452 Meine Herren, wir dürfen keine Gefühlspolitik treiben, obgleich man das manchmal ſehr gern tun möchte, und ich auch. Man muß ſich über⸗ winden, man muß praktiſche Politik treiben; man muß die Dinge ſo Sitzung vom 3. November 1909 der Begründung. Eine Bahn durch die Joachims⸗ thaler Straße ſcheitert an den hohen Koſten und techniſchen Schwierigkeiten, die hauptſächlich durch die Kaiſer⸗Wilhelm⸗Gedächtniskirche geſchaffen wer⸗ den. Die Heranlegung direkt an den Wittenberg⸗ nehmen, wie ſie liegen, nicht, wie platz iſt in der Form einmal durch den Widerſpruch ſie ſich wünſcht. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Dieſen Weg iſt der Magiſtrat gegangen, indem er Ihnen die erſten Vorlagen vom 27. Oktober vor⸗ legte, indem er Ihnen heute die erweiterte Vorlage vorlegt und die Verhandlungen mit der Unter⸗ grundbahn führte. Es war ein Dornenweg, den der Magiſtrat gegangen iſt, (ſehr richtig!) und er iſt ihn nicht gern gegangen, das weiß ich. Handelte es ſich doch für ihn um nichts anderes, als aus dem Nebel, den Wilmersdorf in der Ver⸗ handlung vom 23. Oktober um die ganze Vorlage verbreitet hatte, etwas wirklich Greifbares, Brauch⸗ bares herauszuſchälen, das auch unſerem Intereſſe dienen konnte. Dieſer Weg des Magiſtrats führt zu dem Vorſchlag einer direkten Linie, unabhängig von dem Wilmersdorfer Projekt, die aber den Kurfürſtendamm befruchtet und den Verkehr belebt. Ich möchte es mir verſagen, auf dieſe durch die letzte Vorlage gleichſam überholte bzw. ſpezialiſierte erſte Vorlage des Magiſtrats näher einzugehen, oder, ſo weit ich es tun muß, jedenfalls nur in Verbindung mit der Ihnen vorliegenden neuen Vorlage. Ich möchte aber einen Punkt doch nicht außer acht laſſen — und das möchte ich gerade den⸗ jenigen Herren ſagen, die mir vorhin ſo lebhaft „ſehr richtig!“ zugerufen haben —: Am Schluſſe unter Punkt 3 finden Sie eine Verwahrung da⸗ gegen, daß durch eine frühzeitige Bauerlaubnis der Entſcheidung des Ergänzungsverfahrens präjudi⸗ ziert wird. Dieſem Proteſt möchte ich mich noch ganz beſonders anſchließen, obgleich ich weiß, daß er in Wirklichkeit nichts helfen wird. Denn es iſt abſolut klar und erſichtlich, daß in dem Moment, wo von ſeiten Wilmersdorfs bedeutende Summen eingebaut ſein werden, in dem Gerichtsverfahren ſogenannte Billigkeitsgründe entſcheiden werden, Billigkeitsgründe, die, wenn man ſie ſich bei Licht anſieht, nichts anderes ſind als eine Unbill für denjenigen, der durch die Entſcheidung betroffen wird. Wenn ich nun auf die Vorſchläge des Magiſtrats eingehe, wie er ſie als Richtlinien für ſein weiteres Handeln von uns genehmigt wiſſen wollte, ſo ſind hier verſchiedene Möglichkeiten angedeutet worden: das Heranführen einer Kurfürſtendammlinie an den Wittenbergplatz, eine Umlegung der Wilmers⸗ dorfer Linie durch die Joachimsthaler Straße und endlich, was uns heute beſchäftigen ſoll, die Durchführung der Oſtlinie über den Nollendorf⸗ platz hinweg direkt in unſer Charlottenburg hinein. Zwei Gründe waren es hauptſächlich, welche den Magiſtrat beſtimmten. Erſtens: unſere Linie am Kurfürſtendamm muß eine direkte Verbindung mit der Stammlinie haben, und zweitens: die Schöneberger Intereſſen dürfen nicht vernachläſſigt werden; es muß alſo die Auflöſung über den Nollendorfplatz