Sitzung vom 3. November 1909 ſein, aber er erſtreckt ſich nicht auf Hoch⸗ und Unter⸗ grundbahnen, ſondern nur auf die Straßenbahnen. Es wäre doch die Frage zu erwägen, ob man nicht an den entſcheidenden Stellen anregen ſoll, daß ein wirklicher Verkehrsverband geſchaffen wird, der alle Bahnen umfaßt. Dann werden auch ſolche Differenzen, wie ſie hier zwiſchen Wilmersdorf und Charlottenburg zutage ge⸗ treten ſind, nicht wieder vorkommen. Ich ſchließe damit, daß es ein un geſunder Zuſtand iſt, daß eine Gemeinde ihre Intereſſen gegenüber denen der anderen Gemeinde ausſpielt. Meine Herren, darunter müſſen die geſamten Verkehrsintereſſen von Groß⸗ Berlin leiden. Ich betrachte es als durchaus keinen Fehler, wenn ſchließlich die ganze Vorlage abgelehnt wird; wir werden dann ja ſehen, wie weit es die Regierung zu treiben wagt. Meine Herren, der Herr Referent meinte, wir ſollen das, was uns hier geboten wird, an⸗ nehmen; er fügte poetiſch hinzu: Was du von der Minute ausgeſchlagen, gibt keine Ewigkeit zu⸗ rück. Ich habe gar nichts dagegen, wenn wir das, was uns hier die Minute bietet, ausſchlagen; im Gegenteil, ich bin der Meinung, wir ſollen ruhig das, was uns jetzt geboten wird, ablehnen. Wir werden dadurch verhindern, daß wir für alle Ewigkeit privaten Geſellſchaften mit gebundenen Händen ausgeliefert werden. (Bravo! bei den Sozialdemokraten und einigen Liberalen.) Oberbürgermeiſter Schuſthrus: Meine Herren, ich möchte mich z un äch ſt zu den Be⸗ denken wenden, welche von den Herren Vor⸗ rednern in formaler Beziehung ausge⸗ ſprochen ſind. Herr Juſtizrat Holz hat ſich an § 40 der Städte⸗ ordnung gehalten und Zweifel ausgeſprochen, ob dieſer Paragraph innegehalten ſei. Ich möchte ihn bitten, dieſe Zweifel zurückzuſtellen; denn in der Tat ſind die Vorſchriften der Städteord nung in vollem Maße erfüllt. Der § 40 beſagt: Die Zuſammenberufung erfolgt unter An⸗ gabe der Gegenſtände der Ver⸗ handlung; mit Ausnahme dringender Fälle muß dieſelbe wenigſtens zwei freie Tage vorher ſtatthaben. Meine Herren, das iſt geſchehen: die Angabe über den Gegenſtand dieſer Verhand⸗ lung iſt Ihnen in der Tagesordnung zwei Tage vor der Sitzung rechtzeitig zugegangen. Eine Vorlage, meine Herren, iſt dabei nicht nötig. Es iſt nach der Städteordnung überhaupt nicht nötig, daß wir Ihnen ſchriftliche Vor⸗ lagen machen; wir müſſen Ihnen nur den Gegenſtand der Verhandlung angeben und können uns vorbehalten, mündlich unſere Anträge zu ſtellen und zu begründen. In kleineren Städten kommt das denn auch häufig vor, nur in größeren Städten iſt das nicht übliſch. Wir ſind nun — (Unruhe) meine Herren, ich bitte um ein bißchen Ruhe — bei der Kürze der Zeit, über die wir nicht Herr waren, bei dieſer Vorlage genötigt geweſen, von dem gewöhnlichen Uſus abzugehen und Ihnen die Vorlage ſpäter als ſonſt zuzuſtellen. Aber, wie geſagt, die Beſtimmungen der Städteordnung ſind dabei vollſtändig gewahrt. 