Sitzung vom 20. Oktober 1909 Noch eins fällt mir auf, und das iſt, daß man die Kinder der Charlottenburger Einwohnerſchaft nach Berlin hinüberſchickt. Es muß doch befremden, daß Kinder nach Berlin geſchickt werden, weil wir, eine der größten und reichſten Städte, nicht in der Lage ſind, genügend Schulhäuſer zu bauen. Auch hier wird immer die Sparagnes hervorgehoben, es wird immer geſagt: wir müſſen ſparen und ſparen. Ich bin der feſten Überzeugung, daß an dieſer Stelle das Sparen ſo ungerechtfertigt iſt wie nur möglich. Von dem Herrn Stadtſchulrat iſt darauf hin⸗ gewieſen worden, daß die Hochbaudeputation mit Hochdruck arbeite. Ja, meine Herren, wenn ſie mit Hochdruck arbeitete, dann wäre ſchon längſt in dieſem Stadtteile eine Schule gebaut. Alſo mit dem Hochdurckarbeiten wird es wohl nicht allzu weit her ſein. Wenn von dem Herrn Referenten geſagt worden iſt, man habe auch einen Barackenbau in Ausſicht genommen, ſo kann doch dieſer Baracken⸗ bau nur vorübergehend ſein. Als dauernde Ein⸗ richtung darf ein ſolcher Bau nicht betrachtet werden. Neben der Schaffung dieſer Baracke muß ſofort der Schulbau in Angriff genommen werden. Ich glaube, wir finden wohl den ſchönſten Platz für eine Schule auf dem Platze D, der in dem Bebauungs⸗ plane vorgezeichnet iſt, und es wäre wohl das zweckmäßigſte, auf dieſem praktiſch gelegenen Platze zunächſt die notwendigen Baracken zu errichten, die aber nicht nur für die kleinen Kinder, ſondern auch für die größeren beſtimmt ſein müßten, und dann auf dem ſchnellſten Wege ſofort mit dem Bau einer Schule vorzugehen. Meine Herren, ich habe Gelegenheit gehabt, die Stimmung der Bevölkerung in Martinikenfelde kennen zu lernen, und ich kann Ihnen ſagen, daß unter den Leuten eine große Entrüſtung herrſcht. Es kommt hinzu, daß wir für die höheren Schulen alles mögliche aufwenden: es werden die Klaſſen vermehrt, es findet eine Erweiterung der Klaſſen ſtatt. Bei den Schulen der unteren Bevölkerung müſſen wir aber konſtatieren, daß die Kinder weite Wege machen müſſen, und wir müſſen es erleben, daß eine ungeheure Umſchulung ſtattfindet. Ich perſönlich kann davon ein ſchönes Lied ſingen. Meine Kinder ſind beiſpielsweiſe in einem Zeit⸗ raume von 3 Jahren fünfmal umgeſchult worden. Machen Sie ſich ein Bild, wie dadurch das Lernen der Kinder zurückbleibt. Es ſteht doch ohne Zweifel feſt, daß bei einem fortwährenden Wechſel des Lehrers die Entwickelung des Kindes nicht in der erwünſchten Weiſe ſtattfinden kann. Dann möchte ich noch eins hervorheben. Tatſache iſt, daß die Schule in der Hallerſtraße ungemein belaſtet iſt, das heißt: es werden dort außerordentlich viele Kinder eingeſchult. Wenn die Kinder eingeſchult werden, laufen die Lehrer und Lehrerinnen herum und wiſſen nicht, wo ſie die Kinder unterbringen können. Es beſteht alſo ein Zuſtand, den wir doch tatſächlich nicht mit dem Anſehen unſerer Stadt vereinigen können. Hier muß der Magiſtrat ganz energiſche Schritte unter⸗ nehmen. Es darf nicht erſt lange geſucht werden. Meines Erachtens haben wir in der Gegend Platz genug, wir brauchen nicht erſt lange zu ſuchen, ſondern es kann ein x⸗beliebiger Platz genommen werden, um die Schule zu errichten. 