460 zahlen müßten, ſo groß iſt, daß ſie faſt vollſtändig mietefrei wohnen. Das iſt das, was der Fiskus anſtrebt, und er wird hierbei durch die privaten Terrainſpekulanten, durch ſeine privaten Kollegen, unterſtützt. (Sehr richtig! und Unruhe.) Das kann hier ganz ruhig vor der Offentlichkeit ausgeſprochen werden. Ich würde mich auch nicht ſcheuen, in der Offentlichkeit die Namen zu nennen. Es handelt ſich nicht um einen Streit zwiſchen Wil⸗ mersdorf und Charlottenburg, ſondern um einen Streit zwiſchen Haberland und der Deutſchen Bank, deſſen Koſten die Stadt Charlottenburg tragen ſoll. (Sehr richtig!) Es wäre mal ſehr intereſſant, zu unterſuchen, wie⸗ viel private Spekulanten hier ihre Hand im Spiele haben. Wir werden das ja mit Sicherheit nicht feſt⸗ ſtellen können; denn die Herren ſind eben viel zu ſchlau, als daß ſie ihre Karten aufdecken. Aber das pfeifen die Spatzen von den Dächern, daß wir die Koſten zahlen ſollen, damit die privaten Speku⸗ lanten auf ihre Koſten kommen, und damit ihre Intereſſen gefördert werden, die mit denen des Fiskus, des Staates, identiſch ſind. Das ſchlimmſte aber iſt, daß dieſen Zwecken ſogar die Selbſtverwaltung geopfert werden ſoll. Wir haben ja nicht allzuviel Zutrauen zu der Regierung in bezug auf die Selbſtverwaltung; wir wiſſen ganz genau, daß das Wort Selbſtver⸗ waltung heute nichts weiter iſt als eine Phraſe. Aber, meine Herren, ein ſolcher Fall hat ſich bisher in Preußen noch nicht ereignet, daß den Spekulationsintereſſen der Regierung des Selbſt⸗ verwaltungsrecht der Gemeinden geopfert wird. (Sehr richtig!) Der Herr Referent hat ja bereits auf die Aus⸗ führungen in der Frankfurter Zeitung hinge⸗ wieſen; ich brauche das nicht zu wiederholen. Ich will nur noch hinzufügen, daß auch ein Mit⸗ glied des Charlottenburger Magiſtrats unter Nen⸗ nung ſeines Namens im Berliner Tageblatt ganz ähnliche Ausführungen veröffentlicht hat. Wir hätten es lieber geſehen, meine Herren, wenn der Magiſtrat bei ſeiner Vorlage vom 27. Oktober geblieben und wenn prinzipiell einmal ausge⸗ fochten wäre, ob tatſächlich das Kleinbahngeſetz angewendet werden kann, um das Selbſtver⸗ waltungsrecht abzuwürgen. Selbſt auf die Gefahr hin, daß wir in dem Prozeß unterliegen würden, wäre ich für die Anſtrengung des Prozeſſes geweſen; dann hätte ſich vor aller Welt einmal gezeigt, wie es um die Selbſtverwaltung der Gemeinden in Preußen beſtellt iſt. Aber leider will der Ma⸗ giſtrat den Weg nicht gehen, und ich fürchte, daß auch die Minderheit der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung, die auf meinem Standpunkt ſteht, durch die Ausſchußberatung nicht zur Mehrheit werden wird. Der Herr Referent hat mit vollem Recht geſagt, daß die Art des Vorgehens von Wilmers⸗ dorf, wie Wilmersdorf ſich hinter die Staats⸗ regierung geſteckt hat, nicht gerade zur Förderung des Selbſtverwaltungsrechts beiträgt. Das unter⸗ ſchreibe ich vollkommen. Aber, meine Herren, es fragt ſich doch, ob die Art unſeres Vorgehens zur Förderung des Selbſtverwaltungsrechts bei⸗ trägt. Wenn wir immerfort zurückweichen, immer nachgeben, dann wird die Staatsregierung, die ſchon ſo wie ſo keinen hohen Begriff von den Städten hat, in ihrem Streben, das