erfolgen, und es muß dadurch Schöneberg in ſeiner Verkehrsnot, in die es ſonſt kommen würde, geholfen werden. Dieſe beiden Geſichtspunkte ſind vollauf berückſichtigt worden. m an Ich gehe nicht mehr auf diejenigen Pläne ein, die ins Waſſer gefallen ſind. Sie erſehen das aus Wilmersdorfs unmöglich, anderſeits in techniſcher Beziehung wegen der ſogenannten Kreuzweichen. Es bleibt alſo nur noch der dritte Vorſchlag übrig: die direkte Durchführung der Oſtlinie nach dem Kurfürſtendamm. Das iſt denn auch diejenige Linie, welche beim Miniſterium Anklang gefunden und bezüglich der man mit der Hochbahngeſellſchaft weiter verhandelt hat und zu dem Ergebnis ge⸗ kommen iſt, das Ihnen vorliegt. Meine Herren, ich will auf die Einzelheiten dieſer Dinge deswegen nicht eingehen, weil ich es trotz der Zeit, die uns drängt, für richtig halte, daß wir uns hierüber in einem Ausſchuß verſtändigen, und ich möchte Ihnen vorſchlagen, daß wir dieſen Ausſchuß nach Beendigung der Diskuſſion ſofort wählen, daß der Ausſchuß ſofort zuſammentritt, daß unſere Sitzung nur während der Tagung dieſes Ausſchuſſes vertagt wird und wir noch heute den Bericht dieſes Ausſchuſſes entgegennehmen und dann beſchließen. Aber ſo ganz im allgemeinen wird es doch nötig ſein, ſich über dieſe neue Vorlage auszuſprechen, welche von den, wie geſagt, drei Möglichkeiten nur die eine vorſchlägt. Ich ſtehe zunächſt, wie ich vorhin ſchon geſagt habe, noch auf dem Standpunkt, daß die Uhland⸗ ſtraße die beſte Löſung iſt, und trotzdem der Magi⸗ ſtrat jetzt einigen Bedenken beitritt, habe ich immer noch die Hoffnung nicht aufgegeben — ich bin un⸗ verheſſerlicher Optimiſt —, daß im Laufe der Ver⸗ handlungen Wilmersdorf doch klug werden wird und ſehen wird, welche Vorteile ihm dieſe Linie bietet. (Bewegung.) Damit haben wir uns aber nicht zu beſchäftigen, ſondern mit dem, was Ihnen vorliegt. Das iſt durchaus nicht etwas ſehr Schönes, was man Ihnen freudigen Herzens empfehlen kann. Ich verkenne die Nachteile dieſer Linie durchaus nicht. Wir haben zwar einen direkten Verkehr, aber nur einen direkten Verkehr nach Oſten, und dieſer hat gerade für die Einwohner des Kurfürſtendamms vorläufig nur einen verhältnismäßig problematiſchen Wert. (Sehr wahr!) Es iſt richtig, daß wir auch einen Umſteigeverkehr nach Weſten, nach dem Leipziger Platz haben. Vor⸗ läufig iſt dieſes Umſteigen bei den Einwohnern Groß⸗Berlins nicht beliebt; aber ich glaube, daß die Entwicklung der Dinge noch an vielen Punkten zu einem derartigen Umſteigeverkehr drängen wird, und daß wir zu Verhältniſſen kommen werden, wie ſie in London ohne Zwang beſtehen. Aber trotzdem kann ich mich der Meinung nicht verſchließen, daß es beſſer wäre, wir hätten auch den direkten Weſt⸗ verkehr. Es iſt ferner richtig, daß uns durch den Bahnhof Nollendorfplatz auch die Möglichkeit ge⸗ geben iſt, ſpäter nach der Friedrichſtraße oder dorthin, wo die Schöneberger Bahn auslaufen wird, eine Fortſetzung zu finden. Aber das ſind Zutunftshoffnungen, die ich Sie nicht bitten möchte jetzt bei der Beratung zu hoch zu veranſchlagen. Nun, meine Herren, war Ihnen aus der Ver⸗ lage ſchon bekannt, daß wir einen bedeutenden Zu⸗ ſchuß leiſten müſſen à fonds perdu, ohne daß wir jetzt etwas davon haben. Sie ſehen aus dem Nach⸗