429 Ich bitte Sie alſo ebenfalls mit dem Herrn Referenten, daß die Petition zur Berückſichtigung überwieſen wird. Stadtſchulrat Dr. Neufert: Der Herr Vor⸗ redner hat ſich gewundert, daß es mit dem Bau in der Spielhagenſtraße nicht ſchneller vorwärts geht. Ich weiſe darauf hin, daß dieſer Platz einſtweilen aufgegeben iſt, und daß ein neues Schulhaus dafür in der Sybelſtraße erbaut worden iſt. Dieſes iſt nicht ſo ſehr weit entfernt. In jener Gegend iſt nun für Schulen genügend geſorgt. Ich habe vorhin ſchon zugegeben, daß die kleinen Kinder am Spandauer Schiffahrtskanal einen ſehr weiten Schulweg haben; es ſtimmt genau, was der Herr Stadtverordnete ſagte: drei Viertelſtunden müſſen dieſe Kinder bis zur Schule gehen. Aber der Herr Stadtverordnete weiß vielleicht nicht, daß es nur eine ganz kleine Zahl von Kindern iſt, die dieſen weiten Weg haben. Wir haben ſie gezählt: es ſind nur ungefähr 60. Die meiſten Kinder, die durch die neue Schule verſorgt werden ſollen, wohnen in dem Bezirk Martinikenfelde, in dem in letzter Zeit viele neue Bauten errichtet worden ſind. Dieſe Kinder ſind zurzeit in der Hallerſtraße eingeſchult und müſſen dahin einen weiten Umweg über die Gotzkowsky⸗ brücke machen. Wegen des großen Andranges haben wir daſelbſt ſchon zwei Baracken aufgeſtellt und glauben, daß die Kinder darin gut untergebracht ſind. Es iſt ein Irrtum, wenn der Herr Stadt⸗ verordnete meint, daß für die Kinder der höheren Schulen beſſer geſorgt wird. Dieſelben Baracken ſind bisher für Kinder höherer Schulen benutzt worden, und ſie werden im Bedarfsfalle wieder von ihnen benutzt werden. Ich bin ſehr froh, daß wir dieſe Baracken haben. Es iſt ja nicht zu ver⸗ meiden, daß in einer Stadtgegend vorübergehend ein Notſtand entſteht; habe ich aber Baracken, dann kann ich den Notſtand leicht und ſchnell lindern. Wir haben am Spandauer Schiffahrtskanal auch Schüler höherer Lehranſtalten; die müſſen zu ihrer Schule noch weiter gehen. (Zuruf bei den Sozialdemotraten: Die fahren aber meiſtens!) — In dieſer Gegend iſt ja keine Fahrverbindung vorhanden. — Ebenſo müſſen die Kinder, die im äußerſten Oſten wohnen, in der Nähe des Nollen⸗ dorfplatzes, wenn ſie nach einer Realſchule wollen, einen ſehr weiten Weg zurücklegen; denn im Oſten haben wir keine Realſchule. Ebenſo iſt es, wenn die Kinder aus dem äußerſten Weſten nach einem Gymnaſium wollen. Ich glaube, daß der Vorwurf, der Magiſtrat ſorge für Kinder höherer Lehr⸗ anſtalten beſſer als für die der Gemeindeſchulen, nicht berechtigt iſt. Eharlottenburg kann Anſpruch darauf machen, daß es ſehr gut für die Kinder der Gemeindeſchulen ſorgt. Wir machen keinen Unterſchied und werden auch in Zukunft dafür ſorgen, daß das Maß der Fürſorge für beide Schul⸗ gattungen gleich iſt. Umſchulungen werden von Zeit zu Zeit nötig ſein. Das hängt nicht von uns ab. Ja, wenn wir von den Leuten gefragt würden, wohin ſie ziehen ſollen, dann würden wir ihnen ſagen: zieht dahin, wo wir Schulen haben! Die Leute ziehen aber dahin, wo ſoeben viele große Häuſer fertiggeſtellt worden ſind, und wir müſſen mit unſeren Schul⸗ bauten erſt nachkommen. In letzter Zeit ſind aller⸗