Sitzung vom 20. Oktober 1909 Kreiſe unſeres Volksſchulweſens weit davon ent⸗ fernt ſind, ſolche Dinge etwa zu billigen, und kann in ſolchen Fällen auch immer den Betreffenden nur den dringenden Rat geben, ſich an die zuſtändige Stelle zu wenden. Aber auffallend iſt mir doch, daß, wenn die Klagen zuweilen auch recht unſub⸗ ſtantüert ſind, ſie doch mit einer gewiſſen Häufigkeit auftreten. Das ſcheint mir doch darauf hinzudeuten, daß nicht überall in unſerer Lehrerſchaft derjenige —20 herrſcht, von dem ſie eigentlich beſeelt ſein ollte. Aber ſchwerwiegender iſt noch das Bedenken gegen die A⸗Klaſſen, das in ihrer Natur liegt. Ich möchte ſagen: den eben hervorgehobenen Umſtand könnte ich als etwas Zufälliges, Dazukommendes, von Zufällen Abhängendes bezeichnen, während es in der Natur der A⸗Klaſſen ſelbſt liegt, auch bei dem vorzüglichſten Lehrermaterial, die Beſorgnis zu erwecken, die Leiſtungen der normalen Volksſchule und damit der Volksſchule ſelbſt herabzudrücken. Aber wenn dieſe Bedenken auch vorhanden ſind, ſo wiegen ſie nach der Meinung meiner Freunde doch nicht ſo ſchwer, um gegen die Vorzüge, welche durch dieſe Reform geſchaffen werden ſollen, ausſchlaggebend ins Gewicht zu fallen. Deshalb werden wir dieſer Vorlage unſere Zuſtimmung gern geben, um ſo leichteren Herzens, als ja nach zwei Jahren noch einmal darüber verhandelt werden wird, ob dieſe Reform wieder rückgängig gemacht oder auf alle Charlottenburger Schulen ausge⸗ dehnt werden ſoll. Ich kann nur meiner Hoffnung Ausdruck geben, daß die Reform ſich bewähren wird und in zwei Jahren weiter ausgebaut werden kann Stadtv. Jaſtrow: Auch ich habe die größte Sympathie für die Einrichtung der A⸗-Klaſſen, ſchon deshalb, weil hiermit in dieſer Abteilung das Achtklaſſenſyſtem rein durchgeführt iſt. Denn der bisherige Zuſtand, daß in der erſten Normal⸗ klaſſe dasſelbe Penſum meiſtens wiederholt wurde, die älteren Schüler das Penſum zweimal durch⸗ machen mußten, daß in manchen Schulen die Rektoren die erſte Klaſſe in eine erſte und zweite Abteilung geteilt haben, daß die Schüler aber dennoch das alte Penſum, das ſie ſchon wußten, noch einmal mit anhören mußten — dieſer Zuſtand war nicht angenehm. Inſofern iſt die Reform freudig zu begrüßen. 1 Ich hätte ja nun eigentlich gewünſcht, daß man bei der Einrichtung der A⸗Klaſſen etwas weiter gegangen wäre. Man hätte, nachdem die BKlaſſen eingerichtet ſind, die ganzen Normal⸗ klaſſen als A-Klaſſen betrachten können. Ich glaube, daß das gehobene Penſum mit der Fremd⸗ ſprache den ganzen Normalklaſſen hätte zugemutet werden dürfen, ſo daß man die A⸗Klaſſen vielleicht gar nicht gebraucht hätte. Aber dafür haben die Herren Lehrer, der Herr Schulrat, die Herren Pädagogen jedenfalls ein klareres Sentiment. Nun möchte ich aber den Herrn Schulrat fragen, ob es nicht möglich wäre, gleich bei dem Beginne der Reform etwas weiter zu gehen, als er beabſichtigt. Nach ſeinen Ausführungen ſcheint es ſo kommen zu ſollen, daß erſt eine A⸗Klaſſe eingerichtet wird, und zwar werden nach der Ver⸗ ſetzung aus der vierten in die dritte Klaſſe aus den verſchiedenen Schulen einige Schüler herausgeſucht, welche dieſe A⸗Klaſſe bilden. Die Schüler, die aus der dritten Klaſſe in die zweite, aus der