461 Was nun den Ausſchuß anbetrifft, meine Herren, ſo hat ſich, wenn ich recht verſtanden habe, ein Redner, Herr Dr Stadthagen, überhaupt da⸗ gegen gewendet, einen Ausſchuß heute einzu⸗ berufen. Die anderen Herren ſchienen mir mit der heutigen Einſetzung des Ausſchuſſes einver⸗ ſtanden zu ſein. (Widerſpruch und Zurufe.) — Nun, dann wendet ſich auch gegen die anderen Herren das, was ich jetzt ſagen will. — Meine Herren, ich bitte Sie auf das dringendſte, ſich bewußt zu ſein, daß wir uns heute in einer un⸗ geheuer ernſten Situation befinden, daß wir uns in einer Situation befinden, die für die Zukunft von der allergrößten Tragweite iſt, und daß Sie ſich in der Tat in dem vollen Bewußtſein Ihrer Verantwortlichkeit die Frage vorzulegen haben, wie Sie zu dieſer Vorlage des Magiſtrats Stellung nehmen wollen. Die Dinge haben uns überrannt. Ich möchte ſagen, die Situation, die neu geſchaffen iſt, über die heute zu beſchließen iſt, iſt erſt etwas über eine Woche alt — vom Sonnabend, dem 23., an datiert erſt dieſe Situation; und in dieſe Situation haben wir uns vom Magiſtrat mit ungeheurer Eindringlichkeit hineinarbeiten müſſen. Sie, meine Herren, kennen dieſe Situ⸗ ation noch nicht; in der Vorlage haben wir Ihnen nicht alles auseinanderſetzen können; (Stadtv. Holz: Nanu!) das hätte zu weit geführt, das muß von Mund zu Mund geſchehen, und ich bitte Sie dringend, meine Herren, verſäumen Sie nicht, uns wenigſtens zu hören, daß wir Sie von der Lage der Dinge in genaue Kenntnis ſetzen. Herr Stadthagen keinen Ausſchluß. (Stadtv. Dr Stadthagen: Doch! Selbſtverſtändlich) Nun alſo: er will heute keinen Aussſchuß haben. Ich habe ihm ſchon perſönlich geſagt: Um Gottes willen, geſtatten Sie uns doch, Sie auf⸗ zuklären, Sie wiſſen ja gar nicht, was ſich ſeit vorigem Sonnabend abgeſpielt hat; Sie wiſſen ja gar nicht, was für ungeheuer wichtige Dinge wir Ihnen mitzuteilen haben. Alſo ich bitte dringend: ſetzen Sie heute einen Ausſchuß ein, hören Sie, was wir Ihnen in dem Ausſchuß zu ſagen haben, und faſſen Sie dann Ihre Beſchlüſſe! Ob Sie heute beſchließen wollen oder nicht, darüber dann zu entſcheiden, will ich Ihnen nicht verſchränken; Sie mögen die Magiſtratsvorlage ablehnen oder annehmen, aber ich bitte Sie dringend, den Aus⸗ ſchuß heute einzuſetzen, und uns heute zu hören. Ich gebe zu, meine Herren, daß wir uns in einer 3wangslage befinden. Der Herr Miniſter hat geſagt: Ich verlange eine Erklärung der Stadt Charlottenburg bis zum 4. November — das iſt bis morgen. Meine Herren, man mag dieſe Stellung⸗ nahme des Herrn Miniſters billigen oder miß⸗ billigen, aber man kann ſich doch dieſer Tatſache gegenüber nicht verſchließen. Die Tatſache liegt nun einmal ſo für uns, und wir haben nun zu ent⸗ ſcheiden: wollen wir darüber hinweggehen oder nicht? Meine Herren, der Magiſtrat hat die Ver⸗ antwortung nicht auf ſich genommen, zu ſagen: wir ſetzen uns über dieſe Verfügung des Herrn Miniſters hinweg. Der Magiſtrat hat ſich in ſehr ernſten langen Beratungen vorgehalten: was können uns für Nachteile erwachſen, wenn wir uns bis zum 4. November nicht entſchließen, und was können ſagt, er will überhaupt