Sitzung vom 3. November 1909 463 worden iſt; ich unterſchreibe das alles; aber ſchließ⸗ zukommen ſuchen, und zwar — da mache ich auch lich treffen die Vorwürfe nicht uns, ſondern ſie treffen die Inſtanzen, und der Fehler liegt ſchließlich an der Geſetzgebung, die ein ſolches Vorgehen gegen uns möglich macht. Der Miniſter iſt in der Lage, uns eine Friſt zu ſetzen, und wenn wir die Friſt nicht einhalten, dann kann der Miniſter ſeine Entſcheidung fällen. Dann freilich würde ja das Ergänzungs⸗ verfahren nach dem Geſetz weiter vor ſich gehen, und wir können unter Umſtänden auch das Riſiko laufen wollen und abwarten, wie das Verfahren enden wird. Aber vergeſſen wir doch nicht — darauf hat ja der Herr Berichterſtatter ſchon hin⸗ gewieſen —, daß durch die Entſcheidung des Herrn Miniſters unter Umſtänden dieſem Verfahren nach beſtimmten Richtungen hin ſchon präjudiziert werden kann. Wir müſſen uns rechtzeitig in eine möglichſt günſtige Lage für etwaige ſpätere Ent⸗ ſcheidungen zu bringen ſuchen. Man mag ja Vertrauen zu den Inſtanzen haben, wie man will, aber jedenfalls, wo doch nicht nach beſtimmten Grundſätzen des Geſetzes ent⸗ ſchieden wird, ſondern wo nach Billigkeitserwä⸗ gungen, nach allgemeinen Betrachtungen, nach Sentiments, möchte ich eigentlich beinahe ſagen, (Sehr richtig!), die Entſcheidung ſpäter gefällt wird, — ja, wer will denn da die Garantie übernehmen, daß die Ent⸗ ſcheidung zu unſeren Gunſten ausfällt, oder ander⸗ ſeits, wer will das Riſito laufen, eine Offerte, die doch immerhin gewiſſe Vorteile für uns bietet, ab⸗ zulehnen in der Erwartung, daß wir, wenn wir unſere Sache allein zum äußerſten Ziele führen, dann einen größeren Vorteil herausſchlagen werden? Ich muß ſagen, es würde ein gewiſſes Lotterieſpiel darin liegen, wenn wir in dieſer Weiſe handeln wollten. (Sehr richtig!) Meine Herren, es iſt nun ferner geſagt: ja, der Termin, der uns hier geſetzt iſt — das dürfen wir uns nicht gefallen laſſen! Sämtliche Redner haben ſich darüber erregt. Es iſt auf einen Artikel der Frankfurter Zeitung hingewieſen. Ja, meine Herren, wenn Sie hier jemanden haben wollen, der Kritik übt an den unerhörten Eingriffen in die Selbſtverwaltung, wenn Sie jemanden haben wollen, der mit der allergrößten Entrüſtung ſich über das Verfahren ausſpricht, das in dieſem Falle von den Regierungsinſtanzen gegen Charlottenburg geübt iſt, dem kein Wort ſcharf genug nach der Richtung hin iſt, — meine Herren, ich ſtehe wirklich dafür jederzeit zu Ihrer Verfügung — wenn's bloß was nützen würde in dieſem Fall! (Stadtv. Jachmann: Sehr gut!) Meine Herren, wir wollen doch hier Charlotten⸗ burgs Intereſſen wahren, (Stadtv. Jachmann: Sehr richtig!) und wir werden die Charlottenburger Intereſſen nicht dadurch wahren, daß wir hier feierlich Ver⸗ wahrung einlegen gegen eine derartige Ver⸗ gewaltigung Charlottenburgs, ſondern ich glaube, wir wahren die Intereſſen Charlottenburgs, wenn wir allerdings unſer lebhaftes Bedauern darüber ausſprechen, daß die Dinge ſo weit haben getrieben werden können, wenn wir ſagen: wir unterſchreiben jedes einzige Wort, das in dem Artikel der Frank⸗ furter Zeitung ſtand, dann im übrigen