Selbſtver⸗ Sitzung vom 3. November 1909 waltungsrecht einzudämmen, weiter gehen, und es kann dann kommen, daß die Regierung einmal über unſern Kopf hinweg uns ſagt: Ihr habt die und die Bahnen zu bauen und die und die Summen zu zahlen! Ich will auf die Einzelheiten der Vorlage bei der vorgeſchrittenen Zeit nicht weiter ein⸗ gehen. Nur ein Wort über die Art, wie wir die Vorlage behandeln ſollen. Es iſt eine ſtarke Zu⸗ mutung, die an die Stadtverordnetenverſammlung geſtellt wird. Wir haben die Vorlage vom 1. No⸗ vember vor wenigen Tagen erhalten, und un⸗ gefähr eine halbe Stunde vor Eröffnung dieſer Sitzung haben wir zu der umfangreichen Vorlage noch eine allerdings nicht ſehr umfangreiche, aber doch ſehr wichtige Ergänzung bekommen,; es iſt kaum möglich geweſen, dieſe Ergänzung einigermaßen gewiſſenhaft zu prüfen. Nun wird geſagt: wir wollen die Angelegenheit in einem Ausſchuß prüfen, der Ausſchuß ſoll unmittelbar nach Schluß der Sitzung zuſammentreten, die anderen Herren ſollen dann draußen warten — oder auch hier bleiben —, und wenn der Ausſchuß fertig iſt, ſollen wir wieder zur Plenarſitzung zuſammentreten. Meine Herren, entſchuldigen Sie den Ausdruck — aber das kommt mir wie eine Komödie vor. Wir ſollten doch offen ſein und ſagen: für den wichtigſten Teil der Beratung ſchließen wir die Offentlichkeit aus. Weiter iſt es doch nichts: das Publikum wird gebeten, den Saal zu verlaſſen, und wenn es uns gefällt, rufen wir es wieder herein. Meine Herren, das machen wir nicht mit. Wir ſagen, daß die Bevölkerung Charlottenburgs ein ſehr lebhaftes Intereſſe daran hat, zu erfahren, wie die Stadtverordneten darüber denken, und nicht nur wie ſie darüber denken, ſondern auch aus welchen Gründen ſie zu ihrem Votum kommen. Dieſe Gründe will man aber in der Offentlichkeit nicht mitteilen, man will hinter verſchloſſenen Türen verhandeln, und die Bürgerſchaft erfährt morgen aus der Zeitung lediglich, was beſchloſſen iſt. Meine Herren, wenn wir die Vorlage beraten ſollen, dann ſollten wir es in voller Offentlichkeit tun! Beſchließen Sie zwei Leſungen, beraten Sie in zweiter Leſung über die Einzelheiten der Vorlage, aber beraten Sie im Plenum! Wir wiſſen, daß aus ganz beſtimmten Gründen das nicht geſchehen ſoll; aber ich ſcheue mich nicht zu ſagen, daß nichts verheimlicht zu werden braucht, wenigſtens nicht von unſerer Seite; wir werden durch die Verhandlung in der Offentlichkeit nicht geſchädigt werden. Die ganze Art, wie ſich jetzt die Differenzen in dem Verkehrsweſen bei uns abgeſpielt haben, beſtärkt mich immer mehr in der Anſchauung, der wir wiederholt Ausdruck gegeben haben und die in unſerer prinzipiellen Forderung zum Aus⸗ druck kommt, daß wir verpflichtet ſind, d as Ver⸗ kehrsweſen in eigne Regie zu über⸗ nehmen. Hätten wir das rechtzeitig getan, hätten wir nicht unſere Straßenbahnen Privat⸗ geſellſchaften ausgeliefert, dann wären wir nicht in die unangenehme Lage gekommen, in der wir uns jetzt befinden. 8 (Sehr richtig!) Meine Herren, die jetzigen Zuſtände drängen auch mit Notwendigkeit zu einem Verkehrs⸗ verbande Groß⸗Berlins. Ein Ver⸗ kehrsverband — der vielleicht gar nicht das Licht der Welt erblickt — ſoll ja in der Bildung begriffen