zweiten in die erſte verſetzt werden, haben mit der Hebung 439 der Volksſchule durch A⸗Klaſſen vorläufig nichts zu tun, da erſt der Verſuch mit der dritten Klaſſe gemacht wird. Iſt es nicht möglich, daß man auf der ganzen Linie den Verſuch macht? In der dritten, in der zweiten Klaſſe, überall haben wir auch eine große Anzahl Schüler, die ſich weit über das mittlere Niveau der anderen Schüler der Klaſſe erheben; dieſen wird überhaupt nicht ge⸗ holfen; es wird jetzt einzig nur den Schülern geholfen, die von der vierten in die dritte Klaſſe verſetzt werden, die anderen machen die normale Schulbildung durch. Wäre es nicht möglich, doß man auch ihnen ſchon helfen könnteesese Ich komme jetzt auf die Koſtenfrage. Der Herr Stadtſchulrat rechnet darauf, daß die Normal⸗ klaſſen durch Einrichtung der A⸗Klaſſen um eben⸗ ſoviel Klaſſen vermindert werden, daß neue Lehr⸗ kräfte nicht nötig werden, und daß demnach keine Koſten entſtehen würden. Ich verſtehe dieſe Rechnung nicht. Denn ich meine: wenn auch dieſe Klaſſen weniger Schüler haben, ſo brauchen ſie dieſelben Klaſſenräume, ſie brauchen dieſelbe Anzahl Lehrer. Eine Verminderung der Anzahl der Lehrer tritt dadurch doch nicht ein, die Klaſſen, aus denen man 10 % der Schüler herausnimmt, bedürfen derſelben Anzahl von Lehrern wie bisher; ebenſoviel Klaſſenräume brauchen ſie auch. Es tritt dadurch alſo keine Verminderung der Koſten ein, nicht um einen Pfennig. Es tritt vielmehr eine Vermehrung der Koſten dadurch ein, daß wir zwei neue A⸗-Klaſſen mit neuen Lehrern ein⸗ richten müſſen. Wie der Herr Stadtſchulrat hier einen Ausgleich zwiſchen den alten und den neuen Klaſſen finden will, das iſt mir nicht recht klar geworden. Ich habe mir nur gedacht, als ich in der Vor⸗ lage las, daß größere Koſten nicht entſtehen würden, das ergäbe ſich durch den Wegfall der Koſten für den franzöſiſchen Unterricht. Aber der Herr Stadtſchulrat führte mit Recht aus, daß dieſe Summe dabei eigentlich nicht in betracht käme, da ſie vorläufig nicht wegfällt. Der Herr Referent ſowohl wie der Herr Stadtſchulrat haben mich nach dieſer Richtung beruhigt, daß den Kindern, die jetzt den franzöſiſchen Unterricht haben, und die nicht nach der A⸗Klaſſe verſetzt werden, ihn auch weiter erhalten werden. Alſo auch hier tritt eine Verminderung der Koſten eigentlich nicht bzw. nur allmählich ein. Ich würde dem Herrn Stadtſchulrat dankbar ſein, wenn er mir über die verſchiedenen Punkte, die ich angeführt habe, eine Aufklärung geben würde. Stadtv. Dr. Landsberger: Wie die anderen Herren Redner vor mir begrüße auch ich die Vor⸗ lage als ein Zeichen des lebhaften Strebens, unſere Volksſchule auf einen höheren Stand zu heben, mit großer Freude, wenn ich auch nicht ganz ohne Bedenklichkeiten bin über die mit dem vorgeſchlagenen Fortſchritt immerhin verbundene Zunahme der Zerſplitterung unſeres Volksſchul⸗ weſens, über eine gewiſſe verminderte Überſicht⸗ lichkeit. Schon daß wir jetzt von Grundklaſſen und Normalklaſſen in der Vorlage ſprechen, beweiſt, wie ſehr man ſich bei jeder Betrachtung unſeres Volksſchulweſens erſt ganz genau mit den ver⸗ ſchiedenen Begriffen vertraut machen muß. „Grundklaſſe“ iſt eigentlich bloß die unterſte Klaſſe; denn von da ab werden ſofort nach dem