aber der force majeure Rechnung tragen. Wir können nicht die Geſetze abändern, nicht die Miniſter abſetzen, ſondern wir müſſen aus dieſen Verhältniſſen heraus⸗ gar kein Hehl daraus — mit kleinſten Opfern. Wir befinden uns einmal in einer derartigen Situation. Das iſt ja ein ſehr bequemer Standpunkt, wenn man ſagt: entweder — oder. Dürfen wir ihn aber als Charlottenburger Stadtverordnete einnehmen und ſagen: das laſſen wir uns nicht gefallen, infolge⸗ deſſen beſchreiten wir dieſen Weg nicht weiter? Ich glaube, wir dürfen gar nicht einmal als Charlotten⸗ burger Stadtverordnete uns zu einer derartigen Richtung beſtimmen laſſen; denn wir würden damit unter Umſtänden Charlottenburg für lange Zeit in der Entwicklung ſeiner Verkehrsintereſſen feſt⸗ legen, und zwar zum Schaden Charlottenburgs. (Sehr richtig!) Nun hat Herr Kollege Hirſch hier einen Stand⸗ punkt vertreten, der mich eigentlich überraſchte. Er ſagte: wie kommen wir dazu, in die Gegend am Kurfürſtendamm eine Untergrundbahn zu legen, wie können wir zwei Millionen aus dem Säckel der Steuerzahler ausgeben für eine Unter⸗ grundbahn, die nur einer ganz beſtimmten Gegend zugute kommt? Meine Herren, von dieſem Stand⸗ punkt aus könnten wir überhaupt gar nichts mehr unternehmen. (Sehr richtig!) Von dieſem Standpunkt aus hätten wir auch gar nicht einmal an die Errichtung eines Elektrizitäts⸗ werkes gehen können; denn in gewiſſem Sinne ſind es immer nur gewiſſe Kreiſe der Bevölkerung, die davon Vorteil haben. (Sehr richtig!) Und denken Sie an andere kommunale Ein⸗ richtungen! Ich weiß nicht, ob der Herr Kollege ſich auf den gleichen Standpunkt geſtellt hätte, wenn es ſich hier um eine Aufwendung für die Klaſſen der Bevölkerung handelte, die er angeblich hier ver⸗ tritt. (Sehr richtig!) Dann würde er wahrſcheinlich geſagt haben: es iſt die verfluchte Pflicht und Schuldigkeit der geſamten Charlottenburger, einzuſtehen. (Sehr richtig!) Und, meine Herren, welcher kleinliche Stand⸗ punkt, zu ſagen: der Untergrundbahnhof kommt nur einem beſtimmten Bezirk zugute! Ich meine, was einem beſtimmten Bezirk zugute kommt, kommt doch ſchließlich in der Reflexwirkung der ge⸗ ſamten Bürgerſchaft von Charlottenburg zugute. (Sehr richtig!) Wollen wir vielleicht ſagen, daß die Bevölkerung als ſolche keinerlei Vorteile habe von Untergrund⸗ bahnen und ſonſtigen Verkehrserleichterungen, die zuerſt nur einem beſtimmten Bezirk dienen? Ich glaube nicht, daß Herr Kollege Hirſch bereit ſein wird, dieſen Standpunkt wirklich auf die Dauer aufrecht zu erhalten. (Stadtv. Hirſch: So habe ich es auch nicht geſagt!) Ich würde mich ſehr freuen, wenn Sie dieſen Stand⸗ punkt nicht wahren; eine Verſtändigung zwiſchen uns wird dann ſehr leicht ſein. Herr Kollege Holz ſagt, er gehe mit keinem großen Vertrauen den Ausſchußberatungen ent⸗ gegen, aber er würde ſich immerhin freuen, wenn es den andern gelänge, ihn im Ausſchuß eines Beſſeren zu überzeugen. Gleichzeitig aber hat er hinzu⸗ gefügt, er ginge mit einem ſtarken Peſſimismus in den Ausſchuß. Nun, meine Herren, gegen Peſſi⸗ mismus anzukämpfen — ich weiß wirklich nicht, mit welchen Erwägungen ich den peſſimiſtiſchen Stand⸗