei ſehr weit und um⸗ ſtändlich, namentlich von der Sickingen⸗, Ufnau⸗ und verlängerten Huttenſtraße her. Die Kinder müßten um 6½ Uhr das Haus verlaſſen und kämen müde und matt in der Schule an, was ihre Aufmerkſamkeit beim Unterricht ausſchließe. Wenn dieſe müden Kinder nun noch obendrein ſtehen müßten, ſo erhöhe dies die Gefahr der Unauf⸗ merkſamkeit noch mehr. Der Schulweg ſei auch anderſeits ſehr gefährlich. Die Kinder müßten die Gotzkowskybrücke zu einer Zeit paſſieren, wo eine große Zahl von Arbeitern, die dort in der Nähe beſchäftigt ſind, ihre Arbeitsſtätte aufſuchen. Dazu käme ein ungewöhnlich ſtarker Wagenverkehr, der ſich über die Gotzkowskybrücke ergieße. Der Petitionsausſchuß hat die Petition ein⸗ gehend geprüft und ihre Berechtigung vollkommen anerkannt. Er hofft, daß der Magiſtrat in Bälde eine Abänderung der beſtehenden Schulverhält⸗ niſſe ſchaffen werde. Der Magiſtrat ſelbſt hat den Petenten mitgeteilt, daß er bemüht geweſen iſt, in der Gegend paſſende Schulräume zu mieten, daß es ihm aber bisher nicht gelungen ſei, geeignete Räume zu finden. Außerdem ſei beabſichtigt, in der Wiebeſtraße eine Gemeindedoppelſchule zu erbauen. Im Ausſchuß wurde vom Magiſtratsvertreter dieſe Mitteilung noch durch die Bemerkung er⸗ gänzt, daß die Räume, die dem Magiſtrat angeboten worden ſind, den an eine Schule zu ſtellenden Anforderungen nicht genügen, indem ſie einesteils nicht den nötigen Bewegungsraum für die Kinder. andernteils nicht die erforderlichen Ausgänge nach zwei Treppenfluren aufwieſen. Der Magiſtrat hat ſich weiter bemüht und iſt an die Gemeinde Berlin herangetreten, um in den benachbarten Schulen Berlins noch Kinder unterzubringen. Es iſt ihm dies für eine beſchränkte Anzahl Kinder auch gelungen. Die Eltern fühlen ſich jedoch dadurch benachteiligt, daß ſie an die Berliner Schulen das Schulgeld entrichten müſſen. Im Ausſchuß wurde ohne weiteres zugegeben, daß, falls die Eltern dieſer Kinder an den Magiſtrat herantreten würden, ihnen das Schulgeld erſtattet werden müßte. Weiter wurde der Wunſch ausgeſprochen, daß die Schule in der Wiebeſtraße möglichſt bald in Angriff genommen werden möchte. Der Herr Stadtſchulrat entgegnete darauf, daß zum Bau einer Schule mindeſtens 2 Sommerhalbjahre und ein Winterhalbjahr gehörten, und daß die Schule, wenn ſie wirklich von allen erforderlichen Inſtanzen genehmigt wird, früheſtens am 1. Oktober 1911 eröffnet werden könnte. Wir glauben aber aus den Gründen, die in der Petition angeführt worden ſind, daß der Magiſtrat ſich vielleicht doch noch nach weiteren Grundſtücken umſehen wird, und wenn gar keine paſſenden Grundſtücke ermietet werden können, zu dem ſehr koſtſpieligen Barackenbau wird ſchreiten müſſen, um wenigſtens den Kindern für die erſten Schuljahre eine Unterkunft in der Nähe Sitzung vom 20. Oktober 1909 zu bieten. Ich bin der Meinung, daß der Magiſtrat ſich dieſer Petition nicht verſchließen wird, und empfehle Ihnen, meine Herren, dem einſtimmig gefaßten Antrage des Petitionsausſchuſſes zuzu⸗ ſtimmen, die Petition dem Magiſtrat zur Be⸗ rückſichtigung zu überweiſen. Sta dtſchulrat Dr. Neufert: Meine Herren, nur wenige Worte! Die pädagogiſchen Gefahren eines größeren Schulweges werden gewöhnlich überſchätzt. Ein Schulweg von einer halben Stunde iſt für ein größeres Kind ohne jedes Bedenken. Ein ſolcher iſt im Gegenteil zuweilen beſſer, als wenn die Kinder nur einen ganz kleinen Weg machen; ſie kommen dabei wenigſtens einmal ordentlich an die Luft. Für die kleinen Kinder freilich iſt eine halbe Stunde ein bißchen viel. Ich erkenne ohne weiteres an, daß im Norden ein Bedürfnis nach einer neuen Schule vorhanden iſt. Der Magiſtrat hat auch ſchon ſeit längerer Zeit den Entſchluß gefaßt, daß dort eine Schule gebaut wird. Die Angelegenheit hat die Hochbaudeputation, die Schuldeputation und den Magiſtrat ſchon wiederholt beſchäftigt. Es ſind mehrere Projekte ausgearbeitet worden, aber es hat eine Einigung noch nicht erzielt werden können. Ich kann jedoch verſichern, daß das Hochbauamt zurzeit mit Hoch⸗ druck arbeitet, um ein allen Anforderungen ent⸗ ſprechendes Projekt vorzulegen. Der Herr Stadtverordnete hat von denjenigen Kindern geſprochen, die in nahe gelegenen Berliner Gemeindeſchulen untergebracht werden ſollen. Ich bin in der Lage, dem noch etwas hinzuzufügen. In der geſtrigen Sitzung hat die Schuldeputation beſchloſſen, in Anerkennung des Bedürfniſſes die⸗ jenigen Kinder, welche nach Berliner Schulen gehen, auf ſtädtiſche Koſten dort unterzubringen. Ich hoffe, daß auf dieſe Weiſe die allerſchlimmſten Härten beſeitigt werden können. Stadtv. Gebert: Meine Herren, die Situation iſt doch im allgemeinen recht traurig. Das eine trifft doch ſicher zu, daß beim Bau der Schulen ein ungeheuer langſames Tempo eingeſchlagen wird. Ich erinnere nur an ein Projekt, das ſchon lange geplant iſt, aber leider bis jetzt noch nicht zur Aus⸗ führung gebracht worden iſt: das iſt das Projekt, in der Spielhagenſtraße eine Schule zu errichten. Wir haben auf dieſem Platze, wenn ich nicht irre, ein Depot der Straßenreinigung. Die Anwohner von Martinitenfelde haben die Petition mit Recht eingereicht. Wenn man ſich die Entwicklung dieſes Stadtteils anſieht, ſo muß man konſtatieren, daß hier eine ganz rapide Entwickelung zu verzeichnen iſt. Ich habe mich der Mühe unterzogen, einmal des Morgens zu beobachten, wie die kleinen Kinder mühſelig durch Schneegeſtöber nach der Haller⸗ ſtraße gewandert ſind; ſie gebrauchten allein zu dieſem Wege nicht mehr und nicht weniger als drei Viertelſtunden. Das iſt eine meines Erachtens viel zu hohe Anforderung für dieſe kleinen Kinder. In den Kreiſen der Bevölkerung dort hat es auch eine große Erbitterung hervorgerufen, daß das Projekt der Schaffung einer ſogenannten Laufbrücke über den Kanal zur Hallerſtraße noch nicht zur Ausführung gebracht worden iſt. Dadurch hätte man ſchon den Weg für dieſe kleinen Kinder um ein ganz gewaltiges Stück beſchneiden können. Auch hierin läge eventuell ein Mittel, den Wünſchen der Petenten näher zu kommen.